Die Umfrage fand unter über 2.000 Kund:innen von momox fashion und medimops statt. Second Hand sei kein Nischenthema mehr, so momox in einer Mitteilung, sondern angekommen mitten im Fest: 50 % der momox fashion Kund:innen und sogar 69 % der medimops Kund:innen hätten bereits gebrauchte Produkte verschenkt. Und der Trend zeige weiter nach oben: 65 % derjenigen, die bisher noch nie Second Hand verschenkt haben, können sich vorstellen, das künftig zu tun. Was halte manche dennoch zurück? Vor allem die Sorge, dass "gebraucht" nicht gut ankommt, oder die Annahme, es sei "nicht angebracht".
Bei momox fashion Kund:innen stünden Pullover (72 %), Jacken (42 %) und Shirts (39 %) ganz oben auf der Geschenkeliste, genauso wie Schals (70 %), Taschen ( 69 %) und Portemonnaies (41 %). Schuhe seien aber ein No-Go unter dem Weihnachtsbaum. Bei medimops dominieren die Bücher (85 %) – vor allem Belletristik wie Romane und Krimis, aber auch Sachbücher & Biografien und Kinder- und Jugendbücher. Auch CDs und Filme (33 %), Games (15 %) und ein paar Schallplatten (8%) fänden ihren Weg unter den Weihnachtsbaum. Aber nicht nur momox Kategorien, sondern auch Kinderspielzeug, Gesellschaftsspiele und Dekoartikel würden gerne Second Hand verschenkt.
Die Erkenntnis, dass für 88 % der Fashion-Kund:innen der Zustand "neuwertig" entscheidend, während 82 % der medimops Kund:innen auch "sehr gut" als ausreichend‘ anerkennen, ist bei Käufern von Gebrauchtbüchern bei einem Unternehmen, das fast immer den billigsten Preis anbietet, eine Binse. Die Befragung von Kunden, die an ein Unternehmen gebunden sind, ist keine repräsentative Studie. Und eine journalistische Einordnung, was deren tolle Erkenntnisse bezogen auf den Buchmarkt bedeuten und in welcher Weise solche Unternehmen wie momox/ medimops den Markt mit preisgebundenen Büchern konkurrenzieren, fehlt. Schade!
Auch die Erkenntnis, dass mehr als 70 % der Kund:innen Second Hand-Geschenke vor allem aus Nachhaltigkeitsgründen kaufen, was für die einzelnen Produktarten (Fashion, Buch etc.) doch wahrscheinlich sehr sehr unterschiedlich ist, und günstigere Preise nur für 60% der Grund für den Kauf sind, halte ich gelinde gesagt für nicht valide. Wenn Kunden eines Second-Hand-Konzerns nach Nachhaltigkeit gefragt werden, ist dieses natürlich ein tolles Argument ihren Sparbrötchen-Kauf zu rechtfertigen, obwohl es einfach nur um das Schnäppchen ging. Ich denke, dass bei einer seriösen Umfrage in einer repräsentativen Zielgruppe der Preis der Hauptgrund für die Käufe darstellen würde. Aber liebe Sortimenter:innen: Der Preis ist nicht das, was alleine zählt, sondern eher die Sortimentsstruktur und das Einkaufserlebnis. Billige Bücher verkaufen kann jeder! Medimops halt besonders gut. … Bedauerlich, dass sich ein journalistisch geprägtes Organ wie das Börsenblatt quasi zum unkommentierten Verteiler von deren Meldungen und dieses disruptive Unternehmen auch noch adelt. Hier wird ganz klar PR-Arbeit mit der Verbreitung von redaktionellen Inhalten verwechselt. Umso mehr problematisch, da die für den Buchmarkt relevante Befragtengruppe weniger als 30% der Gesamtheit der Befragten beträgt (gerade mal 683 Personen) und Fashion und Bücher in der Befragung gelegentlich auch über einen Kamm geschert werden.
