Interview mit Rotopol-Verlegerin Rita Fürstenau

"Für uns haben Bücher kein Verfallsdatum"

25. Juni 2018
von Börsenblatt
Der Verlag Rotopol aus Kassel wurde am vergangenen Freitag mit dem ersten Hessischen Verlagspreis ausgezeichnet. Nicht zufällig stehen dort grafische Erzählformen im Vordergrund. Davon, über Release-Partys für jedes neue Buch, die Verwendung des Preisgeldes, den Verlagsstandort Kassel und die besten Marketingideen sprach Rotopol-Gründerin Rita Fürstenau mit boersenblatt.net. 

Ist der Hessische Verlagspreis die erste Auszeichnung für Rotopol?
2007 erhielten wir als Verlag bereits den Kulturförderpreis der Stadt Kassel. Das war, so ganz am Anfang, eine große Ermutigung für uns. In den darauffolgenden Jahren wurden dann vor allem unsere Bücher ausgezeichnet. So schaffte es beispielsweise "Reprobus" von Markus Färber 2013 unter die 25 Schönsten Deutschen Bücher der Stiftung Buchkunst und viele andere Titel erhielten Nominierungen und Auszeichnungen bei deutschen Comicbuchpreisen. Dass Rotopol nun den Hessischen Verlagspreis gewonnen hat, freut uns ganz besonders. Wir empfinden das als eine außergewöhnliche Wertschätzung unserer bisherigen Arbeit, über die wir uns sehr freuen.

Wofür verwenden Sie das Preisgeld?
Ganz konkret haben wir das Geld noch nicht verplant. Im Moment sehen wir in dem Erhalt des Preisgeldes vor allem eine Chance, um unser verlegerisches Handeln und das bisher Erreichte in einem etwas größeren Maßstab zu reflektieren, als wir es bisher gewohnt waren. Es gibt eine ganze Reihe an Ideen und Projekten, die wir gerne umsetzten möchten und ein Teil des Preisgeldes wird sicherlich dabei helfen, einige davon zeitnah angehen zu können. Daneben wollen wir das Geld aber vor allem nutzen, um Strukturen auf- und auszubauen, die dem Verlag langfristig eine größere Reichweite, etwas höhere Umsätze und damit personelle Unterstützung und weitere Möglichkeiten zur Realisierung von neuen Ideen bringen können.

Kleinverleger brauchen oft noch einen Nebenjob, um über die Runden zu kommen. Lebt Rotopol vom Verlagsprogramm?
Den Verlag habe ich während meines Studiums der Visuellen Kommunikation mit dem Schwerpunkt Illustration an der Kunsthochschule Kassel gegründet und von Beginn an bestand das Verlagsteam aus Illustrator*innen und Comiczeichner*innen. Meine heutige Kollegin Carmen José und ich arbeiten daher beide neben unserer verlegerischen Tätigkeit auch als freiberufliche Illustratorinnen an auftragsgebundenen Projekten und auch im kunstpädagogischen Bereich. Außerdem veröffentlichen wir natürlich auch als Autor*innen unsere eigenen Projekte bei Rotopol.

Ein Jahr nach der Verlagsgründung haben Sie den Verlag in Kassel angesiedelt. Ein guter Verlagsstandort?
Für uns funktioniert die Stadt Kassel sehr gut als Standort. Unsere Räume liegen in einem schönen und mittlerweile sehr belebten Stadtteil, dem Vorderen Westen. Für seine doch eher kleine Größe hat die Stadt ein bemerkenswert großes und vielfältiges kulturelles Leben. Nicht nur die Documenta, die vielen Museen, das Staatstheater und die Kunsthochschule, sondern gerade auch die große freie Szene machen die Stadt für mich zu einem inspirierenden Ort für einen Verlag. Gleichzeitig ist es auch gut möglich, sich für eine Weile zurückzuziehen und einfach nur in Ruhe am Schreibtisch zu arbeiten oder zum Nachdenken in einem der vielen Parks spazieren zu gehen.

