Weswegen trägt die Ausstellung den eigenwilligen Titel "Friederisiko"?
Weil Risikobereitschaft ein wesentlicher Charakterzug Friedrichs gewesen ist. Es war für ihn beispielsweise riskant, sich gegen seinen Vater aufzulehnen. Es war gewagt, ohne irgendwelche Erfahrung und Kenntnisse 1740 in den Krieg zu ziehen - das ist bei Mollwitz dann ja auch fast schief gegangen. Ähnliches gilt auch für 1756, als er in Europa den Siebenjährigen Krieg begann. Seine Geldpolitik im Krieg war ebenfalls sehr gewagt. Zudem: Wir wollen in der Ausstellung das Risiko eingehen, die Legenden um den König nicht weiterzuerzählen.
Die Popularität Friedrich des Großen reicht bis zu Wilhelm II., Hitler und Honecker, jeder hat "seinen" Friedrich popularisierend ausgeschlachtet. Hat das Einfluss auf das heutige Bild des Alten Fritz'?
Ja, natürlich, denn die "Friedrich-Bilder" der Vergangenheit, von Zeitgeist, Auslegungen, Anekdoten geprägt, sind noch immer bestimmend für das heutige populäre Bild. Nur ein Beispiel: Friedrich und die Kartoffel. Er hätte die Knolle in Deutschland eingeführt und für den großflächigen Anbau gesorgt. Stimmt leider nicht. Doch diese Wahrheit wird sich wohl nie durchsetzen.
Das Risiko, das Friedrich am Schlachtfeld oft eingegangen ist, und sein Feldherrnglück sind auch Teil seines Mythos. Natürlich gibt es da noch andere Aspekte, etwa Friedrich als Dichter oder Philosoph. Was ist vom Mythos Friedrichs heute noch übrig?
Dank der angesprochenen Popularisierung sehr viel. Manches davon ist gerechtfertigt, anderes nicht. Unsere Zeit, die nur noch wenig ideologisch ist, hat die Gelegenheit, alles auf den Prüfstand zu stellen. Das sollte man auch tun, und das wollen wir in der Ausstellung auch machen.
Wenn man die zahlreichen Biografien, die zu Friedrichs rundem Geburtstag nun erscheinen, ansieht, dann fällt eines auf. Nämlich, dass dieselben historische Dokumente ganz verschieden – also pro und contra – interpretiert werden können. Wie sehen Sie das als Historiker?
Dass man heute pro oder contra Friedrich ist, kann ich nicht recht glauben. Unsere Zeit kann mit einer Ideologie um den König zu recht nichts anfangen. Wir haben die Möglichkeit, Person und Wirken unbefangen zu betrachten und zu beschreiben. Das lässt uns seit langem bekannte Quellen und Dokumente neu interpretieren - ohne einer Ideologie oder dem Zeitgeist genügen zu müssen. Das ist kein pro oder contra.
Bei einer Frage eskaliert der Streit der Biografen: War Friedrich schwul? Einige Historiker sagen ja, die andren nein – und jede Menge Argumente und Zeitzeugnisse werden herbeigeschafft. Ist es nicht beschämend, dass zu Friedrichs 300. Geburtstag im Jahr 2012 der Homosexualität noch immer so viel Platz eingeräumt wird?
Beschämend ist das in dem Sinn, dass man mit menschlicher Normalität wohl immer noch nicht recht umgehen kann. Es ist auch erstaunlich, weil es eben völlig egal war für Friedrich und egal ist für sein Bild in der Geschichte, ob er schwul war oder nicht.
Wie wird die Ausstellung "Friederisiko" von 28. April bis 28. Oktober 2012 in Potsdam aussehen?
Die Ausstellung wird im Neuen Palais elf Themen behandeln und im Park den friderizianischen Garten in zehn Stationen. Hauptkurator ist Friedrich selbst, denn die Themen leiten sich aus seinen Gedanken, Ansprüchen und Leistungen ab, die in Gestaltung und Ausstattung des Neuen Palais vereinigt sind. Wir machen sie dem Besucher nur deutlich. Er wird sich seinen Weg durch das Schloss selbst wählen und dabei in 70 Räumen rund 500 herausragende, zusätzliche Exponate entdecken können. Einige Räume wird der Besucher überhaupt zum ersten Mal erleben.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog: "Friederisiko: Friedrich der Große. Die Ausstellung." Hirmer Verlag, April 2012, 400 Seiten, 400 teils farbige Abbildungen, ca. 39,90 Euro
Novitäten zu Friedrich dem Großen (Auswahl):
Biografien:
Tillmann Bendikowski: Friedrich der Große. C. Bertelsmann, 336 S., 19,99 Euro
Wolfgang Burgdorf: Friedrich der Große. Ein biografisches Porträt. Herder, 224 S., 12,95 Euro
Tom Goeller. Der alte Fritz. Mensch, Monarch, Mythos. Hoffmann und Campe, 352 S., 21,99 Euro
Christian Graf von Krockow: Friedrich der Große. Ein Lebensbild. Lübbe / Ehrenwirth, 224 S., 22 Euro, Johannes Kunisch: Friedrich der Große. C. H. Beck, 128 S., 8,95 Euro
Jürgen Luh: Der Große. Friedrich II. von Preußen. Siedler, 288 S., 19,99 Euro
Frank Pergande: Die 50 wichtigsten Fragen: Friedrich der Große. C. J. Bucher, 144 S., 17,95 Euro
Johannes Unger: Friedrich: Ein deutscher König, Propyläen, 320 S., 16,99 Euro
Friedrich II. als Autor und Musiker
An meinen Geist: Friedrich der Große in seiner Dichtung. Schöningh, 300 S., 24,90 Euro
Friedrich der Große: Ausgewählte Schriften. Fischer Taschenbuch, November, 400 S., 12 Euro
Sabine Henze-Döhring: Friedrich der Große. Musiker und Monarch. C. H. Beck, 17. Januar 2012, 256 S., 18.95 Euro
Hans Pleschinski: Voltaire – Friedrich der Große. Briefwechsel. Hanser, 656 S., 29,90 Euro
Friedrich der Große als Leser. Akademie Verlag Berlin, 200 S., 49,80 Euro
Das Umfeld
Jens Bisky: Unser König. Friedrich der Große und seine Zeit – ein Lesebuch. Rowohlt Berlin, 400 S., 19,95 Euro
Jacob Burckhardt: Das Zeitalter Friedrichs des Großen. Aus dem Nachlass unter Mitwirkungvon Bernd Klesmann und Philipp Müller. C. H. Beck, 17. Januar 2012, 256 S., 16,95 Euro
Michael Epkenhans u.a.: Preußen. Aufstieg und Fall einer Großmacht. Theiss, 208 S., 39,95 Euro
Karin Feuerstein-Praßer: »Ich bleibe zurück wie eine Gefangene«. Elisabeth Christine und Friedrich der Große. Pustet, 120 S., 12,90 Euro
Bernd Ingmar Gutberlet: Friedrich der Große. Eine Reise zu den Orten seines Lebens. Primus, 144 S., 29,90 Euro
Kartoffeln mit Flöte. Friedrich der Große. Stimmen, Gegenstimmen, Anekdotisches. Reclam, 257 S., 9,95 Euro
Jürgen Overhoff: Friedrich der Große und George Washington. Klett-Cotta, 364 S., 22,95 Euro
Vom Alten Fritz: Ein Lesebuch über Friedrich den Großen. Fischer Taschenbuch, 320 S., 9 Euro