"Vor dem Hintergrund des OVG-Beschlusses stellt sich die Frage neu, wie Bibliotheken auf Grundlage ihres Bildungsauftrags mit umstrittenen Werken umgehen sollen", sagt Antje Theise, Bundesvorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. (dbv), in einer Mitteilung zur Stellungnahme und führt weiter aus: "Bibliotheken stellen nicht nur passiv Informationen bereit, sondern tragen dazu bei, Orientierung im oft unübersichtlichen Medienangebot unserer Zeit zu ermöglichen, Fakten einzuordnen und Desinformation zu erkennen. Dafür braucht es ein klares Mandat im Rahmen von Landesbibliotheksgesetzen. Wir fordern daher die Bundesländer auf, die Förderung von Medien- und Informationskompetenz, die Kontextualisierung strittiger Inhalte und den Umgang mit Desinformation durch Bibliotheken rechtlich eindeutig und belastbar abzusichern."
Mit seiner Stellungnahme reagiert der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 8. Juli 2025 zu Warnhinweisen der Stadtbücherei Münster in umstrittenen Büchern.
Um in ihrem Bestand den Pluralismus an Meinungen und Positionen abzubilden, hatte die Stadtbücherei sich entschieden, auch Sachbuchtitel aufzunehmen, deren Faktengrundlage als fragwürdig gilt, so der dbv. Um die Leser:innen für die Inhalte zu sensibilisieren, hatte man zwei Bücher mit Einordnungshinweisen versehen: "Dies ist ein Werk mit umstrittenem Inhalt. Dieses Exemplar wird aufgrund der Zensur-, Meinungs- und Informationsfreiheit zur Verfügung gestellt." Betroffen waren das Buch "Putin, Herr des Geschehens?" (Westend) von Jacques Baud, das sich mit dem Ukraine-Krieg befasst, sowie "2024 – das andere Jahrbuch: verheimlicht, vertuscht, vergessen. Was 2023 nicht in der Zeitung stand" (Kopp Verlag) von Gerhard Wisnewski. Das hatte etwa die Fachstelle Öffentliche Bibliotheken NRW mittgeteilt.
Gerhard Wisnewski hatte dagegen geklagt und zunächst in erster Instanz verloren. Das OVG gab ihm nun Recht und untersagte Bibliotheken in NRW solche Warnhinweise. Der Einordnungshinweis verletze die Grundrechte des Autors auf Meinungsfreiheit und in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Stadtbücherei Münster hatte daraufhin angekündigt, die Aufkleber aus den Büchern zu entfernen. Der Beschluss ist unanfechtbar.
Das OVG hätte seinen Beschluss unter anderem damit begründet, so der dbv weiter, dass sich aus den Bildungsaufgaben von Bibliotheken keine Befugnis zur negativen Bewertung von Medien im Bestand der Bibliothek in Form eines Einordnungshinweises ergebe. Im Buch enthaltene Meinungen würden durch den Hinweis negativ konnotiert und ein potentieller Leser könnte von der Lektüre abgehalten werden. Diese Grundrechtseingriffe seien nicht von der Aufgabenzuweisung im Kulturgesetzbuch NRW gedeckt. Der Fokus der gesetzlichen Regelungen liege darauf, den Nutzerinnen und Nutzern der Bibliothek eine selbstbestimmte und ungehinderte Information zu ermöglichen, um sich – ohne insoweit gelenkt zu werden – dadurch eine eigene Meinung zu bilden.
Für den dbv ist das nicht nachvollziehbar: Ein solches Verständnis stelle nicht nur einen deutlichen Rückschritt für die Entwicklung rechtlicher Rahmenbedingungen für Bibliotheken als Bildungsorte dar, sondern stehe in klarem Widerspruch zu ihrem gesellschaftlichen Auftrag.
Im Einklang mit den Grundrechten bestehe die herausgehobene Funktion von Bibliotheken in ihrer Ermöglichung von Meinungsbildung und Meinungsvielfalt. Gleichzeitig wachse die Herausforderung für Bürger:innen allen Alters, mit Falschinformationen im Netz und in Publikationen umzugehen sowie Desinformationsversuche erkennen zu können. Hier würden Bibliotheken eine zentrale Rolle spielen: Die Kontextualisierung von Positionen und Meinungen und vermehrte Angebote zum Erwerb von Informations- und Medienkompetenz seien Antworten von Bibliotheken auf diese Herausforderungen.
Ohne Kontext kann man das Urteil nicht einordnen, keine Meinung dazu bilden und auch nicht bewerten, ob die Entscheidung nachvollziehbar ist. Der Artikel verfehlt damit seinen Informationszweck.
Wenn es wirklich um Aufklärung über Medienkompetenz und Einordnung geht, wäre Transparenz über die beanstandeten Inhalte das Mindeste.