Lernbiene Verlag in Murnau

"Die Didaktik hat eindeutig Vorrang"

7. Mai 2018
von Börsenblatt
Vom Hobby zum Start-up, vom Start-up zum Bildungsverlag für den Grundschulunterricht: Die "Lernbiene" in Murnau ist ein gutes Beispiel dafür, wie aus einem besonderen pädagogischen Konzept ein Geschäftsmodell werden kann.      

Es fing an Abenden und Wochenenden an: Bianca Kaminsky, Referendarin an einer Grundschule, erstellte eigene Unterrichtsmaterialien für ihre Klasse, weil ihr die vorhandenen Arbeitshefte nicht zusagten. Das war 2002. Aus dem Hobby wurde wenig später ein Start-up, das erste eigene Unterrichtsmaterialien auf CD vertrieb. Als die angehende Lehrerin ihrem Mann Thomas Kaminsky nach Bayern folgte, wohin es ihn aus beruflichen Gründen gezogen hatte, fiel im Grunde der Startschuss für einen eigenen Verlag: "Da meine Fächerkombination in Bayern nicht anerkannt wurde, habe ich mich für mein Projekt – die ‚Lernbiene‘ – entschieden, um es zu einem Programm auszubauen." Thomas Kaminsky unterstützte sie dabei: "Wir haben das Ganze 2006 auf professionelle Beine gestellt, wobei ich mich um die kaufmännischen Themen wie Vertrieb, Recht und IT gekümmert habe."
Seither ist der Lernbiene Verlag sukzessive gewachsen. Bianca Kaminsky konzipierte und schrieb zunächst selbst die Unterrichtsmaterialien – Lernwerkstätten und Freiarbeitshefte –, gewann dann Kolleginnen als Autorinnen und übernahm die Redaktion der Materialien. "Inzwischen hat die Lernbiene fünf festangestellte Mitarbeiter, darunter einen festangestellten Redakteur. Dazu arbeiten wir mit zwei freien Redakteurinnen und einem Netzwerk aus 40 bis 50 aktiven Lehrerinnen als Autorinnen. Hinzu kommen freiberufliche Grafiker, Illustratoren und Korrektoren. Mein Mann arbeitet auch schon länger hauptberuflich in unserem Unternehmen."
Heute sitzt der Verlag in Murnau am Staffelsee, die Mitarbeiter sind dezentral über das gesamte Bundesgebiet verteilt. Regelmäßig kommen die Verlagsmitarbeiter auf der Didacta oder in Murnau zusammen, um sich auszutauschen und neue Programmprojekte zu entwickeln. Mit einem eigenen Stand war der Lernbiene Verlag erstmals 2011 auf der Didacta vertreten, seit 2013 ist er Mitglied des Börsenvereins und 2016 trat er dem Verband Bildungsmedien bei. Die Auslieferung der Titel liegt bei der LKG, das gesamte Verlagssortiment ist bei den führenden Barsortimenten gelistet, die auch Amazon, den mit Abstand größten Verkaufskanal bedienen, daraus macht Thomas Kaminsky kein Geheimnis: "Es gibt aber auch eine Reihe engagierter Buchhändler mit pädagogischem Schwerpunkt, die die Lernwerkstätten und Kopiervorlagen des Verlags im eigenen Laden führen."

Zielgruppe des Lernbiene-Programms sind Lehrkräfte an Grundschulen. "Wir bedienen alle Grundschulfächer, besonders gut sind wir bei Sachunterricht, Mathematik und Deutsch aufgestellt", sagt Bianca Kaminsky. Ein wachsendes Interesse beobachtet die Verlegerin auch im Fach Religion.

Selbstbestimmtes Lernen fördern

"Am beliebtesten sind unsere Lernwerkstätten", sagt Bianca Kaminsky. Sie fördern das selbstbestimmte Lernen der Kinder und werden als Arbeitsblätter in Schnellheftern angeboten. Lehrer können sie als Kopiervorlage benutzen und die kopierten Blätter an die Klasse verteilen. Alle Inhalte gibt es auch als PDF und als editierbare Word-Datei auf einer CD-ROM, die separat oder optional zusammen mit dem gedruckten Buch erworben werden kann. Die Vorlagen im Word-Format bieten dem Lehrer die Möglichkeit, selbst Inhalte zu bearbeiten und beispielsweise an unterschiedliche Leistungsniveaus in einer Klasse anzupassen.

Das Medium CD-ROM hat allerdings keine Zukunft mehr: "Wir lassen es in absehbarer Zeit auslaufen, unter anderem, weil die meisten modernen Computer nicht mehr über entsprechende Laufwerke verfügen", sagt Thomas Kaminsky. Seit Jahren bietet der Lernbiene Verlag die Inhalte daher auch zum Download an. Die Lehrer können die heruntergeladenen Titel in einem virtuellen Bücherregal selbst verwalten und dauerhaft auch offline nutzen. Da viele Schulen Materialien für gesamte Kollegien bestellen, ist der Lernbiene Verlag inzwischen dazu übergegangen, neben Einzellizenzen auch Schullizenzen anzubieten, die über Schulserver abgerufen werden können – so lässt sich dem Problem des unerlaubten Kopierens vorbeugen.

Die Inhalte der Lernwerkstätten in digitale Anwendungen umzuwandeln, hat für Bianca Kaminsky keine Priorität: "Solange wir von unseren Kunden, den Lehrern und Lehrerinnen aus den Grundschulen, die Rückmeldung bekommen: ‚Unsere Kinder können sich nicht konzentrieren, sie haben Probleme mit dem Erwerb der Schriftsprache‘, sind andere Dinge wichtiger als die Digitalisierung der Inhalte für diese Altersgruppe. Man muss Kindern erklären, wann die Nutzung eines Smartphones sinnvoll ist, und wann es sinnvoll ist, sich hinzusetzen und einen Text zu lesen und verstehen. Die Didaktik hat eindeutig Vorrang."