Kaufen wir zukünftig überhaupt noch Wörterbücher, Schulbücher oder Fachliteratur in gedruckter Form? Oder vielmehr als eBook? Oder rufen wir nur noch einzelne Textpassagen und Kapitel direkt über das Internet ab? Bei diesen Fragen geht es nicht nur um die Darreichungsform; ganze Geschäftsmodelle stehen auf dem Prüfstand. Die Entscheidung von Brockhaus als Reaktion auf den Siegeszug von Wikipedia gibt einen Vorgeschmack auf das veränderte Marktumfeld, das uns möglicherweise erwartet.
Um es vorwegzunehmen: der Fall Brockhaus ist mit Sicherheit ein Sonderfall. Eine Internet-basierte Enzyklopädie ist einer gedruckten in vielerlei Hinsicht überlegen. Als Internet-Plattform kann sie minütlich aktualisiert werden, sie ist von überall her einsehbar und die Suche ist viel einfacher handhabbar. Dass sich die Internet-Enzyklopädie also durchsetzen würde, war seit langem offensichtlich. Fragt sich, was wohl passiert wäre, hätte Brockhaus schon vor zwei oder drei Jahren ein nutzerfreundliches, kostengünstiges Internetformat gestartet.
Lässt sich diese Erfahrung auf andere Verlagsbereiche übertragen? Eine detaillierte Betrachtung würde den Rahmen dieses Blogs sicherlich sprengen, daher hier nur einige Schlaglichter:
1. Belletristik: hat mit Enzyklopädien wenig gemein. Hier stellt sich eher die Frage, ob die Belletristikverlage es schaffen werden, rechtzeitig mit der wachsenden Popularität von elektronischen Lesegeräten wie dem Amazon Kindle oder dem Sony eReader nutzerfreundliche E-Commerce-Angebote zu realisieren. Oder ob die Leser es in Ermangelung derselben vorziehen, kopierschutzfreie eBooks illegal von Tauschbörsen zu laden.
2. Sachbücher: ein weites Feld, aber den Enzyklopädien nicht unähnlich. Auch hier kann der Effekt der branchenfremden Konkurrenz im Internet sehr anschaulich illustriert werden. Exemplarisch erwähnt seien das Weinportal weinplus.de (nach eigenen Angaben 100.000 registrierte Nutzer) oder das Kochportal chefkoch.de (400.000 Nutzer). Ob und in welchem Umfang solche Angebote den Verlagen Konkurrenz machen können, ist nach wie vor offen. Dass sie für Verlage eine Herausforderung sind, liegt allerdings auf der Hand.
3. Fachbücher: Fachcontent wird dem Vernehmen nach schon heute zu mehr als 50 Prozent online gelesen. Auch hier bietet die Online-Publikation viele Vorteile gegenüber dem gedruckten Werk: Geschwindigkeit, Kommentierbarkeit und Kopierfähigkeit sind nur einige davon.
Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen, die Erkenntnisse wären ähnlich. Das Beispiel Brockhaus zeigt erneut sehr eindrucksvoll, wie dringend und umfassend sich Verlage mit den Themen Digitalisierung und Internet auseinander setzen müssen. Dabei spielt die Frage, ob und wie schnell Bücher digitalisiert werden, nur eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist für Verlage die Entwicklung einer strategischen Vision sowie nachhaltiger Geschäftsmodelle für den digitalen Vertrieb.
Was meinen Sie? Ich freue mich auf Ihre Kommentare.
Mit besten Grüßen
Ronald Schild