Preisverleihung Alfred-Kerr-Preis

Das heitere Selbstbewusstsein des Gedankenspiels

27. April 2023
von Petra Gass

„Die alte Vettel Paranoia verkuppelt bekanntlich alles mit allem.“, „Der anspruchsvolle Menschenfeind hat es nicht leicht."„Ein Diener ist ein Herr ist ein Diener ist ein Herr. Manchmal zumindest.“ Oder: „Tote Wellensittiche kann man nicht umtauschen.“ Das sind Zitate aus dem literaturkritischem Werk Jutta Persons.

Jutta Person

Wenn Ihnen diese Sätze gefallen, Sie neugierig machen auf die Literaturkritikerin, die mit solchen Aufschlägen ihre Rezensionen beginnt, dann lesen Sie Lothar Müllers Laudatio auf Jutta Person, die im Rahmen der Leipziger Buchmesse mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet wurde.

„Jutta Person hat Witz. Witz haben ist nicht dasselbe wie einen Witz machen, schon gar nicht dasselbe wie witzeln.“, so Müller. Nun gehört es zu den schwierigsten Übungen, einen Witz zu erklären, doch Lothar Müller gelingt es, das „heitere Selbstbewusstsein des Gedankenspiels“ so zu vermitteln, dass man Persons Rezensionen sofort dringend lesen möchte. So viel wache Urteilskraft, „Esprit und Lässigkeit“ darf auch im Umgang mit großer Literatur sein. Dennoch sei Person „keine Kunstrichterin, die ex cathedra urteilt. Eine ihrer Spezialitäten ist das gemischte Fazit.“

Müllers Laudatio verfolgten zahlreiche Gäste (inklusive etlicher Preisträger:innen früherer Jahre), und da die bereitgestellten Bänke rasch besetzt waren und Stehplätze ohne Sichtbehinderung rar, nahm der ein oder andere Verleger einfach auf dem Teppich Platz. So viel Lässigkeit darf auch bei einer Preisverleihung sein.

Jutta Person machte sich in ihrer Dankesrede auf „die Spur der Sogwirkung, die Literatur, oder genauer: erzählende Prosa, im besten Fall hat. Warum zünden kleinste Formen, und was führt dazu, dass der Funke überspringt? Kann man sie mit den „luminous details“ in Verbindung bringen, den leuchtenden Details im Text, denen der Dichter Ezra Pound eine blitzartige Bewusstseinserweiterung zugeschrieben hat?“ Und für diese Details führt Person viele Beispiel an, von Alfred Kerrs Plauderbriefen, wo „das Wie viel entscheidender ist als das Was. Egal, ob es um Hutmoden, das Wetter oder den (ebenfalls herzlich verachteten) Futurismus geht: die pure Sprachlust zählt.“. In moderner Literatur von Marion Poschmann (da ist es ein ein Erlkönig-Jäger) und Clemens J. Setz (da haben Radieschen „rattenschwanzartige Zündschnüre") findet Person eine Charakteristik, in der sich etwas Faszinierendes verändert: „Von den Eigentümlichkeiten zum Eigenleben: etwas hat sich verselbständigt in der Moderne, seither zirkulieren Dämonen und Geister im Text, die etwas Drittes entstehen lassen.“ Die Dankesrede erzählt von der Faszination der Literatur, dem ersten Antrieb für Literaturkritik. Auch diese Rede können Sie im Original nachlesen.