Von Analphabeten und Viellesern – Lesegewohnheiten in China

24. Januar 2008
Redaktion Börsenblatt
In China wird dem Buch und der Literatur seit jeher viel Respekt entgegengebracht. Die Chinesen lesen gerne und stillen gerne ihren Wissensdurst.
Allerdings können von den 1,3 Milliarden Einwohnern Chinas fast 10 Prozent nicht lesen und schreiben. Als lese- und schreibfähig gilt in China, wer mehr als 1500 Schriftzeichen beherrscht. Nachdem die Analphabetenrate zwischen 1990 und 2000 von 15,9 Prozent auf 6,7 Prozent gefallen war, ist die Zahl der Analphabeten bis 2005 wieder um über 30 Millionen auf 116 Millionen Menschen angestiegen. Die Probleme sind hausgemacht. Vor allem arme Familien in dicht besiedelten ländlichen Gegenden können es sich oft nicht leisten, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Jugendliche vom Lande verdienen eher als Arbeiter Geld, anstatt zur Schule zu gehen. Außerdem haben viele Provinzregierungen nach den letzten Erfolgen die Gelder zur Bekämpfung des Analphabetismus für andere Dinge verwendet. Dennoch hat die Führung in Peking den Stellenwert von Bildung für das weitere Wachstum erkannt und ist darin weiter als viele Industriestaaten. Wie lesen die, die lesen können? Über ein Viertel aller Leser gaben 2003 an, mehr als acht mal im Monat zu lesen. Sie können also zu den Viellesern gerechnet werden. 50 Prozent der Leser lesen ein bis vier Mal pro Monat. Andererseits wächst die Gruppe derjenigen, die gar nicht mehr lesen. Die Mehrzahl derjenigen die nicht lesen, begründen dies durch die gestiegenen beruflichen Anforderungen und den dadurch entstehenden Mangel an freier Zeit. Die private Aus- und Weiterbildung in der Freizeit durch die steigenden beruflichen Ansprüche an das eigene Fachwissen und Können bleibt jedoch ein wesentlicher Grund für das Lesen. Weitere Gründe sind auch Entspannung, Unterhaltung, Informationen und das Verständnis für gesellschaftliche Zusammenhänge Die Lesegewohnheiten sind je nach Geschlecht, Alter oder Bildungsgrad sehr unterschiedlich ausgeprägt: - anders als in Deutschland lesen in China Männer häufiger und mehr als Frauen - mit zunehmendem Alter sinkt die Leseintensität und Lesedauer - das Buch wird mit abnehmendem Bildungsgrad weniger genutzt Gefragt nach ihren Lieblingsthemen standen 2003 die Ratgeber und Sachbücher, gefolgt von Belletristik und General Interest-Titeln an der Spitze. Bei der Themenwahl lassen sich zwei Entwicklungen erkennen, zum einen eine Entpolitisierung der Themen von Büchern der politischen Erziehung Ende der 1970er Jahre hin zu Ratgebern und praxisnahen Wirtschafts- und Lifestyletiteln. Zum anderen eine Diversifikation der Themen und Inhalte, da die Menschen heutzutage größtenteils das lesen können, was sie möchten. Leider stieg auch der Anteil derjenigen, die Raubkopien kauften von 43,1 Prozent in 2001 auf 46 Prozent in 2003. Die Gründe für den Erwerb von Raubdrucken erscheinen offensichtlich: der Hauptgrund für den Kauf von Raubkopien ist der geringere Preis. An zweiter Stelle steht die Bequemlichkeit beim Kauf. Oft ist aber auch keine legale Kopie erhältlich. Dies ist ein Hinweis darauf, dass das Distributionssystem nicht in der Lage ist, die Buchkäufer angemessen mit offiziellen Exemplaren zu versorgen. Die chinesische Regierung und die chinesische Verlagsbranche müssen also noch Einiges tun, um diesen Problemen einen Riegel vorzuschieben. Gleichzeitig nehmen andere Medienformen einen immer größeren Raum im Leben einer chinesischen Familie ein. Wie in anderen Ländern auch, muss sich das Buch in China gegen den Fernseher, das Internet und Zeitschriften durchsetzen, um seinen Anteil am Mediennutzungsbudget zu erhalten. Mehr davon erfahren Sie im nächsten Beitrag: Über den Buchrand geschaut - Andere Medien in China