Wirtschaftspressekonferenz des Börsenvereins

"Verschwinden inhabergeführte Geschäfte, verlieren die Innenstädte"

8. Juni 2017
von Börsenblatt
Die Buchbranche konnte 2016 leicht zulegen – trotz sinkender Käuferzahlen. Bei seiner Wirtschaftspressekonferenz forderte der Börsenverein heute Gemeinden und Städte dazu auf, den Blick wieder stärken auf ihre Zentren zu richten. "Wir brauchen wirksame Konzepte für eine attraktive Einkaufslandschaft", so Vorsteher Heinrich Riethmüller. 

"Die Branche garantiert Meinungsvielfalt und eine lebendige Kulturlandschaft"

Die Buchbranche hat das Jahr 2016 mit einem leichten Plus abgeschlossen: Nach Angaben des Börsenvereins setzten Buchhandlungen und Verlage im vergangenen Jahr insgesamt 9,28 Milliarden Euro um – ein Prozent mehr als im Jahr zuvor. "Trotz großer Veränderungen in der Medienlandschaft zeigt sich der Buchmarkt stabil und innovationsfreudig", so Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis heute anlässlich der Wirtschaftspressekonferenz in Frankfurt. "Buchhandlungen und Verlage in Deutschland meistern den digitalen Wandel sehr erfolgreich." Sie garantierten weiterhin Meinungsvielfalt und eine lebendige Kulturlandschaft in Deutschland.

"Verschwinden inhabergeführte Geschäfte, verlieren die Innenstädte"

Der Zuwachs verdeckt die Probleme aber allenfalls kurzzeitig. Schwierig wird die Situation für Buchhandlungen und Verlage vor allem dadurch, dass die Zahl der Käufer sinkt – Vielkäufer spielen am Markt eine immer größere Rolle. Den Rückgang der Kundenfrequenz im Einzelhandel beobachte der Börsenverein mit Sorge, sagte Skipis. "Mit dem zunehmenden Verschwinden inhabergeführter Geschäfte hat die Attraktivität vieler Innenstädte abgenommen. Das hat nun auch Auswirkungen auf den Buchhandel."

Buchhandlungen reagieren darauf auf unterschiedliche Weise – immer jedoch mit Blick auf ihre Kunden. Börsenvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller (Osiander) erklärte, dass viele Buchhandlungen ihren Service perfektionierten und noch stärker als bisher auf Kundenkontakt und Beratung setzten: "Mit ihrer Multi-Channel-Strategie können Buchhandlungen dem Kunden heute alle Vorzüge des Einkaufs vor Ort und des Online-Shoppings aus einer Hand bieten." 

Damit zu punkten, fällt ihnen jedoch zunehmend schwerer, aufgrund der Frequenzverluste. Dem Börsenverein zufolge liegt der Umsatz im Sortimentsbuchhandel 2017 nach den ersten fünf Monaten 1,6 Prozent unter Vorjahr, der Gesamtmarkt bewegt sich mit einem Minus von 0,3 Prozent auf etwa stabilem Niveau. Riethmüller zufolge lässt die Entwicklung nur umkehren, wenn auch die Kommunen stärker mithelfen. "Um das Einkaufen in den Innenstädten insgesamt attraktiver zu machen, sind besonders die Städte und Gemeinden gefragt", betonte er. "Wir brauchen wirksame Konzepte für eine attraktive Einkaufslandschaft und einen ausgewogenen Geschäfte-Mix, um lebendige Innenstädte zu erhalten oder Einkaufsorte wieder neu zu beleben."

