Interview mit Buchhändler Markus Schneider

"Leseförderung, die ankommt"

28. Januar 2011
Redaktion Börsenblatt
Jeden Monat ein Buch, kostenlos. Die Nürtinger Buchhandlung Im Roten Haus vergibt zu ihrem fünften Geburtstag zwei Lese-Stipendien. Warum?

Sie verschenken Bücher. Sollten Sie die nicht besser verkaufen?
Die Lese-Stipendien gehen an Familien, die sich keine Bücher leisten können. Unser Verkaufstalent ist hier also ausnahmsweise mal nicht gefragt.


Was kostet Sie Ihr Engagement?
Schwer zu sagen. Vom Buch über Kinderkrankheiten über den Taschenbuchkrimi bis hin bis zum Rechtschreib-Duden ist schließlich alles möglich.


Sind denn schon Bewerbungen eingegangen?
Die Resonanz ist außerordentlich, binnen drei Tagen haben sich bereits 50 Interessenten gemeldet. Und es haben eine ganze Reihe Institutionen und Privatpersonen Interesse bekundet, Stipendien zu finanzieren. Sogar regionale Autoren wollen teilhaben.


Die Bewerber müssen wissen, wie alt Ihre Buchhandlung geworden ist, und begründen, warum sie die richtige Familie für ein Lese-Stipendium ist.
Das ist richtig. Wir schauen uns die Begründungen natürlich gut an, wählen die besten aus und unter diesen wird dann gelost.


Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Aktion die Richtigen trifft?

Wir haben unseren Aufruf bei den Tafeln, der Diakonie und im Jobcenter verbreitet.


Macht Ihre Aktion aus Nichtlesern Leser, besser noch, Buchkäufer?
Die wirtschaftliche Situa­tion dieser Familien können wir nicht verbessern. Aber wir hoffen doch, dass die Stipendien die Hemmschwelle zum Buch, die manchmal besteht, niedriger macht.


Können sich die Stipendiaten die Bücher auch per Post schicken lassen?
Auf diese Idee bin ich noch gar nicht gekommen. Nein, Leseförderung kann ja auch neben dem Buch stattfinden. Wir bieten die Möglichkeit, an unserem Ladenleben und dem literarischen Leben unserer Buchhandlung teilzunehmen.


Charity dient gern auch als preiswertes Marketing. Für Sie ein ­Aspekt bei der Sache?
Rechnen Sie mal nach: 24 Bücher à 20 Euro, plus Flyer, Organisation und so weiter. Für das Geld könnten wir besseres Marketing machen. Nein, uns geht es wirklich nicht um Selbstvermarktung, sondern um eine Idee, die uns am Herzen liegt. Wir wollen Leseförderung dorthin bringen, wo Menschen nicht die finanziellen Mittel haben, sich einfach mal ein Buch zu kaufen.


Ist Ihr Modell der Leseförderung übertragbar?

Die Grundidee funktioniert ganz sicher von Flensburg bis Garmisch. Deshalb freuen wir uns über das Interesse der Börsenblatt-Redaktion. Hoffentlich finden sich viele Nachahmer.

Interview: sas