Abschied

Nachruf auf Wilfried H. Schinzel

30. April 2010
Redaktion Börsenblatt
Wilfried H. Schinzel ist am Freitag voriger Woche im Alter von 71 Jahren in einer Offenbacher Klink an Krebs verstorben. Ein Nachruf von Friedhelm Eggers (Heinrich Heine Buchhandlung, Essen).
Er hat wie kein Anderer die Entwicklung des VLB geprägt. Der ehemalige Rechenzentrumsleiter für AEG-Spanien sollte das VLB verbessern. Ein klassischer Quereinsteiger also, den die Buchhändlervereinigung 1974 einstellte, um das Projekt VLB voranzubringen.

Die Aufgabe in seiner eigenen Sicht: "Standardisieren, rationalisieren, spartenübergreifend denken und kostengünstig arbeiten." Diese Agenda hat seine weitere Arbeit bestimmt und das VLB zum Erfolgsmodell werden lassen.

Die Wahrung der Rechte der Verlage wurde schon bald durch eine Schnittstelle zur VG Wort rationalisiert und gestärkt. Seine praktische Kooperation mit dem Katalog der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt hat der Vervollständigung beider Verzeichnisse eine bis heute unerreichte Qualität gesichert.

Auf der Seite des Sortiments hat er die Bibliographiermöglichkeiten entscheidend erweitert durch die Realisierung eines Gesamtalphabets bestehend aus Autoren, Titel, Stichwort und Titelverweisungen. Nur kurz danach kam das Schlagwortverzeichnis hinzu. Unermüdlich und von Anfang an hat er dafür gesorgt, dass durch die Titel-Sigelung der Barsortimente und Verlagsauslieferungen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich und in der Schweiz die wichtigen Bestellinformationen für das Sortiment im VLB ausgebaut, beständig aktualisiert und als Rationalisierungsinstrument genutzt werden konnten.

Wilfried H. Schinzel hat dies alles nur realisieren können, weil er früher und konsequenter als alle anderen die Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung für die Branche nutzte.

In einem Bericht der "Computerwoche" 1977 heißt es: "Daß man dies heute mit EDV macht ist klar. Wilfried Schinzel ... erreicht damit, daß bereits vier Wochen nach der letzten Dateneingabe der fertige Katalog vorliegt. Gewöhnlich braucht eine solche Produktion mindestens die doppelte Zeit." Mit Leidenschaft und Hartnäckigkeit hat er diese Entwicklung weiter vorangetrieben.

So war denn auch 1987 das VLB international der erste Buchhandelskatalog, der auf der erst wenige Jahre vorher zur Marktreife entwickelten 'Compact-Disk' erschienen ist. Das VLB auf CD-ROM war von da an nicht nur das Erfolgsmodell für die deutschsprachige Verlags- und Buchhandelslandschaft, sondern auch international die Messlatte für die Buchhandelskataloge anderer Sprachräume.

Durch sein umfassendes Wissen über Bibliographier- und Katalog-Standards hat W. H. Schinzel die Interessen der deutschen Buchindustrie beim DIN und in nahezu allen internationalen Standardisierungsorganisationen repräsentiert.

Seine Handschrift beim Aufbau der ISBN-Agentur und später bei der Umstellung auf die ISBN-13 ist unverkennbar. Sein Einsatz bei Editeur und nicht zuletzt bei der Einführung von ONIX hat ihn zu einem international anerkannten Fachmann und Repräsentanten der deutschsprachigen Buchindustrie werden lassen.

Wilfried H. Schinzel war immer aufgeschlossen, andere an seinen Erfahrungen teilhaben zu lassen. Auf seine Anregung hin wurde Anfang der 90er Jahre zusammen mit einigen Osteuropäischen Ländern (Polen, Ungarn) ein Pilot-Verzeichnis der in diesen Ländern lieferbaren Literatur auf CD-ROM hergestellt. Auf der Frankfurter Buchmesse 2003 wurde er von einer chinesischen Delegation verzweifelt gesucht. Als man sich gefunden hatte, diskutierte er einen ganzen Nachmittag lang auf Englisch die Fragen der chinesischen Kollegen mit Bezug auf Herstellung und Vorteile eines zentralen Buchkatalogs.

Im Mittelpunkt seiner letzten Arbeitsjahre standen zwei Aufgaben: Fortentwicklung des VLB zur Online-Plattform und Verbesserung der Qualität der veröffentlichten Katalogdaten. Voller Leidenschaft und kompromisslos auch gegen sich selbst,  nahm er nach kurzer Rehabilitation nach einem Schlaganfall Ende 2000 diese Aufgaben bis zu seinem Ausscheiden 2004 wieder auf.

Was er im Hintergrund, national und international, für die Buchbranche getan hat, bringt das Zitat von Brian Green (Executive Director, International ISBN Agency) ins Licht: "I am sure that not enough people really appreciated his great contribution."

Wir trauern um einen guten Freund und langjährigen Mitstreiter.