Hürden für Verlage: VG Wort-Urteil, Reform des Urheberrechts 

Dass Verlage unter Druck stehen, hat zudem rechtliche Ursachen. Noch geschwächt durch die Rückzahlungen an die VG Wort, die Verlage aufgrund eines Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) in diesem Jahr leisten müssten, erwarte gerade kleine und mittlere Häuser jetzt bereits die nächste Hiobsbotschaft, so Alexander Skipis. Wenige Wochen vor Ende der Legislaturperiode wolle die Bundesregierung noch das sogenannte Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz durch den Bundestag bringen – ein Fehler, wie Skipis noch einmal betonte. Seine Argumente: 

  • In der geplanten Form wäre das Gesetz Skipis zufolge "ein schwerer Schlag für den Bildungsstandort Deutschland"; um weiterhin vielfältige und qualitativ hochwertige Bücher und Medien auf den Markt bringen zu können, müssten Verlage für ihre Leistungen marktgerecht und fair vergütet werden
  • Das Gesetz indessen würde Verlage "faktisch enteignen". Ihre Lehrbücher und andere wissenschaftliche Publikationen dürften zu großen Teilen kostenlos digital verbreitet und ausgedruckt werden. "Auf die Vergütung über Verwertungsgesellschaften, die das Gesetz vorsieht, haben Verlage aufgrund des VG-Wort-Urteils momentan gar keinen Rechtsanspruch."
  • Nach Ansicht des Börsenvereins verstößt das Gesetz auch gegen die Verfassung. Skipis: "Eine angemessene Vergütung können Verlage nur über Lizenzverträge erhalten." 

Vertriebswege: Das Internet bleibt der Gewinner 

Der Wandel, der die Buchbranche nach wie vor umtreibt, hat unmittelbaren Einfluss auf die Vertriebswege – das war schon in den vergangenen Jahren so und zeigt sich, wie erwartet, nun erneut. Für 2016 ergibt sich folgendes Bild, basierend auf Schätzungen des Börsenvereins (siehe Grafik oben):   

Sortiment. Der größte Vertriebsweg bleibt der stationäre Buchhandel. 2016 setzten die Unternehmen in ihren Läden 4,39 Milliarden Euro um, 0,8 Prozent weniger als 2015. Der Anteil am Gesamtmarkt reduzierte sich im Jahresvergleich von 48,2 Prozent auf 47,3 Prozent. 

Internetbuchhandel. Hierzu zählt der Börsenverein auch das Online-Geschäft der stationären Händler. Unterm Strich wurden übers Web im vergangenen Jahr Bücher im Wert von 1,69 Milliarden Euro verkauft – der Umsatzanstieg lag bei 5,4 Prozent. Entsprechend wuchs auch der Anteil am Gesamtmarkt: von 17,4 Prozent (2015) auf 18,2 Prozent.

Versandbuchhandel. Im klassischen Versandbuchhandel (Katalog, Mailing, Telefon) zeigt die Umsatznadel nach mehreren Verlustjahren wieder nach oben – die Einnahmen erhöhten sich 2016 um 37,5 Prozent auf 162 Millionen Euro (Anteil am Gesamtmarkt: 1,7 Prozent). 

Warenhäuser. Auch für die Buchabteilungen der Warenhäuser (Karstadt, Kaufhof etc.) läuft es offenbar wieder besser; hier stiegen die Umsätze um 16,3 Prozent auf 131 Millionen Euro (Marktanteil: 1,4 Prozent). 

Verlage direkt. Das Direktgeschäft mit Unternehmen, staatlichen Institutionen und Endkunden wächst zwar – große Sprünge machen Verlage hier aber wohl eher nicht: 2016 erwirtschafteten sie über diesen Weg laut Börsenvereinsstatistik 1,94 Milliarden Euro, und damit 1,2 Prozent mehr als im Vorjahr – der Kanal bleibt mit einem Marktanteil von 20,9 Prozent stabil. 

Publikumsmarkt: Absatz, Preise und Umsatz im Plus, Käuferzahlen im Minus

30,8 Millionen Deutsche haben im vergangenen Jahr für private Zwecke (ohne Schul- und Fachbücher) mindestens ein Buch gekauft – deutlich weniger als im Vorjahr. 2015 kamen noch 33,1 Millionen in die Läden (Vergleich: minus 6,9 Prozent /2,3 Millionen).

