Börsenblatt Young Excellence Award 2020

Nefeli Kavouras: Literatur hat Priorität

28. Februar 2020
von Christina Busse

Kein Tag ist wie der andere: Nefeli Kavouras (23) braucht Freiraum für ihre vielen Ideen und Kulturprojekte: Egal ob als Jury-Mitglied, Event-Organisatorin oder als Assistentin im mairisch Verlag – viele Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten, ist ihr Spezialgebiet.

„Ich will, dass Menschen von Texten gepackt werden“, sagt Nefeli Kavouras. „Lesehungrig“ sei sie selbst immer schon gewesen. Bereits als Jugendliche, aufgewachsen in Bamberg mit griechischen Eltern, habe für sie festgestanden, dass sie „was mit Literatur“ machen wolle. Wahrscheinlich ist es diese frühe, feste innere Überzeugung, die Kavouras dorthin geführt hat, wo sie heute mit 23 Jahren bereits ist: Die Wahlhamburgerin hat ihren Platz in der Literaturszene der Stadt, ist weit darüber hinaus bestens vernetzt. In der Hansestadt veranstaltet sie Lesungen wie zum Beispiel die mehrsprachige Reihe „Hafenlesung“, in 2019 war sie Mitherausgeberin des Erzählbands „Möwen und so weiter“ und Jurymitglied des erstmals ausgeschriebenen Gertrud-Kolmar-Preises für Lyrikerinnen. Außerdem arbeitet sie seit zwei Jahren als Assistentin im mairisch Verlag. „Ich bin selbst immer wieder erstaunt darüber, was alles in den vergangenen zwölf Monaten passiert ist“, bemerkt Kavouras.

Ihr Weg zeigt, dass sie den Mut hat, Prioritäten zu setzen und Chancen zu ergreifen. Während ihre Mitschülerinnen und Mitschüler in einer feierlichen Zeremonie ihr Abiturzeugnis entgegennahmen, saß sie schon im Zug und erkundete per Interrail und Couchsurfing Skandinavien. Dann passierte, was so klingt, als wäre es selbst Teil eines Romans: Schon zu Schulzeiten hatte sie im Rahmen des AKJ-Leseförderungsprojekts „Literanauten überall“ den gerade für sein Kinderbuch „Frerk, du Zwerg!“ mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichneten Finn-Ole Heinrich kennengelernt. Seine Satz „Ich hole Dich nach Hamburg“ wurde wahr: 2015 zog die 19-Jährige von Bayern nach Hamburg, um bei ihm als Assistentin anzuheuern. „Das war genau die Welt, die ich entdecken wollte“, weiß Kavouras. Aus den angedachten zwei Monaten wurden acht. Seither hat der Norden sie nicht wieder losgelassen.

Große Liebe Hamburg

„Es war leicht, Fuß zu fassen und ein Netzwerk aufzubauen – Hamburg hat die perfekte Größe für mich“, so Kavouras, die statt Praktika lieber eigenverantwortlich Projekte macht. Die selbstständige Tätigkeit, auch im Verlag, gibt ihr die Freiheit, die sie braucht. „Es tut mir gut, keinen festen Alltag zu haben und mir selbst Prioritäten zu setzen“, stellt sie fest. Es gebe in Hamburg viele engagierte Autorinnen und Autoren. Die Kulturbehörde der Freien und Hansestadt habe für alles ein offenes Ohr, biete Inspiration und Unterstützung. „Auch jungen Leuten begegnet man auf Augenhöhe, nimmt sie ernst“, so ihre Erfahrung. Dabei ist sie am liebsten im Team unterwegs. Das bietet Austausch, andere Perspektiven - „Echo und Reibung“, nennt sie es – und helfe ihr dabei, nicht zu streng zu sich selbst zu sein. Ihr „Herzensprojekt“, die jährliche „Hafenlesung“, die Autoren und Autorinnen mit Texten in ihrer jeweiligen Muttersprache eine Bühne gibt, wird von einem fünfköpfigen Kollektiv veranstaltet. „Wir wollen auch zum Austausch zwischen Schreibenden und Publikum ermutigen. Die herzliche Atmosphäre und vegane Häppchen laden zum Verweilen ein. Die Reihe, die inzwischen unter dem Dach des Thalia-Theaters stattfindet, hat sich im Hamburger Kulturleben etabliert“, beschreibt Kavouras die im Jahr 2015 gestartete Lesereihe.

Lesungen, Texte, Herausgeberin

Veranstaltungen empfindet sie für sich als „Spielweise“. Und sie liebt das unmittelbare Ergebnis: „Ich mag den Moment des Staunens: Gleich zu Beginn, wenn das Publikum eintrifft und sich der Raum füllt. Und dann das direkte Feedback.“ Gleichzeitig nimmt sie selbst gern die Herausforderung des Schreibens und des Lesens vor Publikum für sich an. „Schreiben ist eine andere Form des Denkens“, so ihre Überzeugung. „Es hilft, die eigene Position zu finden, kann zu überraschenden Ergebnissen führen und ist eine krasse Form der Entschleunigung.“ 2019 zum Beispiel veröffentlichte sie einen Beitrag im Buch „Briefe an die Täter“, erschienen bei Hanser Akzente.

