Die Sonntagsfrage

Warum ist die Briefwahl demokratischer?

17. April 2011
Redaktion Börsenblatt
Der Arbeitskreis unabhängiger Sortimente AkS hat vor zwei Wochen in Erfurt verkündet, sich für die Briefwahl bei Hauptversammlungen zu engagieren. boersenblatt.net fragte AkS-Sprecherin Andrea Nunne: Warum ist Ihnen die Briefwahl wichtig?
Andrea Nunne: "Weil sie die demokratischere Form der Mitbestimmung ist – jedes Mitglied hat die Möglichkeit mitzuentscheiden. Im Moment können sich nur die Mitglieder aktiv in eine Wahl einbringen, die auch in einer Hauptversammlung live dabei sind. Bis vor einigen Jahren gab es bei den Hauptversammlungen des Börsenvereins die Möglichkeit der Briefwahl, wodurch auch daheimgebliebene Mitglieder ihre Stimme abgeben konnten. Auf den Buchtagen Berlin im vergangenen Jahr habe ich mit einer Reihe anderer Buchhändler festgestellt: Gemessen an der Zahl der Börsenvereinsmitglieder sind eigentlich sind viel zu wenige zur Hauptversammlung gekommen. Und unter denen, die sich in Berlin eingefunden hatten, waren zu wenige Sortimenter.

Denn insbesondere die Inhaber kleinerer Buchhandlungen können sich unter der Woche nicht so einfach aus ihrem Laden herausziehen. Es gibt feste Öffnungszeiten, und wir müssen die Präsenz vor Ort gewährleisten. Das bedeutet: Wenn ich an einem Donnerstag und Freitag zur Hauptversammlung fahre, muss ich neben den Reise- und Übernachtungskosten auch noch einmal Personalkosten zahlen – ich muss Aushilfskräfte engagieren, die mich dann an diesen Tagen vertreten. Mithin ein Grund übrigens, warum die Jahrestagungen des AkS, der LG Buch etc. eben an Wochenenden stattfinden. In dieser Hinsicht mögen es Verlage etwas leichter haben, da sie nicht an solch feste Öffnungszeiten gebunden sind. Wobei mir schon klar ist, dass auch kleinere Verlage nicht alle Arbeiten aufs Wochenende verlegen können.

Sicher, es gibt auch noch die Möglichkeit, seine Stimme an ein Mitglied zu übertragen, das nach Berlin fährt. Nur ist das in der Praxis relativiert kompliziert: Meist weiß man ja nicht, wer nun nach Berlin fährt. Und hat man dann jemanden gefunden, ist man sich nicht sicher: Wird derjenige dann auch in meinem Sinne abstimmen? Abstimmungsfragen entwickeln sich. Man wird es kaum überprüfen können.

Verstehen Sie mich nicht falsch – ich finde es absolut wünschenswert, dass möglichst viele zu den Buchtagen oder zu Jahreshauptversammlungen der Landesverbände kommen. Ich werbe selbst dafür, dass Mitglieder kommen. Der Austausch vor Ort ist wichtig, dadurch entstehen neue Ideen. Nur ist die Realität eben seit Jahren so, dass nur ein kleiner Bruchteil der Mitglieder anwesend ist. Deshalb finden ich und meine Kollegen im AkS-Sprecherkreis, dass es parallel dazu die Möglichkeit der Briefwahl geben sollte.

Wir wünschen uns auch eine Diskussion darüber, über was man alles man per Briefwahl entscheiden sollte: Nur über Personen, oder auch über Sachverhalte und Entwicklungen? Sinnvoll wäre es, dass man zur eigenen Meinungsbildung bereits im Vorfeld möglichst viele Informationen bekommt. Wobei auch klar ist, dass es auf den Hauptversammlungen noch einen Spielraum geben muss, um Anträge zu verändern, um Konsens zu finden, um einen Antrag wieder zurückzuziehen und einen modifizierten Plan zur Abstimmung zu stellen.

All diese Fragen sollten aber kein Hinderungsgrund sein, um die Frage nach der Briefwahl anzugehen. Denn je mehr entscheiden können, umso mehr haben sich schon vorher Gedanken gemacht, umso demokratischer ist am Ende eine Entscheidung, um so mehr fühlen sich von ihr betroffen  – und umso mehr stehen nachher dahinter."