Lektorat

"Autor:innen Mut zusprechen – das kann nur der Mensch!"

12. März 2025
Sabine Cronau

Gute Bücher haben gute Lektor:innen – und für die gibt es eine eigene Interessenvertretung: den Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren, kurz VFLL. Wie hat sich das Berufsbild verändert, nicht zuletzt durch KI? Fragen an die Vorsitzende Claudia Lüdtke.

Claudia Lüdtke

Claudia Lüdtke ist im September 2024 zur neuen Ersten Vorsitzenden des VFLL gewählt worden – und war schon von 2018 bis 2022 im Vorstand. Sie arbeitet seit 20 Jahren als Lektorin. Unter dem Namen "Der springende Punkt" bietet sie von Berlin aus Schulbuch-Redaktion, Sachbuchlektorat und Übersetzung in Einfache Sprache an.

Der VFLL wurde vor 25 Jahren gegründet. Wie haben sich die Themenfelder der freien Lektor:innen und ihrer Berufs­vertretung seitdem verändert?

Claudia Lüdtke: Auch wenn ich nur 20 der 25 Jahre überblicke: Das Berufsbild hat sich sehr gewandelt. Es ist bunter und vielfältiger geworden – was wiederum Auswirkungen auf den Verband hat, der immer größer wird: Im Jahr 2000 sind wir mit 125 Mitgliedern gestartet, heute zählt der VFLL mehr als 1.300 freie Textprofis.
 

Bunter und vielfältiger: Was heißt das im oft grauen Alltagsgeschäft?

Claudia Lüdtke: Neben der klassischen Manuskriptarbeit bieten unsere Mitglieder heute zum Beispiel auch Bildredaktion, Sensitivity Reading und die Formulierung in Einfacher Sprache an. Auch die Digitalisierung hat die Arbeit komplett verändert. Wir mussten uns dadurch weiter professionalisieren, als Berufsstand wie als Verband. So ist die VFLL-­Akademie entstanden, die Weiter­bildung für Lektor:innen anbietet, und ebenso das Lektoratsverzeichnis lektor-in-finden.de. Was sich nicht verändert hat, sind unsere grundlegenden Ziele. Der VFLL vertritt die Interessen der Freien und unterstützt sie in sozialen und wirtschaftlichen Belangen, etwa durch juristische Erstberatung. Dafür haben wir uns gegründet und dafür setzen wir uns auch weiterhin ein. 

Von 2018 bis 2022 haben Sie bereits dem VFLL-Vorstand angehört, im Herbst 2024 wurden Sie nun zur Ersten ­Vorsitzenden gewählt. Was steht auf Ihrer Prioritätenliste ganz oben?

Claudia Lüdtke: Ganz oben steht für mich und den gesamten neuen Vorstand: mehr Sichtbarkeit fürs ­Lektorat – durch intensivere Lobbyarbeit zu wirtschaftlichen Fragen und durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit. Außerdem wollen wir unsere Kooperationen mit anderen Verbänden ausbauen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Verbandsarbeit selbst. Wir möchten mehr Mitglieder zum Mitmachen aktivieren, unsere Entscheidungsprozesse vereinfachen und transparenter machen. 

Stichwort "Mehr Sichtbarkeit fürs Lektorat": Sie haben vor einigen Jahren eine Kampagne dafür gestartet, dass freie Lektor:innen auch im Impressum der Bücher genannt werden sollten. Trägt das Früchte?

Claudia Lüdtke: Ja, viele Verlage führen Lektor:innen mittlerweile im Impressum auf, aber es kommt auch immer mal vor, dass der Name fehlt. Deshalb machen wir auch immer wieder darauf aufmerksam.

Laut Mitgliederumfrage von 2021 sind Verlage die wichtigsten Auftraggeber. Aber Selfpublishing folgte schon damals auf Platz 2.

Claudia Lüdtke, Erste Vorsitzende des Verbands der Freien Lektorinnen und Lektoren

Verlage oder Selfpublishing: Wer sind heute die wichtigsten Auftraggeber?

Laut unserer jüngsten Mitgliederumfrage von 2021 stehen Verlage auf Platz 1. Das dürfte immer noch so sein – aber Selfpub­lisher:innen folgten schon damals an zweiter Stelle. Danach kommen Unternehmen und Agenturen, viele arbeiten auch für Hochschulen, Stiftungen, Vereine und Verbände.

Selfpublisher:innen haben oft noch nicht den Blick für die Besonderheiten der Branche. Macht das die Lektoratsarbeit kleinteiliger und individueller?

Claudia Lüdtke: Bei Newcomern gibt es natürlich viel mehr Erklärungsbedarf. Da müssen wir erst mal deutlich machen, dass Lektorat mehr ist als Rechtschreibung und Grammatik, und etwa auch die Entwicklung von Plots und Figuren umfasst. Mit erfahrenen Selfpublisher:innen verläuft die Zusammenarbeit dagegen ähnlich professionell wie mit Verlagen. Selfpublishing- und Verlagsszene lassen sich heute auch nicht mehr so klar trennen. Viele Autor:innen sind zweigleisig unterwegs. 

Was ist aktuell die größte Heraus­forderung für das Lektorat?

Claudia Lüdtke: Neben der fairen Bezahlung von Lektor:innen inzwischen auch künstliche Intelligenz. Unsere VFLL-Akademie hat dazu schnell ein breites Fortbildungsangebot auf die Beine gestellt. Uns als VFLL sind beim KI-Einsatz Ethik und Verantwortung wichtig. Die Leistung der Kreativen muss geschätzt und geschützt werden. Da erklären wir uns mit Autor:innen, Übersetzer:innen und Illustrator:innen solidarisch.

KI greift allerdings auch tief in Ihre eigene Arbeitswelt ein …

Claudia Lüdtke: Ja, deshalb müssen auch wir noch stärker als bisher den Wert unserer Arbeit deutlich machen. Der professionelle menschliche Blick ist für eine gute Textarbeit nach wie vor erforderlich. Denn KI kann eben nicht alles, was Menschen können – etwa komplizierte Kausalzusammenhänge erkennen, zwischen den Zeilen lesen und nicht zuletzt: Autor:innen Mut zusprechen. 

Wie feiern Sie den Geburtstag? Kostenlose KI-Seminare für alle?

Claudia Lüdtke: (lacht) Nein, das nicht, aber es gibt andere Aktionen. So sind wir mit einem Luftballonregen auf der Website ins Jubiläumsjahr gestartet. Und auf den Buchmessen zeigt sich unser Stand im Jubiläumsgewand. Die große Party steigt erst 2026, wenn unsere Fachtagung Freies Lektorat im Zwei-Jahres-­Rhythmus wieder in Präsenz stattfindet.

Ihr Geburtstagswunsch an die Verlage?

Claudia Lüdtke: Ganz einfach: Schauen Sie in Leipzig an unserem Stand vorbei, kommen Sie mit uns ins Gespräch, feiern Sie mit! 

VERBAND DER FREIEN LEKTORINNEN UND LEKTOREN

Der Verband, im Jahr 2000 gegründet, hat rund 1.300 Mitglieder.

Controlling, Gendern, KI-Einsatz: Die VFLL-Akademie sorgt für die Weiterbildung freier Textprofis.

Auf der Leipziger Buchmesse ist der VFLL in Halle 5, Stand G311 zu finden – im Jubiläumsgewand!

Mehr online unter www.vfll.de, Lektor:innen suchen und finden unter www.lektor-in-finden.de