Jahreshauptversammlung der Bahnhofsbuchhändler

Innovation bleibt wichtigste Triebfeder

5. April 2011
Redaktion Börsenblatt
Auf die gestrige Mitgliederversammlung folgte heute die öffentliche Jahreshauptversammlung des Verbandes Deutscher Bahnhofsbuchhändler (VDBB) im Berliner Hotel Hilton. Verbandsvorsitzender Mathias Gehle zog eine positive Jahresbilanz: „In den Kernsortimenten Presse und Buch stieg der Umsatz um 1,4 Prozent auf 360 Millionen Euro. Die Stärke der Branche liegt weiterhin in einem breiten und tiefen Sortiment.“ 

Verbandmitglieder von 35 Mitgliedsfirmen trafen sich mit Vertretern von Verlagen, Vermietern, Handel und Vertrieb, um sich über aktuelle Entwicklungen und Marktchancen auszutauschen. Zu den prominenten Gastrednern des Vormittags gehörten der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und der Schweizer Konsum-Forscher David Bosshart.

Vorsitzender Mathias Gehle sparte vor den rund 280 Teilnehmern der Jahreshauptversammlung nicht mit großen Worten: „Wir haben den besten Bahnhofsbuchhandel der Welt" stellte er seiner ansehnlichen Jahresbilanz voraus. Jede zehnte in Deutschland verkaufte Zeitschrift geht im Bahnhofsbuchhandel über den Ladentisch. Im Buch-Segment war 2010 sogar eine überproportional starke Entwicklung zu verzeichnen. Rückgänge bei den Tageszeitungen konnten mit steigenden Zeitschriftenumsätzen ausgeglichen werden, so dass am Ende hier auch durch den Umsatz mit Special-Interest-Titeln eine schwarze Null steht.

Auch das veränderte Mediennutzungsverhalten schlägt sich nach Gehles Analyse weniger in den Verkaufszahlen des Bahnhofsbuchhandels nieder als in der Fläche. Ein starker Faktor bleibt dabei die Pressevielfalt. Zu den ausgewählten 3 000 Pressetiteln kommt ein zwar eingeschränktes - wie Gehle es nannte „Boulevard-lastiges aber dennoch gut ausgewähltes Buch-Sortiment" von etwa 2 000 Titeln. Es ist diese Mischung, die die besondere Qualität des Bahnhofsbuchhandels bestimmt. Die Botschaft: Der Bahnhofsbuchhandel bleibt auch in Krisenzeiten stabil und wächst.

Beigetragen zum Erfolg haben auch hohe Investitionen in die Modernisierung der Ladengeschäfte in Bahnhöfen und Flughäfen. Drei Prozent des Gesamtumsatzes der Branche wurden nach Verbandsangaben dafür eingesetzt. Damit konnten im Vorjahr 44 Filialen umgebaut und aufgehellt werden. Und das betraf nicht allein die Filialisten. Gehle hob besonders auch den Mut und die Investitionsbereitschaft vieler kleinerer Familienbetriebe hervor. Das Ergebnis zeige, dass auch Einzelhandelsgeschäfte am Markt weiterhin eine gute Chance hätten.

Dennoch ist unübersehbar, dass der Konzentrationsprozess deutlich weiter vorangetrieben wurde. Heute belegen die vier großen Unternehmen Valora, HDS, Schmitt-Gruppe und Dr.Eckert rund 80 Prozent des Marktes. Noch vor drei Jahren hatten sich 54 Betreiber diesen Kuchen geteilt, heute sind noch 37 Firmen im Bahnhofsbuchhandel tätig. Und der Prozess läuft weiter, wenngleich Verbandsvorsitzender Mathias Gehle, der im Hauptberuf Geschäftsführer beim Großfilialisten Valora ist, bereits von einem Stillstand spricht. Der Verband, der allen seinen Mitgliedern verpflichtet ist, will sich weiterhin für faire Rahmenbedingungen bei den Flächenvermietern und den Verlagen einsetzen.

Das liegt offenbar auch im Interesse der Partner, wie Horst Mutsch (DB Station & Service AG) bekannte. Gefragt sei die Vielfalt des Angebots. Die Deutsche Bahn richte sich bei der Vergabe ihrer Verkaufsflächen nach der Qualität und nicht nach der Größe der Unternehmen aus. Sein Rat: Nicht allein in das Erscheinungsbild der Läden zu investieren, sondern mehr noch für die Ausbildung des Personals zu leisten und den Standort mit Aktionen für das Buch attraktiver zu machen. Damit wäre Kauflust zu fördern und Kundenbindung zu festigen. Auch die Zeitschriftenverlage stehen zur Struktur aus kleineren und größeren Unternehmen. „Wir haben Sorge, dass die Konzentration weitergeht", bekannte Uwe Reynatz (VDZ). Deshalb unterstütze man gerade auch kleinere Firmen, die ihre Standortvorteile zu nutzen wüssten.

Um ihr Blickfeld zu weiten, hatten die Bahnhofsbuchhändler prominente Gastredner geladen. Sowohl Peer Steinbrück, zuletzt Bundesfinanzminister als auch David Bosshart, Chef der Konsumforschung am Schweizer Gottlieb Duttweiler Institut, zogen weite Bögen in Weltwirtschaft, Politik und Medienlandschaften. Steinbrück gab allen ehrlich auf den Weg: „Viele unserer sogenannten Gewissheiten sind flüchtig – ich verspreche Ihnen nichts, also glauben Sie mir." 

Kernthesen aus dem Vortrag von Konsumforscher David Bosshart
("Mobiler, smarter, spielerischer - wie sich die Shoppingwelten verändern")

Die Konsumenten werden älter, weiblicher, erfahrener und wählerischer. Der Bedarf an Convenience, Unterhaltung, Wohlfühl-Oasen im Handel wächst.Die Gesellschaft wird immer mobiler: In den USA werden 23 Prozent der Mahlzeiten im Auto eingenommen. Innovationen sind gefragt: Warum die Bahnhofsbuchhandlung nicht mit einer Pizzabäckerei verbinden?Das iPad ist noch kein Jahr alt, aber es strukturiert schon jetzt unsere Welt um. Eine gute Nachricht für Bücherfreunde: je älter eine Technologie ist, umso länger überlebt sie.Das Ladengeschäft der Zukunft wird nicht von der Flächengröße bestimmt. Vielmehr geht es um die bessere Bewirtschaftung.