Meinung

Die Aussicht auf ein kulturelles Reservat

7. Februar 2008
Redaktion Börsenblatt
Lockt die Branche den falschen Nachwuchs an?, fragt Heinz Gollhardt.
Wer sich Gedanken über die Qualifikation zukünftiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserer Branche macht, den müssen die ersten Ergebnisse einer Fragebogenaktion unter Ausbildern und Auszubildenden im Sortimentsbuchhandel erschüttern. Sicher sind betriebswirtschaftliche Kenntnisse und Medienkompetenz nicht jene Felder, auf denen Ausbilder am meisten glänzen, bei den Azubis aber spielen Verkauf, Vertrieb, Medien- und Handlungskompetenz eine noch geringere Rolle. Wie überhaupt auffällig ist, dass die Azubis allen abgefragten Kenntnis- und Tätigkeitsfeldern im Sortimenterberuf eine geringere Bedeutung zuzusprechen scheinen als die Ausbilder. Fasst man die bisher ausgewerteten Ergebnisse der Befragung zusammen, so sind die Azubis im Durchschnitt gut 23 Jahre alt, konservativ, elektronischen Medien und betriebswirtschaftlichen Erfordernissen gegenüber eher uninteressiert, aber freundlich im Umgang mit Menschen. Über die endgültigen Ergebnisse der Fragebogen-Aktion wird im Einzelnen noch diskutiert werden. Was sich aber schon jetzt gewissermaßen als übergeordnete Frage stellt, ist: Warum sind diese jungen Menschen so beschaffen? Am meisten überrascht, dass sie an elektronischen und Informationsmedien so wenig interessiert sind; sogar weniger noch als ihre Ausbilder. Heißt es nicht immer wieder, dass dies eher ein Problem älterer und alter Menschen ist, dass diese Medien die Welt der jungen sind? Das Desinteresse an betriebswirtschaftlichen und kaufmännischen Themen ist nichts Neues in unserer Branche, obwohl in den großen und den Kettenunternehmen sich da längst vieles geändert hat – mit entsprechend positiven Auswirkungen. Ich habe den Verdacht, dass der Durchschnitt unserer Azubis nicht repräsentativ ist für den Durchschnitt junger Menschen – auch nicht derjenigen mit Abitur. Zu vermuten ist, dass die potenziellen Azubis angelockt werden durch ein Image unserer Branche, in dem Betriebswirtschaft und moderne Technik eher eine Randrolle spielen; mit anderen Worten: Hier lockt das Image eines kulturellen Naturschutzparks, in dem man geschützt ist vor Neuerungen und so profanen Dingen wie kaufmännischen Anforderungen. Hätte man nach zukünftigen Studienwünschen der Azubis gefragt, so wäre Germanistik sicher das bevorzugte Fach. Wahrscheinlich hat sich das Interessenspektrum heutiger Azubis nicht wesentlich geändert gegenüber früher. Das kann uns aber nicht trösten. Die Anforderungen an Fachkräfte in unserer Branche sind heute einfach höher – nicht zuletzt durch den brancheninternen Konkurrenzkampf. Ein anderer Gesichtspunkt ist, dass Führungskräfte aus diesem Potenzial von Nachwuchs nur in Einzelfällen zu gewinnen sind. Führungskräfte werden sich stärker noch als in der Vergangenheit aus sogenannten Seiteneinsteigern rekrutieren oder bei aufgeschlossenen Familienunternehmen auch aus speziell ausgebildeten Familienangehörigen. Worum wir uns also kümmern sollten, ist eine deutliche und zeitgemäße Veränderung unseres Images. Schon die bekannte schlechte Position des Buchhandels in Befragungen nach der Beliebtheit von Berufen ist zwar von der Branche bemerkt worden, aber ohne Auswirkungen auf eine Image-Revision geblieben. Genügen die Auszubildenden in der Buchbranche modernen Anforderungen? Diskutieren Sie mit uns!