Eröffnungs-Pressekonferenz der Frankfurter Buchmesse

David Hockney erzählt seine iPad-Zeichnungen

18. Oktober 2016
von Börsenblatt
Für ein Storytelling der besonderen Art sorgte der britische Künstler David Hockney als Stargast der voll besetzten Eröffnungs-Pressekonferenz der Frankfurter Buchmesse mit seinen faszinierenden iPad-Zeichnungen. Vorsteher Heinrich Riethmüller betonte die wichtige Rolle der Buch- und Medienbranche "in unserer von Spaltung, Dissens und Konfrontation geprägten Zeit".

"Ich freue mich so sehr auf David Hockney", verriet Messedirektor Juergen Boos, "das ich aufpassen muss, dass ich nicht so durch meine Rede raspele". Was er dann auch nicht tat. Boos betonte den politischen Charakter der Messe, kritisierte etwa die neue Eindimensionalität in den politischen Anschauungen hierzulande. Er sei gefragt worden, ob auch syrische Verlage auf der Messe vertreten sind. Es sind sechs Verlage, so Boos, die "aber durch mindestens sieben Umstände den Weg nach Frankfurt gefunden hätten". Insgesamt sei die Welt komplexer geworden, im Wochentakt würden sich neue Allianzen bilden. "Literatur kann helfen, die Welt zu sortieren", betont Boos. Und die Frankfurter Buchmesse helfe beim Sortieren, indem sie Netzwerke schaffe. 

Ein Teil davon sei etwa The Arts+, das quasi eine Messe in der Messe sei. Hier treten neue Akteure, Künstler, Museen und Institutionen auf den Plan, die wertvolle Anregungen für die Buchbranche geben, eine neue Form der Zusammenarbeit etablieren könnten. Auch das hätte einen politischen Aspekt, erklärt Boos. Denn: "Die Angst der autoritären Systeme liegt in der Vernetzung der vielen Stimmen." Auf der Frankfurter Buchmesse würden diese Stimmen als Collage gesammelt, und die Botschaft werde gehört.

Danach zeigte ein zehnminütiges Blitzlichtgewitter an, dass David Hockney eingetroffen war. Der 79-Jährige Künstler, mit weißer Schiebermütze und schwarzer Hornbrille, hatte seine beeindruckenden iPad-Bilder mitgebracht, deren Entstehung er am Screen zeigte und erläuterte. Hockney lobte die Möglichkeiten seines Zeicheninstruments, das er seit 2010 nutzt − etwa die vielen Farben und die dauernde Veränderbarkeit. Zudem seien keine Materialien mehr vonnöten. Ein Nachteil sei dagegen, dass es "keinen Widerstand mehr beim Malen gebe". Es war faszinierend zu sehen, wie in seinen zusammenfassenden Zwei-Minuten-Filmen Zeichnungen von Sonnenblumen, Eiffelturm oder das Proträt eines Freundes Gestalt annahmen und immer mehr verfeinert worden. Dazu erzählte der Brite ("Ich zeichne gern", bemerkte er augenzwinkernd) Geschichten zur Entstehung der Bilder, etwa eines gläsernen Aschenbechers, den er in einem Hotel in Baden-Baden gezeichnet hatte, "als dort noch das Rauchen erlaubt war". Für Boos ging es bei Hockneys Auftritt damit "eigentlich ums Storytelling". Wie immer ein großes Thema der Messe.

Heinrich Riethmüller: "Nie waren Kulturschaffende wichtiger als heute"

Bei seiner Begrüßung auf der Pressekonferenz betonte Börsenvereins-Vorsteher Heinrich Riethmüller in einer Welt im Aufruhr die besondere Rolle der Buch- und Medienbranche. Populismus und Nationalismus würden sich immer mehr ausbreiten. Eine starke Buch- und Medienbranche könne Verständigung und Dialog fördern, so Riethmüller: "In unserer von Spaltung, Dissens und Konfrontation geprägten Zeit muss die Buch- und Medienbranche ihre wichtige Rolle wahrnehmen. Gerade jetzt braucht die Gesellschaft starke und unabhängige Ideen- und Inhaltsvermittler, die Informationen und Geschehnisse einordnen, hinterfragen und differenzieren. Bücher verbreiten Wissen, Geschichten und Erfahrungen. Nie waren Buchmenschen und Kulturschaffende wichtiger als heute."

Umso erschreckender sei es, fuhr Riethmüller fort, dass an vielen Orten der Welt die Meinungs- und Publikationsfreiheit bedroht sind. Diese seien wesentliche Grundlage dafür, dass Verlage und Buchhandlungen ihren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen können. "Die Freiheit des Wortes ist für uns ein Menschenrecht und nicht verhandelbar. Doch die Politik schweigt, schaut zu und handelt nicht", so Riethmüller. Rund 80.000 Menschen hätten bereits die Online-Petition #FreeWordsTurkey (www.freewordsturkey.de/petition) unterzeichnet, die der Börsenverein zusammen mit dem PEN-Zentrum Deutschland und Reporter ohne Grenzen gestartet hat. Die Petition werde fortgesetzt, so Riethmüller, der zugleich appellierte, diese zu unterzeichnen.

Ein weiterer Aspekt seine Rede war die Gesetzgebung, die die Buchbranche in Deutschland unter Druck setze. "Im Urheberrecht werden Reformen geplant, die die einzigartige deutsche Verlagslandschaft in ihrer Qualität und Vielfalt gefährden und damit deren gesellschaftlichen Auftrag in Frage stellen", sagte Riethmüller. "Wir fordern von den politisch Verantwortlichen bei den anstehenden Entscheidungen ein klares Bekenntnis zum Wert des Wortes, zur Leistung der Autoren und ihrer Verlage. Starke Autoren und Verlage benötigen ein starkes Urheberrecht, das ihre Leistung schützt und fair honoriert."

Ungeachtet dessen gehe es dem deutschen Buchmarkt gut, so Riethmüller. Die Umsätze seien in den letzten zehn Jahren stabil geblieben, trotz erheblich gewachsener Medien- und Gerätekonkurrenz. Aktuell liege der Umsatz mit Büchern auf dem Privatmarkt in etwa auf Vorjahresniveau, insgesamt erwartet Riethmüller ein gutes Jahr für den Buchhandel. Die Branche entwickle sich stetig weiter, das Innovationspotential sei groß. Ein Novum sei in diesem Jahr der europaweite Start-up-Accelerator CONTENTshift, über den die Börsenvereinsgruppe Start-ups fördere, die Geschäftsmodelle für die Buch- und Medienbranche entwickeln. Als Höhepunkt wird auf der Frankfurter Buchmesse unter den sechs Nominierten (die "eine gute Landkarte für die Entwicklungen der Branche bieten", so Riethmüller) das Content-Start-up des Jahres gekürt.