Fazit:
1. Niedriger Erkenntniswert der Studie, 2. die Stichprobe der Befragten ist nicht repräsentativ, d.h. kein verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit aufgrund der geringen Anzahl der Befragten und der Angebundenheit selbiger an das führende Re-Commerce-Unternehmen 3. Vernachlässigung der journalistischen Aufgabe des Einordnens in den Marktkontext durch das Börsenblatt
Ach ja: Dass eine gesamte Branche seelenruhig den Geschäften eines stetig wachsenden Unternehmens zuschaut, ohne für die Brancheninteressen einzustehen, verwundert mich schon seit Jahren. Momox/ medimops haben ein disruptives Geschäftsmodell, das unter dem Deckmäntelchen der Nachhaltigkeit Umsätze zwischen 300 und 400 Millionen jährlich generiert, von denen weder Verlage noch Autoren etwas sehen. Insbesondere die Preispolitik sowohl im Einkauf (manchmal nur Marginalbeträge für Ware, die oft für das 10fache und mehr verkauft wird) wie im Verkauf (Titel, die noch nicht mal drei Monate auf dem Markt sind, werden von medimops auf Amazon-Marketplace oftmals im Zustand „wie neu“ mit enormen Preisabschlägen vermarktet, was einem Unterlaufen der Preisbindung gleichkommt) ist und bleibt ein aggressiver Akt. Es schadet den Sortimentsbuchhändler:innen, die/der Gebrauchtbücher nicht im Online-Sortiment führen kann oder will – nicht zuletzt, um damit seinen Onlinekonkurrenten Amazon nicht zu stärken, dessen Plattform „marketplace“ seinem besten Kunden medimops ihr Zuhause gibt. Nachhaltigkeit ist das eine, aber disruptive Strukturen hinter Studien zu verstecken und durch die Verbreitung von solchen Umfragen den Absendern auch noch den Anschein des „freundlichen Dienstleisters“ für die Branche zu geben, halte ich für mehr als fragwürdig.
Ach ja … Was ich mich immer noch frage ist, warum vom Börsenverein nicht aktiv die Einführung einer Karenzzeit von einem Jahr für den Wiederverkauf von Gebrauchtbüchern aus dem Novitätenbereich angegangen wird? Das wäre ein erstes Signal, das sicherlich die Branche begrüßen und den Buchmarkt vor einem Aushöhlen der Preisbindung schützen würde. Sehen Sie es mir nach, aber ich verstehe nicht, warum die Sortimentsbuchhändler:innen nicht für ihre eigenen Interessen einstehen und Dampf machen.
Urs Erdle (Inhaber der Buchhandlung manulit – Bücher, die verändern in Köln)
Sehen wir den Beitrag mal sportlich als Hinweis darauf, was sich in Sachen Kunden generell so tut! Langendorfs Dienst bombardiert uns ja teils auch mit Meldungen, die nix direkt mit unserer Branche zu tun haben, aber gelegentlich aufhören lassen.
Gegen Unternehmen wie Momox oder Medimops haben wir nichts in der Hand, außer dem Faktum, dass die sehr erfolgreich auf der Verkaufsplattform Amazon verkaufen und uns schon daher sehr unsympathisch sind. Die erwähnte „Karenzzeit“ halte ich für vollkommen illusorisch und juristisch nicht umsetzbar. Wir erleben eben reine Marktwirtschaft – isso!
Für unsere Branche lässt sich aber einiges lernen. Wenn wir uns als Fulfillment-Dienstleister verstehen wollen, dann müssen wir selbst über den Tellerrand schauen...
Wir arbeiten schon seit ewigen Zeiten sehr gut mit der Plattform booklooker zusammen, eine engere Verzahnung mit zum Beispiel Könemann/Libri oder anderen Barsortimenten wäre in dieser Hinsicht der Knaller! Und unsere Bibliographie HEUREKA und die Warenwirtschaft LIBRAS, die können das technisch schon….
Jens Bartsch – Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln