Lesetipp: Offener Brief ans Bundeskartellamt

"Revidieren Sie die Thalia-Osiander-Entscheidung!"

1. Februar 2021
von Börsenblatt

In einem Offenen Brief fordert der Branchenkenner Gerhard Beckmann den Präsidenten des Bundeskartellamts auf, die Genehmigung des Zusammengehens von Thalia / Mayersche und Osiander zu revidieren – aufgrund des novellierten Kartellrechts.

Den Offenen Brief "In Sachen Thalia" an Andreas Mundt, den Präsidenten des Bundeskartellamts, hat Gerhard Beckmann auf "CulturMag" veröffentlicht. Hintergrund: Thalia/Mayersche und Osiander hatten im Oktober die gemeinsame Osiander-Vertriebs-Gesellschaft OVG gegründet.

Einleitend lässt sich Beckmann über die neuen Technologien aus und kommt zu dem Schluss, dass keineswegs so sei, dass die Bedeutung und das Fortbestehen des Mediums Buch durch diese gefährdet wäre.

"Gefährdet könnte es allerdings durch die Buchbranche selbst sein – in der Bundesrepublik insbesondere durch Großfilialunternehmen. In diesem Zusammenhang spielt nun das Urteil eine wichtige Rolle, mit dem Ihre Behörde, sehr geehrter Herr Mundt, im November vergangenen Jahres das Zusammengehen von Thalia und Osiander gebilligt hat."

Die Entscheidung entspreche zwar den Vorschriften des bundesdeutschen Kartellrechts, das im vergangenen Jahr gültig gewesen sei – "aber den  Realitäten nicht mehr gerecht werden kann, die sich im Laufe der letzten anderthalb Jahrzehnte insbesondere für den Agrarmarkt und den Buchmarkt wegen des stetig wachsenden Drucks von expandierenden Großfilialisten wie Aldi, Edeka, Rewe oder Thalia auf landwirtschaftliche Betriebe und Lebensmittelhersteller bzw. Buchverlage entwickelt haben." Keiner von ihnen erreiche die Position einer 30prozentigen Marktbeherrschung, welche die Genehmigung von weiteren Fusionen etc durch das Kartellamt obligatorisch mache. Keiner von ihnen habe unter diesen Umstände bislang bei missbräuchlicher Ausnutzung seiner Einkaufsmacht gegenüber Lieferanten Sanktionen befürchten müssen. 

"Eine Novellierung des Kartellrechts soll dergleichen wettbewerbsverzerrenden Praktiken nun einen Riegel vorschieben. Ich möchte an Sie appellieren, sehr geehrter Herr Mundt, das oben erwähnte Urteil Ihres Amtes gemäß der neuen Richtlinien dieser Novellierung baldmöglichst zu überprüfen und zu korrigieren. Denn, so gewiss Ihre Beamten sich 2020 an die Regeln des derzeit geltenden Kartellrechts auch gehalten haben, eine gründliche Erfassung  des Marktverhaltens der Thalia und seiner Konsequenzen ist meines Erachtens kaum zu erkennen gewesen."

Beckmanns Argumente für eine erneute Überprüfung sind unter anderem:

Mit jedem Übernahme- und Kooperationsschritt erhöhe Thalia automatisch die Einkaufskonditionen für die Verlage, bei denen der Großfilialist Titel einkäufe. Es sei allein die Zunahme an Größe und nicht zusätzliche buchhändlerische Verkaufstätigkeit, die auf Grund der Größe zu erzwungenen höheren Konditionsforderungen führe.       

Von Verlagen, die sich den Forderungen Thalias verweigern, würden keine Titel bezogen, führt Beckmann unter Bezug auf eine Sendung des Schweizer Fernsehens an. Das Schweizer Fernsehen habe von Einkaufskonditionen um die 60 Prozent bei einigen Schweizer Verlagen gesprochen. 

"Bedeutet das Zusammengehen mit Osiander da etwa nicht einen weiteren Verlust an Arbeits- und Existenzchancen für Autorinnen und Autoren und an Wettbewerbsmöglichkeiten für Verlage", fragt Beckmann. Der wachsende Einfluss eines Großfilialisten wie Thalia reiche bis tief in Programmgestaltung und Titelpräsentation großer Verlage. "Die exorbitanten Zusatzkosten, die sie verursachen, sind ein Grund dafür, dass es heute an Marketing und allgemeiner Werbung für Bücher mangelt, die für Buchhändler und Leser so notwendig wäre."

Zum kompletten Offenen Brief.