Die Sonntagsfrage

Warum haben Sie sich für Osiander entschieden, Herr Jahn?

3. Juli 2011
Redaktion Börsenblatt
Einen Käufer für eine Buchhandlung zu finden ist schwieriger denn je. Gernot Jahn beschreibt das, was er auf der Suche nach einem Nachfolger erlebte, sogar als Fiasko. Jetzt übergibt er sein Sortiment Bücher-Jahn in Aalen an Osiander: ein Happy End?
Auf jeden Fall. Osiander ist unser Wunschpartner – doch bis der Vertrag unterschrieben war, musste ich viele Hürden nehmen: Als ich 2008 anfing, mich nach einem Nachfolger umzusehen, erlebte ich ein Fiasko nach dem anderen. Und das, obwohl unsere Buchhandlung lange Zeit als  „Schmuckkästchen“ gerühmt wurde, um das uns andere Mittelstädte beneiden könnten.

Was ich als erstes lernte: Filialisten machen nur ungern Abstriche. 1a-Lage, mindestens 500 Quadratmeter auf einer Fläche, Marktführerschaft – wer das nicht bieten kann, wird schnell uninteressant. Hinzu kommt, dass der Anteil der Personalkosten am Umsatz 15 Prozent nicht übersteigen sollte. 

Wenden sich die Großen ab – so wie das bei uns zunächst geschah – kommen die vermeintlich liebenswerten Einzelinteressenten ins Gespräch. Vermeintlich liebenswert sage ich deshalb, weil ich so vielen Schrulligkeiten begegnete: Der einen war Aalen zu weit von Ulm entfernt, eine andere bemängelte, es gebe zu viele Metzgereien in der Stadt (dabei sind es gerade einmal drei, bei 65.000 Einwohnern). Einem dritten Interessent waren angeblich unsere Winter zu hart, ein vierter wollte unsere Buchhandlung mit 400 Quadratmetern Ladenfläche als Filiale betreiben (dabei misst seine Buchhandlung nur 40 Quadratmeter und hat nur unregelmäßig geöffnet).

So ging das in einem fort. Ich führte etwa 20 Gespräche, immer mit dem gleichen Tenor: „Sie haben eine sehr schöne Buchhandlung, aber ...“ (siehe oben).

Dann kam der Juni 2010. Mit einem Kollegen war ich handelseinig geworden, alles schien perfekt – bis uns der Vermieter einen Strich durch die Rechnung machte: „Der kanns nicht“,  meinte er über den Käufer. Er sei zwar gelernter Buchhändler, kritisierte der Vermieter, habe aber einige Jahre in einem anderen Beruf gearbeitet. Das genügte, um die Sache zunichte zu machen.

Jetzt sind wir bei Osiander gelandet – ich bin damit sehr, sehr zufrieden. Warum das so ist: Außer unserer Buchhalterin hat die Familie Riethmüller alle Mitarbeiterinnen übernommen. Dazu kommt, dass Osiander genau die Verbindung zwischen Tradition und Innovation verkörpert, die ich für wichtig halte. Kurzum: Meine Mitarbeiterinnen verlieren nicht ihren Job, unsere Kunden sind froh, dass diese Traditionsbuchhandlung erhalten bleibt – und ich freue mich, dass mein Lebenswerk fortgesetzt wird. Dass für mich selbst keine großen finanziellen Meriten zu erreichen waren, liegt auf der Hand.