Die Sonntagsfrage

Was "nutzt" Verlagsgeschichte?

19. Juni 2011
Redaktion Börsenblatt
Das Gedächtnis unserer Zunft, Ringen um den Erhalt von Archiven. Worin besteht der Sinn und "Nutzen" einer Beschäftigung mit der Buchhandels- und Verlagsgeschichte, Herr Links?

Christoph Links: Wenn man wie ich mitten in der friedlichen Revolution des Herbstes 1989 einen Verlag gründet, dann fragt man nicht nach Geschichte, sondern blickt einfach nach vorn. Es sollte schließlich alles anders werden, mutiger, kritischer, abenteuerlicher. Die zentralistische Buchhandelsgeschichte der DDR schien ohnehin wenig geeignet, noch einmal zurückzublicken. Doch mit den Jahren kamen die Mühen der Ebenen, die Anfangseuphorie musste durch Professionalität ersetzt werden, die Bedingungen am Markt wurden härter. Da entstand zunächst die Frage: wie machen das eigentlich die Kollegen? Alsbald folgte die Frage, wie haben das jene Verleger hinbekommen, die unter widrigeren Umständen ein Unternehmen aufgebaut haben? Ich begann, mich durch die Geschichte von Ullstein, Insel und Kurt Wolff zu lesen. Als dann die Humboldt-Universität mit dem Wunsch auf mich zukam, die Geschichte der DDR-Verlage zu rekonstruieren, habe ich spontan zugesagt – und nicht schlecht gestaunt, welche Renditen damals erzielt wurden und wie man trotz niedriger Preise ansprechende Bücher zu Wege bekam. Der im März 2009 mit 2.000 Exemplaren veröffentlichte Band dazu hat sich binnen eines Jahres verkauft, 2010 folgte die aktualisierte Nachauflage. Manches Klischee konnte bereinigt, Verständnis für die heutige Lage im Osten geschaffen werden.

Die Folge war eine Berufung als Mitglied in die Historische Kommission des Börsenvereins, die ich bis dahin für einen Schnarchverein gehalten hatte. Welch Irrtum. Dort nimmt man sich engagiert der Rolle unserer Branche in der NS-Zeit an, die Konzeptionen für Bände über die Nachkriegsgeschichte beider deutscher Buchlandschaften werden gerade heftig diskutiert. Es wird nicht nur am kulturellen Gedächtnis unserer Zunft gearbeitet, sondern auch aktiv um die Erhaltung von Archiven gerungen. Schließlich sollen die Starter von morgen wissen, wie wir es heute angestellt haben.

Christoph Links ist Verleger des gleichnamigen Sachbuchverlags in Berlin. Er wurde 2008 promoviert mit der Arbeit "Das Schicksal der DDR-Verlage. Die Privatisierung und ihre Konsequenzen". In diesem Frühjahr erschienen bei Links die Bände "100 Jahre Kiepenheuer-Verlage" und "Buchstadt Leipzig. Der historische Reiseführer".