Umfrage unter Lektoren (1)

Der erste Satz

9. Juni 2017
von Börsenblatt
Ein Versprechen, verführerisch, wie ein Enterhaken: Wie muss der erste Satz eines Romans sein? Wir haben bei Lektoren nachgefragt - und präsentieren Ihnen bis zum Erscheinen des Börsenblatt Spezials Belletristik am 14. Juni jeden Tag drei Antworten. Heute: Jo Lendle, Raimund Fellinger und Nikola Richter.

 

Jo Lendle, Hanser Verleger:

Was wünschenswert ist: Ein erster Satz von solcher Wucht, dass man den Rest des Buches braucht, um sich davon zu erholen. Das ist das Ideal. Im Extremfall bildet ein ganzes Buch nur das Gefäß für solch einen einzelnen gelungenen Solitär. Die Alternative ist ein Anfang, der auftritt, als könnte er keiner Fliege etwas zuleide tun, um uns in Sicherheit zu wiegen. Und der weitere Verlauf strafte diese Unschuld Lügen. (Hörbeispiel 1 wäre stets Anna Karenina oder Blochs Freiheit und Ordnung. Hörbeispiel 2: Ulysses.)

Raimund Fellinger, Cheflektor Suhrkamp:

In den 1970er Jahren entstanden zahlreiche Arbeiten an Universitäten zu diesem Thema. Die ersten Sätze werden oft gestriegelt, von den Verlagen und von den Autoren.

Nikola Richter, Verlagsleiterin mikrotext:

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Das 114 Seiten starke Spezial Belletristik erscheint am 14. Juni mit einem Porträt des Diogenes-Verlegers Philipp Keel, einem Überblick über neue Gegenwartsliteratur aus der Schweiz, den neuesten Trends in der Covergestaltung und vielen anderen Themen.