Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein UrhWissG

Börsenverein mahnt überzeugendere Lösung an

27. Februar 2017
von Börsenblatt
Der Börsenverein hat jetzt seine Stellungnahme zum Referentenentwurf des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes vorgelegt – und macht deutlich, dass er eine massive Ausweitung von Urheberrechtsschranken ohne Kompensation verfassungsrechtlich für bedenklich hält.

In dem Papier heißt es, der Börsenverein habe die Hoffnung gehabt, dass das Justizministerium (BMJV) einen "modernen, innovativen und nachhaltigen Lösungsvorschlag für einen zeitgemäßen Umgang mit Bildungs- und Wissenschaftsmedien" vorlegen würde. Stattdessen entziehe der Entwurf "jeglichem nachhaltigen und zukunftsgerichteten Wirken von Urhebern und Verlagen für dieses Ziel die Grundlage". Der vorliegende Entwurf sollte zugunsten überzeugenderer Konzepte aufgegeben werden, empfiehlt der Börsenverein und nennt als Beispiel die Untersuchung des Kieler Ordinarius' Haimo Schack ("Urheberrechtliche Schranken für Bildung und Wissenschaft").

Das in vier Teile gegliederte Papier spielt zunächst an einem Beispielsfall die Auswirkungen des Entwurfs zum Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz (UrhWissG) durch: Würden die vorgeschlagenen Regelungen, die im Rahmen der Hochschullehre eine Intranet-Nutzung von Werken bis zu 25 Prozent gestatten und zudem eine Kopie bzw. Speicherung im Anschluss erlauben , umgesetzt, erhielte ein Verlag, der etwa der Fernhochschule Hagen ein Lehrwerk zur Verfügung stellt, trotz extensiver Nutzung keine Vergütung für die Vervielfältigungen. Die Autoren erhielten über die VG Wort eine Vergütung in Höhe eines niedrigen zweistelligen Eurobetrags. Einen Lizenzvorrang von Verlagsangeboten, wie diesen der Bundesgerichtshof bisher in seiner Rechtsprechung eingeräumt hat, schafft der Referentenentwurf nach Ansicht des Börsenvereins ab.

Im zweiten Teil der Stellungnahme kritisiert der Verband unter anderem, dass die geplanten Regelungen wissenschaftliche Autoren zu Urhebern zweiter Klasse stempeln. Die Motivation von Lehrbuchverfassern, "ihre wissenschaftlichen und didaktischen Fähigkeiten in hochwertige Ausbildungsliteratur zu investieren", werde "absehbar deutlich sinken". Bei Umsetzung des Referentenentwurfs würde die "Vielfalt an hochwertiger und optimal zugänglicher Lehr- und Wissenschaftsliteratur" in "absehbarer Zeit vom Markt verschwinden". Es sei daher geboten, wie für Schulbücher auch für Lehrbücher eine Bereichsausnahme für die Schrankenregelung festzulegen.

Verfassungsrechtlich bedenklich sei, so der Börsenverein, dass der Referentenentwurf einen massiven "gesetzlichen Eingriff in Eigentumsrechte und Primärmärkte" vorsieht, ohne dass ein Ausgleichsanspruch zugunsten der Betroffenen gewährleistet sei. Dieser könne aber erst vorliegen, wenn der europäische Gesetzgeber die Urheberrechtslinie in diesem Sinne korrigiert hat. Für verfehlt hält es der Verband, dass Schrankennutzungen Vorrang vor angemessenen Lizenzangeboten der Verlage eingeräumt werde.

Im dritten Teil kommentiert die Stellungnahme einzelne Vorschriften des Entwurfs, darunter auch die geplante Regelung zum Text und Data Mining. Teil 4 der Stellungnahme geht auf die Bitte des Justizministeriums ein, sich zur Frage des E-Book-Verleihs durch Bibliotheken zu äußern. Der Börsenverein vertritt die Auffassung, dass die Ausleihe elektronischer Bücher nicht mit dem Verleih gedruckter Bücher bzw. physischer Werkstücke vergleichbar sei. Der Abschluss von Ausleih-Lizenzen sei dem Verleih im Rahmen der Bibliotheksschranke (und der pauschalen Vergütung über die Bibliothekstantieme) eindeutig vorzuziehen. Dies sei etwa auch bei den fast 3.000 kommunalen Bibliotheken der Fall, die über eine Lizenzlösung an die sogenannte "Onleihe" angeschlossen sind. Der Gesetzgeber solle deshalb davon absehen, eine Änderung des Urheberrechtsgesetzes im Sinne einer Gleichstellung von digitaler und physischer Ausleihe vorzunehmen.

Die Stellungnahme des Börsenvereins ist auch auf der Website des Bundesjustizministeriums nachzulesen –  neben Stellungnahmen 92 weiterer Verbände, Institutionen, Unternehmen, Verlage und Verleger.