Börsenverein

"Nahezu um jedes Komma gerungen"

26. Mai 2011
Redaktion Börsenblatt
2006 hat der Börsenverein seine Wettbewerbsregeln aktualisiert – im Mai 2011 sind sie endlich vom Bundeskartellamt genehmigt worden. Kristian Müller von der Heide, Rechtsanwalt in der Rechtsabteilung des Börsenvereins, über einen langen Behördengang.
Warum hat es fast fünf Jahre gedauert, bis das Bundeskartellamt endlich zustimmen konnte?

Müller von der Heide: Ehrlich gesagt: Das fragen wir uns auch. Immer wieder haben wir die Kartellbehörde an unseren Genehmigungsantrag und deren Prüfpflicht erinnert, immer wieder wurden wir vertröstet. Wenige Tage vor Weihnachten 2010 traf dann endlich die erste Stellungnahme der Kartellbehörde bei uns ein. Leider mit so vielen Änderungswünschen, dass wir geradezu geschockt waren. In zähen Verhandlungen haben wir es schließlich geschafft, die Korrekturen auf ein erträgliches Maß zurückzufahren – und die Grundsubstanz der Branchenbeschlüsse von 2006 zu erhalten. Da wurde nahezu um jedes Komma gerungen.

Was waren die Knackpunkte?

Müller von der Heide: Zwei Regelungen sind wieder herausgefallen, weil die Rechtsprechung und offenbar auch die Branchenprobleme inzwischen anders gelagert sind: Dabei geht es zum einen um die Unzulässigkeit von den Buchhandlungen aufgezwungenen Schaufenster- und Regalmieten, zum anderen um das sogenannte Anzapfen, bei dem Buchhandlungen, etwa bei Geschäftseröffnungen, Jubiläen oder der Aufnahme von bestimmten Verlagserzeugnissen in eigene Werbemittel, günstigere Konditionen oder Werbekostenbeiträge verlangen. Für beide Fälle wollte das Bundeskartellamt konkrete Beispiele haben, die wir jedoch auch nach einer Branchenumfrage nicht liefern konnten. Ein Stück weit scheint die Zeit über diese beiden Klauseln hinweggegangen zu sein.

Konnte das VLB als Referenzdatenbank im Papier verankert werden?

Müller von der Heide: Nicht direkt. Die Behörde hat sich dagegen gewandt  dass wir in den Wettbewerbsregeln eine spezielle Datenbank als alleiniges Veröffentlichungsmedium festschreiben. De facto wird es aber bei der Anzeigepflicht für Preisänderungen und Preisaufhebungen im VLB beziehungsweise der integrierten Gelben Beilage bleiben.

Neben vielen branchennahen Verbänden ist auch Amazon zu dem Papier befragt worden. Und hat prompt Korrekturbedarf angemeldet. Ist das üblich?

Müller von der Heide: Dass ein einzelner großer Marktteilnehmer hier so prominent befragt wird – das hat uns in der Tat ganz außerordentlich gewundert. In der Sache aber haben wir mit dem Änderungswunsch von Amazon kein Problem. In der Passage zum Erstverkaufstag ist das Wörtchen »verkauft« durch den Begriff »zugänglich gemacht« ersetzt worden. Das ist sicher die neutralere Formulierung, die den Besonderheiten des Online-Buchhandels  Rechnung trägt.

Stichwort Erstverkaufstag: Hier verweisen die Wettbewerbsregeln auf einen »Verhaltenskodex zum Erstverkaufstag«. Den gibt es aber gar nicht, oder?

Müller von der Heide: Nein, den müssen wir gemeinsam mit den Fachausschüssen erst noch erarbeiten. Es gab vor ein paar Jahren schon mal entsprechende Pläne, dann hat man sich aber darauf geeinigt, eher auf bilaterale Verträge zu setzen, wie sie zum Beispiel bei den »Harry Potter«-Bänden abgeschlossen wurden. Heute kochen immer mal wieder einzelne Fälle hoch,  bei denen der Erstverkaufstag nicht eingehalten wurde. Das Thema sollte einfach noch mal neu in den Gremien diskutiert und bei festgestelltem Bedarf in einen solchen Kodex gegossen werden. Der dann jedoch wieder genehmigungspflichtig wäre.

Laut Satzung haben Börsenvereinsmitglieder die Pflicht, die Wettbewerbsregeln einzuhalten. Was passiert bei Verstößen – etwa beim Verkauf von Mängelexemplaren, die keine sind?

Müller von der Heide: Werden Verstöße bekannt, muss der Verband dagegen vorgehen. Oft sind solche Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln zugleich Verstöße gegen das Preisbindungsgesetz, wie etwa bei den Mängelexemplaren. Dann werden die Preisbindungstreuhänder aktiv, mit allen juristischen und finanziellen Folgen für das abgemahnte Unternehmen. Theoretisch kann aber auch der Verband Sanktionen verhängen, bis hin zum Ausschluss aus dem Börsenverein. Aber dazu ist es bisher nie gekommen. Es geht eher darum, die Selbstdisziplin der Branche durch sanften Druck zu erhöhen – und für ein gedeihliches Miteinander aller Marktteilnehmer zu sorgen.

Das Regelwerk der Branche

Die Wettbewerbsregeln sind 2006 im Paket mit der Verkehrsordnung überarbeitet worden. Die Verkehrsordnung legt fest, was in der Branche „handelsüblich“ ist. Die Wettbewerbsregeln präzisieren branchenspezifisch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Neu gegenüber der alten Version von 1986:

  • Eine Passage zum Thema „Werbung“, die detailliert regelt, wann und in welcher Form für preisreduzierte Bücher geworben werden darf – und wann nicht.
  • Eine Passage zum Erstverkaufstag. Hier ist festgelegt, dass Novitäten dem Endabnehmer nicht vor dem Stichtag zugänglich gemacht werden dürfen – wenn der Verlag einen Termin auf der Basis des »Verhaltenskodex für den Erstverkaufstag« bekannt gemacht hat. Dieser Kodex ist von der Branche noch zu erarbeiten
Die genehmigten Wettbewerbsregeln stehen unter dem unten genannten Link als Download zur Verfügung.