Die Sonntagsfrage

“Was fehlt der Buchbranche zur digitalen Transformation, Herr Talin?"

19. Januar 2019
von Börsenblatt

Der Digitalexperte Benjamin Talin wurde schon als 13-Jähriger zum Unternehmer. Er ist Initiator der Plattform morethandigital.info, die Transparenz in Digitalisierungsthemen bringen will. Beim Treffen der IG Belletristik und Sachbuch in München erklärt er den Verlegern, was digitale Transformation umfasst und was man dafür braucht.

Wenn wir auf die Verlagsbranche blicken, dann müssen wir zuerst verstehen, dass wir mittlerweile von der Medienbranche im Allgemeinen sprechen müssen. In den letzten Jahren hat sich die Buchbranche grundlegend geändert, nicht nur weil es direkte "digitale" Ableger der Bücher gibt, sondern weil die Medienindustrie zunehmend horizontal verlagert wird. 
 

Vor nicht allzu langer Zeit gab es noch sehr starke vertikale Industrien. TV, Radio, Zeitung, Buch etc., mit klaren Grenzen von anderen Branchen abgetrennt, konnten sie in ihren Gebieten wachsen. Doch nun brechen diese klaren Grenzen zusammen und wir erleben eine Vermischung der Medienindustrien bzw. eine Verlagerung von der vertikalen hin zu einer horizontalen Medienwelt. Dieser 90° Flip der Industrie, lässt speziell aus Kundensicht die Kanäle unscharf werden und ineinander verschmelzen. 
 

Der starke Trend zur horizontalen Integration der Medien wird noch zusätzlich erschwert, wenn man die neuen Kundenbedürfnisse hinzufügt. Das stetige Wachsen der Internetgiganten wie Facebook, Twitter, Instagram etc. führt dazu, dass einerseits Inhalte passiv konsumiert werden und anderseits Kunden diese selber erstellen. 
 

In meinem Vortrag in München am Donnerstag werde ich auf die wichtigsten Aspekte der veränderten Kundenbedürfnisse und Trends eingehen, die man in der Medienindustrie zur Zeit beobachten kann. Wenn man die Verlagsbranche betrachtet, dann muss man auch auf die Medienbranche schauen und dort ansetzen. Denn die Verlagsbranche muss verstehen, dass sie in den letzten Jahren von einer abgegrenzten Branche hin zu einem Puzzlestück der Medienbranche geworden ist. Diese verliert an Wert und kann nur noch mit der Verlinkung zu anderen Bereichen das Bild vermitteln, das die Kunden erwarten. Für diese zentrale Rolle und diesen starken Wandel bedarf es aber mehr als nur Digitalisierung. 
 

Die Verlagsbranche ist als Teil der Medienbranche am stärksten betroffenen von Disruption durch Technologie. Um auch mit diesen Veränderungen umgehen zu können, bedarf es eines starken Wandels. Es geht darum, sich komplett neu aufzustellen, neue Geschäftsmodelle zu finden und neue Strategien zu definieren. Wer beginnt, mit klassischer Digitalisierung wie eBooks, Webshops oder einfachen Online-Kampagnen sein alteingesessenes Geschäftsmodell zu retten, der wird schnell merken, das die Skalenvorteile im Internet bereits durch andere Marktteilnehmer wie Amazon abgedeckt sind. 
 

Somit werden nur diejenigen langfristig überleben können, die sich auch aktiv mit der digitalen Transformation auseinandersetzen. 
 

Schlussendlich stellt sich weniger die Frage, ob das Buch zu den Dingen gehört, die in der Zukunft nicht mehr existieren, sondern wie das Verlagswesen sich in einer horizontalen Medienwelt mit professionellen Autoren, aber auch privaten Inhalten einfügen kann, um langfristig dem Kunden einen Mehrwert zu erbringen.

Tagung der IG Belletristik und Sachbuch

Die Interessengruppe Belletristik und Sachbuch im Börsenverein kommt am 24. Januar im Literaturhaus in München zusammen. Gastredner sind Thomas Krüger, Präsident der Bundes­zentrale für politische Bildung, Tim Leberecht, Berater und Autor, Benjamin Talin, Digitalexperte.

Anmeldung und Programm.

 

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Ein Interview, mit Tim Leberecht, der ebenfalls bei der Tagung der IG Belletristik und Sachbuch referiert, lesen Sie hier!