Denn worüber sich der Göttinger Verleger Wilhelm Ruprecht hier so empört, das sind die Börsenblatt-Anzeigen für die sogenannte pikante Literatur. Buchtitel wie "Sturmfreie Buden. Berliner Erlebnisse eines möblierten Herrn" heizten einst die Emotionen an: "Ja, zum Donnerwetter, ist denn das Börsenblatt eine sturmfreie Bude?", rief der Leipziger Gustav Kirstein in die Runde.
Abgesehen von der Erkenntnis, dass frühere Hauptversammlungen mit unterhaltsamer Rhetorik aufwarten können, ist der Streit um die pikante Literatur eher ein Kuriosum am Rande. Doch wer im Archiv des Börsenvereins stöbert, hat selten das Gefühl, dass die Debatten zeitgebunden sind – und stattdessen ein Déjà-vu-Erlebnis. Steigende Papierkosten, Urheberrechtsnöte mit Amerika, Schleuderpreise beim Buch: Hier geht es nicht um 2010, sondern um Tagungen von 1884 bis 1920.
Das Beängstigende: Wenn die Branche diese Debatten schon immer geführt hat – tritt sie dann seit 1825 auf der Stelle? Das Beruhigende: Krisen gab es immer – der Verband hat jede überwunden, 185 Jahre lang. Also: Seite 44 lesen, schmunzeln, staunen. Auch darüber, dass die Vordenker von einst verdammt modern klingen: "Der Sortimentsbuchhandel, so viele Mängel er auch hat, stellt einen großartigen Vertriebsapparat dar, wie ihn keine andere Industrie besitzt." O-Ton Adolf Kröner, 1884, Vorsteher.