Die Forschung baut im Online-Bereich zunehmend auf eigene Publikationsstrukturen, die die Verlage mit ihren Geschäftsmodellen bedrängen. Geht die Schere der Interessen weiterhin auseinander?
de Kemp: Das hatten wir vor zwei Jahren noch gedacht, als wir uns das erste Mal hier trafen. Wir waren verfeindet, einige Fraktionen wollten nicht mal miteinander reden. Schon im letzten Jahr haben wir gemerkt, dass es sehr viel mehr Verständnis füreinander gab. Diesmal haben wir fast Harmonie erreicht. Namhafte Wissenschaftler von Forschungseinrichtungen, Hochschulen und wissenschaftlichen Gesellschaften waren hier zwei Tage im Gespräch mit Bibliothekaren und Verlegern. Die Nichtkommerziellen Uni-Verlage waren ebenso vertreten wie die großen Wissenschaftsverlage. Das ist einer der großen Pluspunkte dieser Konferenz APE. Sie wird respektiert, weil wir ein breites Forum bieten, weil wir hier über die Bedeutung der Information für Wissenschaft und Gesellschaft sprechen.
Bei allem Zusammenklang der Interessen die Initiative beim Open Access und was mit diesem Prinzip der freien Verfügbarkeit der Information zusammenhängt, geht nicht von den Verlegern, sondern von den Wissenschaftlern aus. Wo stehen die Verlage?
de Kemp: Das mag so sein, dass die Initiative von der Forschung ausgegangen ist, aber inzwischen gibt es reihenweise Verlage, die längst Open Access-Modelle anbieten. Denn Open Access nichts anderes als eine Umwidmung der Geldmittel das hat auf der Konferenz auch der Hochenergie-Physiker Rolf-Dieter Heuer, Forschungsdirektor des DESY für Teilchenphysik gesagt. Die Forschungseinrichtungen werden nicht ohne die Verlage auskommen. Sie wollen nur, dass das Geld, das aus den gleichen Töpfen wie bisher kommt, besser kontrolliert und verteilt wird. Dazu bauen sie ihre Konsortien als eine Art Sparkasse auf, um von dieser Position aus mit den Verlagen zu verhandeln und deren Publikationen zu finanzieren. Das Endergebnis sollte sein, dass das, was publiziert worden ist, auch frei zugänglich ist. Das halte ich für ein sehr nützliches Streben.
Damit setzt sich offenbar das autorenfinanzierte Modell beim Open Access durch.
de Kemp: Ja, so sieht es aus. Das wird von der Seite der Förderer, also der Wissenschaftsgesellschaften und der Politik auch sehr unterstützt. Der wissenschaftliche Springerverlag hat vor vielen Jahren schon sein Open-Choice-Modell eingeführt. Danach kann ein Autor wählen, ob er das Subskriptionsmodell nimmt und seine eigenen Geldmittel schont und die Bibliotheken müssen seinen Text weiterhin kaufen. Oder er bezahlt an den Verlag eine bestimmte Summe und der Verlag schaltet diese Publikation dann frei. Im Endeffekt könnte das helfen, die Publikationen billiger zu machen und wir bleiben dennoch in einem Boot.
Am Markt laufen sehr verschiedene Geschäftsmodelle für Open Access, die auch als Experiment angelegt sind, um die Lage auszutesten. Sind einige bereits überholt? Ist das eine Erkenntnis dieser Konferenz?
de Kemp: Das ist alles noch zu neu. Jeder zweite Verlag experimentiert auch weiterhin damit. Und es gibt wenig Austausch untereinander. Es gibt auch kaum Verständnis für die unterschiedlichen Rollen, die gespielt werden müssen. Deswegen werden wir uns in den nächsten zwei, drei Jahren auch viel mit Transparenz in den Publikationsprozessen beschäftigen müssen. Wenn eines klar geworden ist in den letzten Jahren, dann, dass das elektronische Publizieren nicht damit getan ist, dass man eine PDF-Datei auf einen Rechner legt. Vor allem werden die Anforderungen an Qualität durch Peer Review oder andere Evaluierungssysteme immer stärker. Auf dem Kongress wurde auch eindrücklich dargestellt, wie schnell die Zahl der Wissenschaftler heute wächst und damit die Zahl der angebotenen Publikationen, die ins Netz gestellt werden. Das geht logarithmisch nach oben. Das zeigt diese Konferenz: Das Publizieren selbst wird heute besser verstanden, als noch vor wenigen Jahren und auch die Rolle der Verlage wird von Seiten der Autoren, der Forschung heute respektiert. Beide Seiten wissen, dass man nur miteinander vorgehen kann. Das ist hoch spannend.
Der Part, den die Verlage zu spielen haben, heißt vor allem Qualitätssicherung. Das stand auch in großen Lettern über diesem APE-Kongress 2008. Peer Review ist eine unverzichtbare Leistung für die Wissenschaft. Bleibt das das Top-Thema der nächsten Jahre?
de Kemp: Das wird ein großes Thema bleiben. Auch da wird viel experimentiert. Wir haben uns bisher stark auf die Naturwissenschaften und Technik und die Biowissenschaften, die Medizin konzentriert. Jetzt kommen auch die Geisteswissenschaften dazu mit ganz anderen Informationsbedürfnissen, da werden viel mehr Bücher produziert und gelesen. Das haben wir bisher kaum angesprochen. Prof. Erhard Rahm von der Uni Leipzig hat hier dargestellt, wie man sich in der Informatik informiert. Die Hauptinfoquelle sind nicht die Zeitschriften oder Bücher, sondern die Fachkonferenzen, die zwei, dreimal im Jahr stattfinden. Von dort kommen die meisten Zitate und Referenzen.
Wie wird sich diese Konferenzreihe den neuen Themen stellen?
de Kemp: Das Modell APE ist ein offenes Forum für alle Player am Markt. Wir konnten dafür auch immer namhafte Vertreter gewinnen und bekommen viel Lob dafür. Es gibt einen Riesenbedarf für mindestens die nächste Konferenz, die sich 2009 mit dem Thema Impact beim Publizieren befassen soll. Wie kann man Wirkung in den verschiedenen Fachgebieten definieren und messen - wie ändert sich das? Und wir werden uns mit den steigenden Kosten befassen. Wie kann man effizienter mit den Mitteln umgehen? Es gibt also auch in Zukunft keine Geschichte von Gewinnern und Verlierern. Wir sind in einer Win-win-Situation, in der wir voneinander lernen, auch die Rolle des anderen zu verstehen.
Der Konferenz war zum zweiten Mal ein eintägiger Workshop als Bildungs- und Trainingskurs vorwiegend für junge Teilnehmer vorangestellt. Wie ist das angenommen worden?
de Kemp: Es gab großen Zuspruch. Wir hatten mehr Teilnehmer als im letzten Jahr. Interessanterweise kamen mehr reifere Verlagskollegen als Newcomer. Aber wir hatten auch Studenten dabei und werden uns mit den Ausbildungseinrichtungen an den Hochschulen jetzt stärker vernetzen. Da kommen die Leute her, die wir brauchen. Die Workshops werden weiterhin fester Bestandteil der Konferenzen sein.