Meinung

Kleine Nager und große Tiere

17. Januar 2008
Redaktion Börsenblatt
Es ist höchste Zeit für einen Verbund der Independent-Verlage. Von Jörg Sundermeier.
Was die Briten mit der Independent Alliance und die Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz, die sich zu den Swiss Independent Publishers (SWIPS) unter ihrem rührigen »Presidente« Ricco Bilger zusammengeschlossen haben, vormachen, sollte man in Deutschland, wo man sich ja noch auf die Preisbindung verlassen kann, nicht einfach ignorieren. Denn dieses »noch« ist bestimmend. Noch beherrschen die Großfilialisten DBH, Mayersche und Thalia den deutschen Buchmarkt nicht zur Gänze und noch ist es im Buchhandel unüblich, Verlage »auszulisten« – selbst dort, wo die Vertreterinnen und die Vertreter nicht mehr empfangen, wo die Vorschauen nicht einmal mehr ausgepackt werden, sind zumindest all die Titel, die die Barsortimente führen, problemlos zu erwerben. Noch ist es üblich, den »kleinen Nagern« – wie Dietmar Dath sie unlängst nannte – ein paar kleine Krumen übrig zu lassen, noch findet das Neue, das Junge, das Freche Wohlwollen in den Buchhandlungen, wenn es nur halbwegs professionell auftritt. Doch es ist abzusehen, dass die Filialisten weiter an Macht gewinnen, dass Verlage auch in Deutschland bald für Platzierungen werden zahlen müssen, dass der größere Teil des unabhängigen Buchhandels die Moden mitmacht und dennoch eingeht, und dass die kleinen Nager bald kaum noch ihre Krumen finden. Wie wir in unzähligen Fabeln nachlesen können, gelingt es den Kleinen allerdings immer dann ihren Lebensraum gegen die Großen zu verteidigen, wenn sie sich zusammenschließen. Und wie es in allen Fabeln beschrieben ist, wehren sich die meisten Kleinen zunächst gegen einen solchen Zusammenschluss. Sie haben Angst, übertölpelt zu werden und fürchten um ihre Geschäftsgeheimnisse. Dass diese Sorgen unberechtigt sind, lehrt die Geschichte von der Independent Alliance. Hierzulande gab es mehrere Versuche, die kleinen Nager zu einem großen Gemeinschaftstier zu verflechten, zuletzt mit der Initiative »Junge Verlage«, aus der zwar viele gemeinsame Marketingaktionen hervorgingen und -gehen. Doch alles Engagement hat bislang nicht dazu gereicht, einen gemeinsamen Vertriebsverbund zu bilden. Offensichtlich sind die Verlage zu verschieden, die jeweiligen Programme zu heterogen, jede und jeder hängt an seiner Auslieferung, seinen Vertretern, ja an seiner Einzelkämpfermentalität. Und tatsächlich ist die Gefahr groß, zum Rattenkönig zu werden, wenn man sich zu einem zu großen und uneinheitlichen Verbund zusammenschließt. Rattenkönige sterben, weil sie sich nicht mehr bewegen können. Das liegt vielleicht an falschen Klammern – einen populären Sachbuchverlag und eine feine Lyrikedition unterscheidet nun mal mehr, als sie eint. Aber innerhalb eines überschaubaren Marktsegments ist ein solcher Verbund durchaus sinnvoll. Und das ganze Kleingetier sollte eine solche Verbindung recht rasch begründen. In Panik gegründete Verbunde werden Fehler machen, aber keine Zeit mehr haben, aus ihnen zu lernen. Aus der bedrängten Position heraus kämpft sich’s zudem stets schlechter als aus der gelassenen. Die kleinen Nager sollten also jetzt agieren, jetzt, wo es noch gut geht. Warum tun sich die kleinen Verlage so schwer mit einem echten Verbund?