Marketing

Die Zielgruppe fest im Blick – Hörbuchverlage forcieren Publikumswerbung

12. Februar 2008
Redaktion Börsenblatt
Wo sind die Hörbuchfans? Im Kino, auf Postkarten, im Internet und sogar im Flugzeug trommeln die Verlage für ihre Produkte. Eine Umfrage zum Thema Endkundenwerbung.
Es gibt kein Entrinnen: Das Mittelalter wartet. Überall im deutschsprachigen Raum rückt die Verlagsgruppe Lübbe ihren Erfolgsautor Ken Follett ins rechte Licht. Denn im Februar erscheint „Die Tore der Welt“, die Fortsetzung des Bestsellers „Die Säulen der Erde“. Zeitgleich als Buch und Hörbuch – und somit läuft die Marketingmaschinerie heiß: Geplant sind u.a. Großflächenplakatierungen sowie Infoscreens. Wer mit Germanwings abhebt, landet via Onboardkampagnen ebenfalls direkt in der Vergangenheit. Sicher, dieses Feuerwerk an Werbemaßnahmen können vor allem die kleinen, die reinen Hörbuchverlage nicht zünden. Dennoch, eine kleine Umfrage unter den Verlagen beweist: Publikumswerbung ist ein wichtiger Bestandteil der Marketingstrategie. Weil sich die medialen Möglichkeiten in den letzten Jahren deutlich vergrößert haben, können selbst die finanzschwächeren Verlage mitmischen. Wie muss ein Produkt aussehen, bei dem die Verlage auf Publikumswerbung setzen? „Das entscheiden wir von Fall zu Fall, ganz nach unseren Schwerpunktthemen und Programmprioritäten“, erklärt Ann-Kathrin Meyer vom Jumbo Verlag. Im Kinderprogramm setzt ihr Haus beispielsweise auf „Lola Löwenherz“ oder die Hörspiele zur TV-Serie „Die Pfefferkörner“ (da wirbt der Abspann der ARD-Serie gleichzeitig für das Hörexemplar). Im Goya-Programm liegt der Schwerpunkt auf „Abendland“ von Michael Köhlmeier; der Autor wird deshalb auch auf der Litera in Linz lesen. In den Zeitschriften macht Jumbo unter anderem auf Fay Weldons „Moral der Frauen“ oder die „Partitur des Todes“ von Jan Seghers aufmerksam. Publikumswerbung lohnt sich immer dann, so Andrea Herzog von der Hamburger Hörcompany, wenn ihr Verlag eine neue Serie ins vorstellen wolle. Oder aber, falls er mit einer ungewöhnlichen Produktion mit tollem Cover einen echten Hingucker verfüge. „Vor allem unsere Originalproduktionen brauchen Publikumswerbung“, betont Kilian Kissling, Marketingleiter des Argon-Verlags. Einigkeit herrscht bei den Werbe-Experten bei folgendem Punkt: Erst wenn die Zielgruppe klar umrissen ist, lohnt sich der Einsatz. Nur so rechnet sich z.B. das teure TV-Engagement, das sich dennoch einige Hör-Häuser leisten: Die Verlagsgruppe Lübbe beispielsweise trifft z.B. bei RTL II auf Science-Fiction-Liebhaber und macht deshalb dort in Spots auf „Dune – Der Wüstenplanet“ (mit den Sprechern Jürgen Prochnow und Nina Hagen) aufmerksam. Geschätzte 30 Prozent ihres Etats gibt Hörverlag-Marketingleiterin Bettina Halstrick für die Publikumswerbung aus. Relativ wenig Geld pumpt sie in klassische Anzeigen der Zeitungen und Zeitschriften. „Hörbücher sind in diesem Medium schwer vermittelbar.“ Auch TV-Werbung scheidet in der Regel aus – sie ist schlicht zu teuer. „Aufgrund der Nähe der Medien würde ich die Rundfunkwerbung immer bevorzugen.“ Als häufig genutzter Werbeträger sei der klassische Rundfunkspot, insbesondere bundesweit, leider zu kostspielig. Funk-Werbung ist im Vergleich zur TV-Werbung bezahlbar, so Steffi Behrend vom DAV - Der Audio Verlag, und besonders dann sinnvoll, wenn sie sich regional streuen und dosieren lässt, zum Beispiel begleitend zur Pressearbeit in Vorbereitung einer Veranstaltung. Kaum ein Werbemedium scheint heute so auf die Bedürfnisse der Hörbuch-Verlage zugeschnitten zu sein wie das Internet: Bei der Hörspiel-Soap-Reihe „Und nebenbei Liebe“, einer Originalveröffentlichung, setzt Kilian Kissling, Marketingleiter des Argon-Verlags, zwar ebenfalls auf Zeitschriftenwerbung und Hörprobenstreuung, doch sein Verlag schaltet überdies eine eigene Webseite und kooperiert ganz eng mit Online-Medien wie Maedchen.de, bravo.de oder mcdonalds.de. „Wir nutzen die elektronischen Medien bewusst intensiv – und dies nicht allein aus Kostengründen“, erklärt Kissling. „Das Internet bietet uns die Möglichkeit, Hörproben unserem Wunschpublikum vorzustellen.