Sie betreiben zusätzlich zum Verlag nicht nur eine Siebdruck-Werkstatt und eine Galerie, sondern auch ein Ladengeschäft mit bedruckten Textilien, Papierspielen, Kunstdrucken und vielem mehr. Buchhandel, Versand, Messen, eigener Laden: Über welchen Vertriebsweg wird der Hauptumsatz generiert?
Den größten Umsatz erwirtschaften wir insgesamt nach wie vor über Direktverkäufe – über unseren Onlineshop, in unserem Ladengeschäft, bei Veranstaltungen und vor allem auch durch unsere Reisen zu Festivals und Messen im In- und Ausland. Daneben nimmt der Verkauf über den Buch- und Comic-Handel stetig zu. Vor allem, seid wir die Kommunikation mit den Kolleg*innen im Handel wieder direkt  von unserem Verlagsbüro aus organisieren. Das macht es auch möglich, ganz konkret auf die jeweiligen Schwerpunkte einzugehen und gemeinsam Aktionen, Veranstaltungen, Büchertische und Schaufenstergestaltungen zu planen.

In der Laudatio für den Hessischen Verlagspreis wird das Marketing von Rotopol besonders gelobt. Auf welchen Einfall sind Sie besonders Stolz?
Wir lieben jedes Buch, das wir veröffentlichen, und deshalb liegt uns sehr viel daran, unsere Backlist zu pflegen. Für uns haben Bücher kein Verfallsdatum und wir versuchen allen unseren Titeln durchgängig eine bestmögliche Platt­form zu bieten. Gleichwohl ist es immer ein toller Moment, wenn ein neues Buch noch ganz druckfrisch in unseren Händen liegt und wir die ersten Exemplare zum Erschei­nungstermin ins Regal stellen. Deshalb feiern wir jede Neuerscheinung mit einer Release-Party, die ganz im Motto des jeweiligen Titels steht: bei der Wahl der Getränke und Speisen, der Musik, der Dekoration und manchmal auch der Outfits. Oft kombinieren wir das Erscheinen eines Buchs mit einer Ausstellung in unserer Ladengalerie, in der die Autor*innen einen Einblick in ihren Arbeitsprozess geben, Originalzeichnungen, Entwürfe, In­spirationen oder Druckgrafiken präsentieren und mit einem interessierten Publikum in einen Austausch treten können.

27 Rotopol-Bücher sind lieferbar. Was ist das für ein Programm, wo liegt der Schwerpunkt?
Der Fokus unseres Verlagsprogramms liegt auf grafischen Erzählformen und dabei interessieren uns vor allem auch die Randgebiete und Schnittmengen, die sich zwischen den Bereichen Comic, Illustration, Grafik- und Oberflä­chendesign ergeben. Wir finden es zum Beispiel spannend, das Verhältnis von Sprache und Bild auszuloten, non-line­are Erzählweisen zu erkunden und mit neuen grafischen Ausdruckformen zu experimentieren. Bei der Auswahl unserer Veröffentlichungen stehen Pro­jekte im Vordergrund, in denen sie sich die Zeichner*innen mit den Geschichten, Bildwelten, Erzählweisen und Ideen beschäftigen, die sie interessieren. Genau diesen persönlichen Pro­jekten möchten wir mit Rotopol eine Heimat geben, denn die Individualität, Eigensinnigkeit und Kreativität, die ihnen innewohnt, finden wir besonders spannend.

Und zum Schluss: Warum Rotopol? Was steckt hinter dem Verlagsnamen?
Rotopol setzt sich zusammen aus POL und ROTO, was wir von Rotieren hergeleitet haben. Wir mögen den Gedanken, mit Rotopol einen Ort zu schaffen, der sich als Zentrum versteht und der gleichzeitig in Bewegung ist.


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