Gastspiel

Von der Professionalität

4. Oktober 2012
Redaktion Börsenblatt
Idealismus muss man sich leisten können. Stephan Kleiner antwortet auf Isabel Bogdans Wunsch nach einer stäkeren öffentlichen Wahrnehmung der Übersetzer.
Vor einiger Zeit forderte an dieser Stelle bereits der Publizist Volker Heigenmooser eine stärkere Wahrnehmung der Übersetzer und monierte auch das "Versagen vieler Verlage, für die Übersetzungen nur ein lästiger Kostenfaktor zu sein scheint". Der ersten Klage wird niemand widersprechen. Der zweiten kann niemand ernsthaft beipflichten: Der Verlag als wirtschaftliches Unternehmen versagt, sobald er die Kalkulation aus dem Blick verliert. Er muss an die Rendite denken, schon um die Angestellten in Lohn und Brot zu halten. Schließlich soll die Arbeit der Übersetzer Verbreitung finden.

Das leistet der Verlag, der ihr sein Gütesiegel aufdrückt und die Vertriebsmuskeln spielen lässt. (Bei der Bewertung und Beurteilung sind dann die Feuilletons gefordert.) Was Verlagen also mitunter als Kunstfeindlichkeit ausgelegt wird, sichert die Stabilität des Systems und somit das Fortbestehen allgemeiner Kunstproduktion. Verlage häufen und mehren symbolisches Kapital, das sie in ökonomisches ummünzen müssen, um bestehen zu können. Wer das beklagt, redet dem Regress das Wort.

Das ändert nichts daran, dass sich Übersetzer immer wieder ungenügend gewürdigt und mitunter während der Arbeit alleingelassen fühlen. Dieser Eindruck grundiert die Verhandlungen, wenn es um Honorarstaffeln geht, er kann sich auch im Lektoratsgespräch vermitteln. Auch aus Isabel Bogdans Worten spricht er deutlich ("Von der Unsichtbarkeit", Börsenblatt 39 / 2012). Wie kommt das?

Damit eines klar ist: Als Lektor (der auch nebenher übersetzt) weiß ich um die Wichtigkeit der Übersetzer und bin immer dafür, ihnen auch in der öffentlichen Wahrnehmung den größtmöglichen Raum zu geben. Doch wagen wir einmal einen Perspektivwechsel und werfen einen Blick in die Lektoratspraxis: Während sich das Berufsbild des Übersetzers seit Äonen wohltuender Kontinuität erfreut, geht in den Lektoraten ein Gespenst um, dessen Name nur geflüstert wird: administrative Tätigkeiten. Während der Übersetzer monatelang an einem Text feilt, poliert der Lektor, der nicht nur Scharnier zwischen Verlag und Autoren beziehungsweise Übersetzern, sondern auch innerhalb des Verlags Anlaufstelle aller Abteilungen ist, Schrifterzeugnisse unterschiedlichster Provenienz und Stilhöhe, verfasst Vorschau- und Klappentexte, koordiniert Projekte mit Herstellung, Presse, Werbung und Vertrieb im Haus sowie Setzern und Korrektoren außerhalb und wird dabei regelmäßig durch E-Mails und Telefonanrufe aus der poetischen Blase gerissen. Den Widrigkeiten des Alltagsgeschäfts, dem Stahlgewitter aus Deadlines und Marketingsitzungen gilt es den bestmöglichen Text abzuringen. Eine polemische Typologie: Der Übersetzer schöpft als Kreativer zwischen Künstlertum und Dienstleistung, der Lektor ist Produktmanager. Übersetzer sind Romantiker, während Lektoren sowieso immer nur das eine wollen: verkäufliche Bücher.

Den Kopf über den Wolken und zugleich knietief im Morast – das ist also in etwa die Situation des Lektors. Vielleicht muss er da mitunter zum Pragmatismus neigen und in einer Welt der Poesie den Ruch des Prosaischen verströmen. Das lässt ihn schnell als Spielverderber dastehen.

In Zeiten des Umbruchs, in denen die Zukunft des gedruckten Buchs wie der Verlage ungewiss ist, sollte man sich auf gemeinsame Ziele besinnen. Idealismus muss man sich leisten können. In der Zwischenzeit helfen Professionalität, die Besinnung aufs Wesentliche, Gesprächsbereitschaft, ein angenehmes Klima und Humor.

Noch Fragen? Lassen Sie uns darüber reden. Ich rufe zurück, versprochen. Es kann nur etwas dauern.