“ Der Argon-Verlag bestückt deshalb verschiedene Hörbuchforen oder YouTube – ideale „Verbündete“, wenn vor allem junge Hörer angesprochen werden sollen. Die Verlagsgruppe Random House bietet verstärkt zielgruppengenaue Internetseiten (so zum Beispiel www.spiderwick.de) und hat unter www.transatlantik.de einen Literatur-Blog etabliert. „Auf den minutenbegrenzten Hörbüchern ist oft kein Platz für Bonusmaterial“, erklärt Marketing-Leiterin Ines Wallraff, „deshalb verweisen wir auf die Seiten und bieten dort exklusives Material.“ Bei den Spiderwicks hat der Verlag z.B. einen Hörbuchfilm (Making-of des Hörbuchs) integriert; auf den Literaturseiten werden Interviews mit Rüdiger Safranski, Charlotte Roche oder Gerd Köster erscheinen. Der Schweizer Verlag Kein & Aber nutzt das Internet besonders konsequent. Den Relaunch seines Internetauftritts nahm er zum Anlass, gleich ein Internet-Radio zu installieren. Rund um die Uhr können die Nutzer ausführliche Ausschnitte aus dem Programm hören; gut 50 Titel hat Kein & Aber ausgewählt, darunter Neuerscheinungen ebenso wie Backlist-Titel. „Wir werden das Internetmarketing weiter ausbauen, ohne ganz auf die Printwerbung zu verzichten“, erklärt Pressemann Joachim Leser. Gute Erfahrungen hat auch der Hörverlag mit dem Internet gemacht. So läuft die Microsite zum Thema Harry Potter www.harrypotter-hoeren.de , mit der vor allem die Fangemeinde von Rufus Beck bedient wird, noch weit erfolgreicher als vermutet. Diese Einschätzung teilt Der Audio Verlag, dessen Websites zu den Tatort-Hörbüchern oder für das Garcia Marquez-Programm auf rege Resonanz stoßen. Solche spielerischen Fanseiten könnten demnach richtungweisend für die Publikumswerbung werden. Dass auch Zeitschriften als Werbebotschafter taugen, beweist unter anderem der Jumbo Verlag: Er legt der Zeitschrift „Wendy“ eine Hörproben-CD der „Wilden Hühner“ bei; ein Werbekniff, den viele andre Verlage ebenfalls anwenden. Laut Steffi Behrend, Pressefrau des DAV - Der Audio Verlag ist die Zeitschriftenwerbung immer noch das hauptsächliche Marketinginstrument ihres Verlags: Dies gilt sowohl für Fachanzeigen in den Branchenblättern als auch in Endverbrauchermagazinen – dabei schätzt Behrend die beigelegte Hörproben-CDs als Goodie für den Leser besonders. Natürlich setzt der Werbeetat bisweilen enge Grenzen: Viele Hörbuchanbieter können große und flächendeckende Werbekampagnen nicht stemmen. Also – ist mitunter Witz gefragt: Die Hamburger Hörcompany beispielsweise setzt auf kleine Nettigkeiten für die Kunden, beispielsweise Postkarten mit dekorativen Covermotiven, die auf die Hörproduktionen verweisen oder Faltprospekte mit einem attraktiven Poster auf der Rückseite. Gleiches gilt für den DAV, der seine Postkartenwerbung in Clubs/Bars und Kinos auslegt. Sehr beliebt bei den Marketingfachleuten der Branche ist eine enge Kooperation mit den Buchverlagen. Schließlich erscheinen heute bereits viele Bücher Hörbücher zeitgleich mit dem HörbuchBuch, da drängt sich das Crossmarketing geradezu auf. Nervenkitzel im Kino verspricht versprach beispielsweise die Verlagsgruppe Random House Audio, der zu Sergej Lukianenkos „Wächter der Nacht“ eine gemeinsame Kinowerbung mit dem Filmverleih und Heyne startete. „Bei einigen Previews gab´s eine Lesung mit unserem Hörbuchsprecher Oliver Brod zum Auftakt“, erzählt Ines Wallraff von Random House, „das kam sehr gut an; deshalb werden wir diesen Weg sicher auch bei andren Produktionen beschreiten.