Dieses Jahr haben sich wieder neue Türen geöffnet: Kavouras ist Mit-Herausgeberin des zweimal jährlich erscheinenden „WORD.“-Magazins für Literatur, Kunst und Gesellschaft. Sie gibt einen Workshop an der Kunsthochschule für Medien Köln und organisiert ein neues Literatur-Stadtteil-Festival zusammen mit ihrem Kollegen Peter Reichenbach in Hamburg – „da sollen meine beiden Leidenschaften, Essen und Lesen, zusammenkommen“, freut sie sich. Gerade ist sie außerdem in ihre erste eigene Wohnung eingezogen, der siebte Umzug innerhalb von fünf Jahren. Nun lebt sie in fußläufiger Nähe zum mairisch Verlag - „ein Zufall“, beteuert Kavouras.

Dass das Thema „Studium“ ein Nebenschauplatz ist, wundert in Anbetracht von so viel Aktivität nicht. Seit 2016 studiert sie Kulturwissenschaften mit den Schwerpunkten Literarische Kulturen und Philosophie an der Leuphana Universität im rund 60 Kilometer entfernten Lüneburg. Bis Mai will sie ihre Bachelor-Arbeit mit dem Titel „Erinnerungsarbeit der NSU-Morde in der Literatur“ eingereicht haben. Rückenwind gibt ihr das nächste Zwischenziel: „Im Juni bin ich mit dem mairisch Verlag in Kanada unterwegs. Bevor wir zwei Wochen lang Verlage besuchen, Autoren und Journalisten treffen und voneinander lernen, will ich dort meinen 24. Geburtstag feiern“, erzählt sie. Und fügt hinzu, so als könnte sie es selbst fast nicht glauben: „Was mit purer Freude am Lesen angefangen hat, ist zur Reise nach Kanada geworden.“

Was sagen Sie dazu?

Pommes: „Ganz besonders gerne spät abends nach einer Veranstaltung. Am liebsten dünn geschnitten, schön salzig, außen knusprig, innen weich. Und mit der Mayo neben den Pommes. Dann geht es beglückt weiter durch die Nacht.“

Griechische Literatur: „Erst vor zwei Jahren habe ich angefangen, meine Griechischkenntnisse aufzubessern. Irgendwann will ich so fließend in der Sprache sein, dass ich die griechische Literatur besser kennenlernen kann. Im Mai reise ich zur Buchmesse in Thessaloniki und ich bin schon sehr gespannt.“

Erinnerungsarbeit: „Im Verein Heimatsucher, der sich auf Bildungsarbeit mit Zeitzeugen fokussiert, besuche ich regelmäßig den Sohn einer jüdischen Mutter, der in der Nazi-Zeit im Arbeitslager war. Dass zum Beispiel seine Geschichte in Schulen weitererzählt wird, finde ich ungemein wichtig.“

Zur Person:

Nefeli Kavouras, Jahrgang 1996, ist geboren und aufgewachsen in Bamberg. Im Jahr 2015 ging sie als Assistentin des Schriftstellers Finn-Ole Heinrich nach Hamburg, wo sie seither lebt. Seit 2016 studiert sie Kulturwissenschaften an der Leuphana Universität in Lüneburg. Parallel dazu engagiert sie sich in verschiedenen Literaturprojekten, unter anderem als Mitorganisatorin der Hamburger Lesereihe „Hafenlesung“, als Herausgeberin, Jurorin und Workshop-Leiterin. Seit 2018 ist sie als Verlagsassistenz im mairisch Verlag tätig.

Über den Young Excellence Award

Voraussetzung für die Teilnahme am Börsenblatt Young Excellence Award #yeaward20 ist die Altersgrenze von 39 Jahren. Bis August 2020 benennt die Börsenblatt-Redaktion zehn Nominierte für die Online-Abstimmung, bei der die Leserinnen und Leser darüber entscheiden, wer auf der Frankfurter Buchmesse 2020 für seine beispielhafte Arbeit geehrt wird. Vorschläge und Eigenbewerbungen für die neue Runde können fortlaufend per E-Mail eingereicht werden: boersenblatt@mvb-online.de – Stichwort: #yeaward20.

Das gibt es zu gewinnen:

Der Gewinn des #yeaward20 beinhaltet ein umfassendes Netzwerk- und Weiterbildungsangebot:

  • Teilnahme am Mentoring-Programm des Börsenvereins und am Nachwuchsparlament während der Buchtage 2021 sowie an der Friedenspreis-Verleihung 2020
  • Teilnahme am internationalen Young-Talent-Programm mit Nachwuchskräften aus acht Ländern während der Frankfurter Buchmesse 2020 sowie ein "Business & Conference"-Wochenticket für das Branchenevent inklusive Anreise und Hotelunterkunft
  • Bildungsgutschein für den Mediacampus Frankfurt im Wert von 1.000 Euro
  • Jahresabos für die Webinare und die E-Paper-Ausgabe des Börsenblatts
  • Kongressticket für die future!publish 2021 inklusive Anreise und Hotelunterkunft