Salah Naoura über den Jugendliteraturpreis

Mehr tun für deutschsprachige Kinderliteratur

6. Juli 2016
von Börsenblatt
Für die Leseförderung sind deutschsprachige Autoren unerlässlich, findet der Berliner Übersetzer und Kinderbuchautor Salah Naoura ("Matti und Sami und die größten Fehler des Universums", Beltz & Gelberg).  Naoura nimmt Stellung zum Sonderpreis für "Neue Talente", den das Bundesjugendministerium ab 2017 ausschreibt.

"Der Deutsche Jugendliteraturpreis lobt ab 2017 einen Sonderpreis für Erstveröffentlichungen neuer Talente aus – das verwundert. Denn Autorenförderung gehöre nicht zu den Zielsetzungen dieses Preises, haben die Stifter und Ausrichter des Deutschen Jugendliteraturpreises immer wieder betont, im Vordergrund stünden die Interessen von Kindern und Jugendlichen.

In der Tat: Als Teil der kulturellen Bildungsmaßnahmen des Kinder- und Jugendplans, der diesen Preis finanziert, ist er der Leseförderung und Integration verpflichtet. Kindern soll die Freude am Lesen (und Selberschreiben) vermittelt, Chancen junger Menschen mit Migrationshintergrund sollen verbessert werden. Was wir daher brauchen, ist ein Instrumentarium, den jeweils aktuellen Stand deutschsprachiger Kinder- und Jugendliteratur stärker in den Fokus zu rücken, denn deutschsprachige Autoren und Illustratoren sind es, die durch Lesungen und Schreibworkshops genau das einlösen, was die Richtlinien des Deutschen Jugendliteraturpreises fordern.

Der neue Sonderpreis sei auch als eine Antwort zu verstehen, heißt es. Aha. Worauf denn? 2013 wurde dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend als Preisstifter in einem offenen Brief der konkrete Vorschlag unterbreitet, deutschsprachige und übersetzte Titel künftig in getrennten Sparten zu nominieren und auszuzeichnen, um deutschsprachige Kinder- und Jugendliteratur, ihre neuesten Strömungen und Tendenzen, im In- und Ausland deutlicher herauszustellen. Unterschrieben von mehr als 500 Autoren - darunter so renommierte wie Paul Maar und Klaus Kordon – und Illustratoren, sogar zahlreiche Preisträger gehörten zu den Unterzeichnern.

Der Deutsche Jugendliteraturpreis hat eine lange Tradition und war immer auch ein internationaler Preis. Was aber spricht gegen ein Nebeneinander deutschsprachiger und übersetzter Werke? Für eine Trennung in jeweils eigene Sparten gibt es gute Gründe – auch solche, die den Stiftern und Ausrichtern des Deutschen Jugendliteraturpreises selbst am Herzen liegen sollten. Unverständlich also, dass dieser Vorschlag bislang schlicht ignoriert wurde. Es reicht heute nicht mehr, Empfehlungslisten als Orientierungshilfe zu veröffentlichen. Kinder brauchen die direkte Ansprache - für viele ist es inzwischen leider Neuland, einer Geschichte zu lauschen. Wer also Leseförderung im Sinn hat, sollte den Blick auf die Werke deutschsprachiger Kinderbuchschaffender schärfen."