Karin Plötz empfiehlt Fußball-Bücher

Zweite Chance

28. Februar 2020
von Börsenblatt
Einmal im Monat stellt LitCam-Direktorin Karin Plötz in ihrer Kolumne ein neueres Fußball-Buch vor. Diesmal ist es die Autobiografie des Fußballers Daniel Keita-Ruel, der nach einer Gefängnisstrafe seine "zweite Chance" nutzte.

News aus der zweiten Bundesliga: Daniel Keita-Ruel konnte in der letzten Woche wegen Knieproblemen nicht spielen und fehlte auch beim wichtigen Spiel von Greuther Fürth gegen den VFB Stuttgart. Er ist einer der Stammspieler beim Kleeblatt (Greuther Fürth), die sich in der oberen Hälfte der Liga befinden, zeitweise sogar die Aufstiegsplätze belegten. Seit August 2018 ist er als Stürmer beim Zweitligisten. Was normalerweise keine News wert ist, ist in diesem Fall eine. Denn: Daniel Keita-Reul war mehrere Jahre im Gefängnis. Und hat danach den Weg in den Profi-Fußball geschafft. Über seine "Zweite Chance" (Kiepenheuer & Witsch, 2020) hat er gemeinsam mit Harald Braun ein Buch geschrieben, das im Januar erschienen ist.

Keita-Ruel wuchs als Sohn einer Französin und eines Senegalesen in Wuppertal auf, der Vater verließ die Familie. Schon als Kind war er fußballbegeistert und mit sechs Jahren im Fußballverein Borussia Wuppertal, später dann Wuppertaler SV. Sein Ziel bereits damals: Profifußballer werden. Alles andere spielte keine Rolle. Dank des Einflusses seiner Mutter gelang ihm doch noch die Mittlere Reife. Auf dem Bolzplatz und im "Käfig" war er immer dabei. In seiner Autobiografie schreibt er, dass diese "Käfigspiele", bei denen er auch gegen die Boateng-Brüder spielte, einen großen Teil zu seinen fußballerischen Fähigkeiten beigetragen hätten.

Seine erste Chance hatte er mit 16 Jahren, als ihn Sportdirektor Max Eberl in die U19 von Borussia Mönchengladbach aufnahm. Nach dem für ihn enttäuschenden Ende bei der Borussia, einem Jahr Spielzeit beim Bonner SC und danach wieder beim Wuppertaler SV war er mit sich und der Situation sehr unzufrieden. Die wahre Geschichte, die dann folgt, könnte aus einem schlechten Film stammen. In seiner italienischen Stammkneipe lernte er die falschen Leute kennen und war plötzlich mittendrin in kriminellen Aktivitäten. Insgesamt vier Raubüberfälle führte die Bande durch − Keita-Ruel beschönigt nichts. Das Resultat war drei Jahre, elf Monate und zwei Wochen Gefängnis. Der Wille an seinem Ziel, Profifußballer zu werden, auch im Gefängnis weiterzuarbeiten, ist erstaunlich. Dabei unterstützten ihn Mitarbeiter der JVA. Nach der Entlassung startete er durch. Er spielte 2015 in der Oberliga für Germania Ratingen. Er erhielt ein Angebot von Fortuna Köln in der 3. Bundesliga, dass er für die Saison 2017/18 auch annahm. Und danach ging es zu Greuther Fürth.

Diese Autobiografie ist authentisch und einfach geschrieben, Leser*innen können ein Gefühl für den Lebensweg von Keita-Ruel entwickeln. Durch die Mischung von eigenen Aussagen und denen von 14 Weggefährten wird das Puzzle vollständig: Er war in der Jugend ziemlich undiszipliniert und hat sich dadurch einige Chancen verbaut. Die Kraft und der Wille, es schaffen zu wollen und die Einsicht, was dazu nötig ist, hat er dann im Gefängnis gewonnen und durchgesetzt. Was die Weggefährten bekräftigen und was ich persönlich von Leuten des Vereins Greuther Fürth gehört habe, ist: Keita-Ruel ist ein offener, liebenswerter Mensch, der aus seinen Fehlern gelernt hat, dazu steht und seine zweite Chance voll genutzt hat.

Auch wenn er von sich sagt, er ist kein Vorbild, ist er es in gewisser Weise doch: Er kann Jugendlichen zeigen, welchen Weg sie nicht gehen sollten. Und dass es immer eine zweite Chance gibt, man muss sie nur nutzen. Daher werde ich das Buch auch für die Shortlist des Lese-Kicker vorschlagen. Auch für Erwachsene ist es lesenswert, sofern man keine anspruchsvolle Literatur erwartet, sondern "nur" eine interessante Geschichte.

Bibliografie

Daniel Keita-Ruel (mit Harald Braun):
Zweite Chance − Mein Weg aus dem Gefängnis in den Profifußball
Kiepenheuer & Witsch
218 S. 16 Euro
ISBN 978-3-462-05362-3