Auf den Gesamtumsatz wirkt sich dieser Rückgang deshalb noch nicht aus, weil zugleich die Kaufintensität gestiegen ist. Das ist die Kehrseite der Medaille: Wer Bücher kauft, kauft mehr – und gibt dann auch mehr aus. Im Detail, bezogen auf den Publikumsmarkt: 

  • Übers Jahr 2016 erwarben Kunden laut Börsenverein durchschnittlich 12,2 Bücher (2015: durchschnittlich 11,5). 
  • Der durchschnittlich von ihnen pro Buch bezahlte Preis stieg um 2,6 Prozent (von 10,70 Euro auf 10,98 Euro).
  • Die Ausgaben für Bücher pro Käufer am Publikumsbuchmarkt erhöhten sich von 122,78 Euro auf 134,29 Euro zu (plus 9,4 Prozent).

Warengruppen: Ein Hoch aufs Kinder- und Jugendbuch

Hin und her, vor und zurück: Wie unterschiedlich die Bewegungen sein können, die den Markt ausmachen, ergibt ein Blick auf die einzelnen Warengruppen. Der Börsenvereinsstatistik zufolge lief es 2016 besonders für Kinder- und Jugendbücher gut – vor allem aber wohl aufgrund des Pottereffekts (siehe Archiv: Jahresbestseller: Rowling, Fitzek, Rowling). Verluste ergaben sich für Fachbücher und das Sachbuch – und auch für die größte Warengruppe am Markt: die Belletristik (siehe Grafik).

Digitale Bücher: Wachstumskurve flacht weiter ab     

E-Books haben sich aus Sicht des Börsenvereins bei Lesern etabliert – insgesamt betrachtet, gewinnen digitale Bücher im Publikumsmarkt (auch hier: ohne Schul- und Fachbücher) aktuell aber kaum noch hinzu: Zwar stiegen 2016 Absatz und Kaufintensität weiter an, beim Marktanteil gab es aber nur einen kleinen Ausschlag nach oben. Die Kennzahlen für den Publikumsmarkt 2016 im Einzelnen:  

  • Der Umsatz mit E-Books legte um 2,6 Prozent zu – dabei fiel der Zuwachs schwächer aus als im Vorjahr (2015: plus 4,7 Prozent, 2014: plus 7,6 Prozent). 
  • Die Zahl der verkauften E-Books erhöhte sich auf 28,1 Millionen – das entspricht einem Plus von 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 
  • Rückwärts geht es indessen bei der Reichweite. Der E-Book-Markt verlor nach Angaben des Börsenvereins 2016 2,2 Prozent seiner Käufer (3,8 Millionen statt 3,9 Millionen/ 2015).
  • Dafür stieg die Kaufintensivität, zumindest leicht: 2016 hat jeder Käufer in Deutschland im Schnitt 7,4 E-Books erworben – 0,4 mehr als im Vorjahr. 
  • Der Markanteil legte von 4,5 Prozent auf 4,6 Prozent zu. 

Matthias Heinrich (Brockhaus Commission), Schatzmeister des Börsenvereins, stellte in Frankfurt die E-Book-Zahlen vor, sehr unaufgeregt. Digitale Bücher blieben für Verlage eine verlässliche Größe und würden sicher noch an Bedeutung gewinnen, meinte er. "Verlage arbeiteten intensiv an neuen digitalen Formaten und nutzerfreundlichen Vertriebsformen."     

Aktuellere Daten zum E-Book-Markt finden Sie im Quartalsbericht des Börsenvereins – in unserem Archiv: Umsatz sinkt um 3 Prozent

Weitere Informationen: Quellen, "Buch und Buchhandel in Zahlen 2017"  

Die Zahlen zu den Anteilen und Umsatzveränderungen der Warengruppen stammen aus dem Handelspanel von Media Control. Das Panel umfasst die Abverkäufe von 4.189 Händlern in den Vertriebswegen Sortimentsbuchhandel, E-Commerce inklusive Amazon, Bahnhofsbuchhandel, Kauf- / Warenhäuser und Nebenmärkte (Elektro- und Drogeriemärkte).

Alle Zahlen und Daten des Buchmarkts werden wie immer zusammengefasst in der Publikation "Buch und Buchhandel in Zahlen 2017", die vom Börsenverein herausgegeben wird. Sie ist ab August im Buchhandel oder bei der MVB erhältlich.

Der Börsenverein bündelt die Wirtschaftszahlen 2016 auf seiner Website, hier: http://www.boersenverein.de/buchmarkt2016