Susanne Lux über KI-generierte Kinderbücher

"Glatt, süßlich, austauschbar"

22. August 2025
Redaktion Börsenblatt

Immer häufiger landen sie auch in klassischen Buchhandlungen: Kinder- und Jugendbücher, die nicht von Autor:innen und Illustrator:innen geschaffen, sondern von Künstlicher Intelligenz produziert wurden. Auf Amazon haben solche Titel längst Bestsellerstatus – doch wie erkennt man sie? In der aktuellen Podcast-Folge Kinderbuchpraxis sprechen Dr. Stefan und Mr. Ralf mit Susanne Lux, Inhaberin der Mainzer Buchhandlung Nimmerland. Ihr Fazit: Aufklärung ist dringend nötig – und beginnt schon im Schaufenster.

Susanne Lux

KI-Bücher auf Kundenwunsch

Der Auslöser für Lux’ Auseinandersetzung mit KI-Literatur waren ganz praktische Erfahrungen: "Immer häufiger wollten Kunden bestimmte Titel bestellen, die wir in den üblichen Bibliografien nicht gefunden haben – aber auf Amazon schon." Schnell wurde klar: Viele dieser Bücher sehen zwar auf den ersten Blick ansprechend aus, sind aber qualitativ mangelhaft – inhaltlich wie gestalterisch. Lux bestellte testweise zehn Titel und stellte sie in ihrem Schaufenster fundierten Empfehlungen gegenüber.

Das Ergebnis war frappierend: Glatte, austauschbare Illustrationen, fehlerhafte Inhalte, Texte ohne Entwicklung. "Die Figuren haben keine Tiefe, sie ändern sich nicht, sie bekommen einfach gesagt: Hab keine Angst – und schwupps ist die Angst weg." Besonders irritierend: Viele dieser Bücher haben durchgehend Fünf-Sterne-Bewertungen. "Da fragt man sich schon, wo die herkommen", so Lux.

Zwischen Aufklärung und Kundenservice

Wie reagiert man als Buchhändlerin, wenn Kunden begeistert ein solches Buch bestellen? Lux hat eine klare Haltung: "Man muss bereits beim Bestellen intervenieren: Wissen Sie, dass das KI-generiert ist? Es gibt bestimmt Besseres." Meist reagieren Kund:innen überrascht – und dankbar für die Aufklärung. Häufig stammten die Wünsche aus Amazon-Wunschlisten für Kindergeburtstage, erzählt Lux. "Viele sagen dann: Oh, das wusste ich gar nicht. Nee, dann nicht. Haben Sie eine Alternative?"

Ihre Schaufensteraktion sorgte bundesweit für Aufmerksamkeit, sogar der SWR berichtete. Im Laden selbst sei die Botschaft allerdings nicht sofort erkennbar gewesen: "Die meisten haben es erst gar nicht verstanden. Man musste schon genau hinschauen, um die KI-Fehler zu entdecken."

Gefahr für Vielfalt und Leseförderung

Lux warnt davor, KI-Bücher als harmlosen "Trash" abzutun. "Wenn ein Kind nur mit solchen glattgespülten Illustrationen aufwächst, prägt sich diese Ästhetik ein. Von selbst entwickelt sich da nichts weiter." Vielfalt in der Bilderwelt sei entscheidend, damit Kinder überhaupt lernen, Stile zu unterscheiden und eigene Vorlieben zu entwickeln.

Die Qualität der Texte ist für sie ebenso problematisch: Figuren bleiben statisch, Konflikte lösen sich ohne innere Entwicklung, ganze Geschichten bestehen aus austauschbaren Affirmationen. "Das ist Psychoterror für Kinder – du bist großartig, dein Tag ist wunderbar. Das ersetzt keine echte Erzählung."

Blick in die Zukunft

Dass KI in der Buchproduktion bleibt, steht für Lux außer Frage. "Verlage sind auch Wirtschaftsunternehmen. Für junge Illustrator:innen wird es schwieriger, weil viele kleine Aufträge künftig durch KI erledigt werden." Noch seien die Schwächen deutlich sichtbar, doch Lux ist überzeugt: "KI wird besser werden. Man wird es nicht mehr sofort erkennen."

Umso wichtiger sei es, Kinder früh zu sensibilisieren – etwa mit Aktionen wie dem Nimmerland-Schaufenster, wo Schulklassen spielerisch KI-Fehler in Bildern entdecken konnten. "Es muss Teil von Medienerziehung werden, dass junge Menschen geschult werden, sowas zu erkennen."

Fazit

Die Diskussion um KI-Bücher ist keine Randnotiz mehr, sondern eine zentrale Zukunftsfrage für den Buchmarkt. Lux plädiert dafür, die Debatte in die Breite zu tragen – auch in Leseförderungsinitiativen und andere Buchhandlungen. Denn: "Natürlich ist es legitim, wenn Menschen diese glatten Bilder schön finden. Aber wir Buchhändler:innen haben die Aufgabe, Vielfalt sichtbar zu machen – und Kinder stark zu machen, genau hinzuschauen."

Wer mehr über Susanne Lux’ Erfahrungen, Beispiele aus der Praxis und ihre Einschätzung zur Rolle des Buchhandels hören will, sollte die ganze Folge der Kinderbuchpraxis einschalten.

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Der Börsenblatt-Podcast Kinderbuchpraxis erscheint zweimal im Monat - jeweils am Freitag. Behandelt werden Kinder- und Jugendbuchthemen, oft sind bekannte Autor*innen, Verleger*innen oder Illustrator*innen zu Gast. Dr. Stefan und Mr. Ralf gehen auch auf Außeneinsätze, z.B. auf die Buchmessen in Bologna, Frankfurt und Leipzig oder die Phantastische Bibliothek in Wetzlar.

Die Kinderbuchpraxis ist auch im Verzeichnis "Literaturpodcasts" gelistet.

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