Jahrestagung

LG Buch trifft Börsenverein

21. Mai 2011
Redaktion Börsenblatt
Zum Auftakt ihrer Jahrestagung im hessischen Bad Salzschlirf nahe Fulda hatte die Leistungsgemeinschaft Buch gestern das Gespräch mit dem Börsenverein aufs Programm gesetzt: "Braucht man ihn wirklich – oder leistet man ihn sich nur?" Mit diesen einleitenden Worten des LG Buch-Geschäftsführers Michael Fürtjes war für ein diskussionsfreundliches Klima von vornherein gesorgt.

Aus Sicht von Alexander Skipis, dem Hauptgeschäftsführer des so hinterfragten Verbands, sind es vor allem drei Bereiche, die Buchhandelsunternehmen zu einer Mitgliedschaft im Börsenverein motivieren:

 

- die dort geleistete Lobbyarbeit,
- die angebotenen Dienstleistungen sowie
- der Gedanke, zu einer Solidargemeinschaft gehören zu wollen.

 


Hinsichtlich der politischen Arbeit, so betonte Skipis, seien zwar die wesentlichen Rahmenbedingungen wie Preisbindung und reduzierter Mehrwertsteuersatz "nach wie vor fest verankert" auf der Ebene der politischen Entscheider. Aber es wachse eine junge Generation von Politikern heran, die etwa zu urheberrechtlichen Fragen bereits ganz andere Vorstellungen hegten, als das der Buchbranche lieb sein könne.

Deshalb sei in Berlin (und Brüssel) eine starke Interessenvertretung wichtiger denn je. Skipis betonte, dass die Politik weniger dadurch zu beeindrucken sei, dass einzelne große Unternehmen zum Börsenverein gehörten, sondern vielmehr dadurch, "dass alle dahinterstehen: eine gesamte Branche".

Die Palette der vom Verband angebotenen Dienstleistungen – von der Rechtsberatung über die vielfältige Kulturarbeit bis zu den Marktstudien und dem Vorteilsprogramm – müsse immer wieder auf den Prüfstand genommen werden: "Sind wir so gut, wie Sie das von uns erwarten?" Für die ständige Verbesserung "brauchen wir Ihren Input", betonte der Hauptgeschäftsführer vor den etwa 100 Teilnehmern der Tagung, darunter etwa ebenso viele Mitglieder wie Partner der LG Buch.

Input ließ dann in der anschließenden Diskussion nicht lange auf sich warten. Zu den Verbesserungswünschen und Denkanstößen, die die LG Buch-Mitglieder dem Besuch aus Frankfurt mit auf den Heimweg gaben, gehörten:

- mit Dienstleistungen schneller auf aktuelle Marktentwicklungen reagieren;
- ein Umdenken in der Branche (Stichwort Konditionengestaltung) initiieren und fördern;
- die Teilhabe und Teilnahme der Mitglieder an den demokratischen Prozessen des Verbandes fördern und wirksamer dafür werben;
- das Verzeichnis lieferbarer Bücher weiter optimieren – und prüfen, ob es für Verbandsmitglieder nicht günstiger zu nutzen sei;
- prüfen, ob nicht auch die Mitglieder einer Buchhandelsgenossenschaft – ähnlich den Einzelfirmen großer Verlags- oder Buchhandelsgruppen im Verband – in den Genuss des Konzernwahlrecht und damit unter dem Strich günstigerer Verbandsbeiträge kommen sollten;
- eine wirksame Kampagne für das Buch starten.


Mit dem letzten Punkt war das gedruckte Buch gemeint. Mehrfach in der Diskussion wurde kritisch angemerkt, dass bei der seit Jahren hohen Aufmerksamkeit für das Thema Digitalisierung und E-Books das (noch auf lange Sicht bestehende) Hauptgeschäft der Branche ohne Not und ohne gute Gründe kleingeredet werde. "Zurück zu unseren Wurzeln! Wir müssen wieder mehr über das klassische Buch sprechen." Auf diesen Nenner brachte es die Buchhändlerin Sabine Kratt aus Rottweil. Der erstmals an einer LG Buch-Tagung teilnehmende Oetinger-Geschäftsführer Klaus-Peter Stegen pflichtete bei: Das Thema E-Book werde in der Publikums- und Fachpresse, aber auch seitens des Börsenvereins überbetont – zum Schaden für das Kerngeschäft.

Es gab auch die andere Sichtweise. Der Buchhändler Manfred Queisser aus Lebach berichtete "von vielen, vielen meiner Kunden, die mir von den Büchern ins Netz abgewandert sind". Und es seien eben nicht die so genannten Digital Natives, von denen man das erwarten würde, sondern zum Beispiel eine Mathematikerin Ende 30 oder die Familie eines Naturkosthändlers – alle lange Zeit treue Käufer gedruckter Bücher.

Alexander Skipis hatte diese Debatte ausgelöst durch seine These, dass nicht nur der technologische Wandel, sondern ein tief greifender Generationenwechsel auf Seiten der Kunden den Buchhandel vor Herausforderungen stelle. Allerdings liege in diesem doppelten Wandel auch eine große Chance: "Sie im stationären Sortiment haben ein Alleinstellungsmerkmal. Sie können besser als jede andere Plattform zugleich lokal und digital sein."

Michael Fürtjes entließ seinen Gast nach zwei Stunden lebhaften Austauschs mit den Worten, er habe gesehen, wie dieser sich viele Notizen gemacht habe. Für eine intensive Weile hatte die manchmal zu hörende Rede von "denen da im fernen Frankfurt" keine Gültigkeit. In Bad Salzschlirf gelang eine Nahaufnahme. Beiden Seiten.