Amazon baut seine Sparten und Dienste rund um das Buch immer weiter aus zu einem kompletten Ökosystem, das in zunächst kleinerem Maßstab die gesamte Buchbranche mit allen Handelsstufen und Dienstleistungen nachbaut – eine "book industry in the box", wie ein US-Kollege es formuliert hat. Die Strategie, selbst alle Verwertungsstufen unter einem Dach zu haben, erhöht allerdings die Wachstumsdynamik erheblich. Das zeigt sich etwa bei den verlegerischen Aktivitäten, wenn Amazon etablierte Autoren mit besseren Konditionen und dem Versprechen einer direkteren Autor-Leser-Kommunikation bei traditionellen Verlagen abwirbt. Dabei wird das ideelle Kapital, das diese Häuser geschaffen haben, abgeschöpft, ohne dass man selbst in den Aufbau investieren müsste.
Dem Lesegerät Kindle kommt beim Ausbau des Geschäfts eine Schlüsselrolle zu. Durch seinen millionenfachen Vertrieb in den USA und anderen Ländern wird zunächst die Konversionsrate von Print- zu E-Book-Kunden erhöht. Lassen sich Kindle-Besitzer einmal für den Premium-Dienst Prime registrieren, können sie außerdem die neue, kostenlose E-Book-Leihe nutzen, die einen zusätzlichen Anreiz bietet, digitale Titel bei Amazon zu lesen und später dann vielleicht auch zu kaufen. Das Leihmodell führt Amazon nicht nur neue Kunden zu, sondern drängt den Verlagen nach und nach ein Geschäftsmodell auf, das sie selbst – von Ausnahmen abgesehen – gar nicht so entwickelt haben: die Lese-Flatrate, die in Deutschland gerade auch von PaperC getestet wird.
Kommentar
10. November 2011
Amazon baut unter seinem Dach eine eigene Buchindustrie auf, um den Buchmarkt aufzurollen. Dabei gibt der Internetkonzern zunehmend auch bei den Geschäftsmodellen den Ton an. Ein Kommentar von Michael Roesler-Graichen.