“ Auch bei der Knaur-Kinowerbung für den Bestsellerautor John Katzenbach findet sich ein Hinweis auf das Hörbuch aus dem Argon-Verlag. Kilian Kissling dazu: „Bei den Paralleltiteln orientieren wir uns an der vom Buchverlag inszenierten Werbekampagne und ergänzen diese mit Maßnahmen im Hörbuch-spezifischen Umfeld.“ Der Hörverlag startete unlängst gemeinsam mit KiWi eine Online-Kampagne zum Erscheinen von Nick Hornbys „Slam“. Die Fangemeinde von Hornby ist im besten Online-Alter – die Fans des Hörbuch-Sprechers, Matthias Schweighöfer, ohnehin. Deshalb setzen die beiden Verlage erstmals ausschließlich auf die gemeinsame Vermarktung von Buch und Hörbuch mittels eines Trailers im Internet. Geteilte Kosten sind halbe Kosten, aber nicht nur der Etat ist es, der eine solche Kooperation sinnvoll macht. Die Hörproben, so gibt Andrea Herzog von der Hörcompany zu bedenken, sind Werbung für Buch und Hörbuch gleichermaßen. „Mal ganz ehrlich, wer liest denn schon eine längere Leseprobe im Internet?“ Deshalb arbeitet auch ihr Verlag mit Beltz oder Loewe zusammen und erstellt gemeinsame Websites (z.B. für Skulduggery Pleasant oder Das Schlangenschwert) oder arrangiert im Duett Autoren-Lesungen, bei denen der Buchautor auf den Sprecher des Hörbuchs trifft. Auf das traditionelle Marketing-Mittel „Lesung“ baut die Verlagsgruppe Random House im Fall von Noah Gordons „Der Katalane“. Aus gutem Grund; schließlich konnte der Verlag das Sprechwunder Christian Brückner für diese Produktion gewinnen – er wird, so er die Zeit findet, Veranstaltungen und Lesungen wahrnehmen und gleichzeitig Buch und Hörbuch bewerben. Eine Verknüpfung von Buch- und Hörbuchmarketing erscheint uns sinnvoll, weil ein Kaufargument neben dem Inhalt immer auch der Sprecher ist“, sagt dazu Marketingleiterin Ines Wallraff. Ein weiterer Schwerpunkt der Marketingaktionen von Random House Audio wird in den kommenden Wochen „Eins 1Live Klubbing – Radio meets Hörbuch“ sein. Weil diese Edition junge Leute anspricht, richtet sich die Werbung vor allem auf Live-Events. Auf der lit.COLOGNE beispielsweise lädt Random House Audio gemeinsam mit Eins 1Live des WDR Westdeutschen Rundfunks zu Lesungen im Tourbus. Und wie lassen sich Hörer noch gewinnen? Richtig, wenn es Preise gibt. Deshalb streuen viele Verlage in Zeitschriften, im Internet, auf den eigenen Webseiten Rätselnüsse, die das Publikum gerne knackt. Das tun im Übrigen die Kleinen wie die Großen gleichermaßen; der Jumbo Verlag entwickelte beispielsweise aktuell zur Hörspielreihe „Wieso? Weshalb? Warum?“ ein Gewinnspiel für entdeckungsfreudige Kinder. Zum 15. Geburtstag spendiert der Hörverlag, den Händlern und vor allem den Endkunden ein Jubiläumsgewinnspiel, das seinen Schwerpunkt am POS des Buchhandels hat. „Wir verstehen aber auch unseren Einsatz am POS als ganz gezielte Endkundenwerbung“, so Halstrick – „und diese Form des Marketings ist besonders effektiv, weil wir uns damit einen versierten Hörbuchprofi ins Boot holen: den Buchhändler.“ Umworbener Kunde – vernachlässigter Händler? Die Rechnung geht nicht auf, erklären die Verlagsvertreter unisono. Auf keinen Fall wolle man den Etat der Händlerwerbung zugunsten der Publikumswerbung kürzen. Bettina Halstrick, Marketingleiterin des Hörverlags, bringt es auf den Punkt: „Was nützt mir die erfolgreichste Publikumswerbung, wenn der Handel die Titel nicht führt? Händler- und Publikumswerbung seien ganz einfach zwei Seiten der Medaille. Deshalb werde erstere nicht zurückgefahren, schließlich sei sie, so die stellvertretende Lübbe-Marketing-Leiterin Ricarda Witte-Masuhr, ein „unabdingbarer Vermarktungsbestandteil“. Kilian Kissling spricht seinen Kollegen aus der Seele: „Erfolgreiche Hörbuchhändler müssen die literarische Qualität des Stoffs und die Umsetzung gleichermaßen beurteilen können; sie sind es schließlich, deren Beratung der Kunde gerne in Anspruch nimmt. Deshalb müssen wir die Händler mit unserer Branchenwerbung erreichen.“