„Wenn ich Buchhändler wäre, dann würde es mir angst und bange werden angesichts dieses Horrorszenarios." Der drastische Kommentar aus dem Publikum zu den bei Homer 3.0 aufgezeigten Perspektiven für den stationären Buchhandel blieb unwidersprochen und wurde auch nicht aufgegriffen. Vielleicht einfach deswegen, weil sich das Offensichtliche, nämlich die Entwicklung der Buchverkäufe in den vergangen Jahren, kaum wegdiskutieren lässt. Das „Horrorszenario", das MVB-Geschäftsführer Ronald Schild entwarf, summiert Umsatzrückgänge des stationären Buchhandels bis 2015 von 30 bis 50 Prozent. Und parallel dazu Zuwächse im Online-Buchhandel mit gedruckten Titeln und für den Vertrieb von E-Books.
Schild nannte zwei Möglichkeiten, wie sowohl kleine als auch große Buchhandlungen auf das Unvermeidliche reagieren könnten, einen dritten Weg schloss er aus: „Multichannel oder Geschäftsaufgabe". Die Alternative zum Ende ist Schild zufolge fordernd: Der Buchhändler müsse die bestehende Kundenbeziehung in die digitale Welt überführen, mithin der eigenen Website eine persönliche Note geben.
Die wichtigste buchhändlerische Kompetenz sei heutzutage, so schlussfolgerte Schild provokant, nicht mehr die Liebe zur Literatur, sondern zur Technologie. Keine lauten Zwischenrufe, kein Protest antwortete der These, nicht einmal die leise Mutmaßung, dass es vielleicht auch umgekehrt sein könne, sondern abermals nur die Stille. Wie vielen Buchhändlern es indes gelingt, so gut zu sein wie Amazon und Dussmann zusammen, wie ein Zuhörer pointiert zusammenfasste, mochte Schild nicht prognostizieren.
Vorrednerin Kathrin Passig formulierte drastischer als Schild, in der Tendenz jedoch durchaus ähnlich: „Den stationären Buchhandel wird es in seiner jetzigen Form nicht mehr geben." Anders als der MVB-Manager setzt die Journalistin und Autorin dabei jedoch weniger Vertrauen in die Entwicklungsfähigkeit einzelner Läden.
Vor allem die Kompetenz der Buchhändler, ihren Kunden wirklich das ihnen gemäße Buch zu verkaufen, stellte sie entschieden infrage: maschinell generierte Empfehlungen seien tendenziell weitaus treffsicherer als die Ratschläge eines Einzelnen, die notwendigerweise nur auf einer zeitlich stark limitierten Lektüre beruhen. Allerdings müsse ein entsprechender Algorithmus, der die Vorteile der Maschine gegenüber dem Menschen erkennbar sein lässt, für die Buchwelt erst noch erfunden werden; als Vorbilder nannte sie Musik- und Filmbranche. Die Amazon-Tipps seien nicht viel besser als das, was der stationäre Buchhandel biete: „Unterirdisch. Mir werden von Amazon häufig meine eigenen Bücher empfohlen."
Amazon sollte mithin nicht der Maßstab sein für das, was mithilfe von Computertechnik möglich gemacht werden könne, so Passig. Und man mochte ihr gern folgen. Warum jedoch die „Überraschungskompetenz eines Buchhändlers", wie Moderator Torsten Casimir es nannte, gespeist von Empathie und Intuition so viel schlechter abschneiden sollte, vermochte auch Passig nicht definitiv zu beantworten: „Uns fehlen empirische Daten."
Am Nachmittag geht es weiter mit der Verleihung des AKEP Awards und der Frage: Verändern wir den Markt oder verändert er uns?
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