Erste virtuelle Fachgruppenversammlung der Verlage

Arbeit auf vielen Baustellen

1. Oktober 2020
von Michael Roesler-Graichen

Moderiert aus dem Frankfurter Haus des Buches, fand am 1. Oktober 2020 die erste virtuelle Fachgruppenversammlung Verlage statt. Rund 65 Teilnehmerinnen folgten den Präsentationen und beteiligten sich per Mikro oder Chat an der Diskussion. Neben juristischen Themen wie Verlegerbeteiligung, Mehrwertsteuersenkung und Preisbindung ging es unter anderem um Fördermittel aus dem Programm "Neustart Kultur" und die Mitarbeit in den internationalen Verbänden FEP und IPA.

Die Corona-Krise stellt die Buchbranche zwar weiterhin vor große Herausforderungen – doch das bedeutet nicht, dass die Arbeit an den Kernthemen und auf den legislativen Baustellen stockt. Im Gegenteil: Die virtuelle Fachgruppenversammlung der Verlage im Haus des Buches machte deutlich, wie aktiv der Verband und die Branchenunternehmen an den Lösungen der vielfältigen Probleme und Aufgabenstellungen arbeiten.

Nadja Kneissler, die Vorsitzende des Verleger-Ausschusses im Börsenverein, begrüßte die Teilnehmer*innen gemeinsam mit Kyra Dreher (Geschäftsführerin der Fachausschüsse) und Nicola Meier (Ressort Verlage).

Erster Tagesordnungspunkt war die Corona-Krise mit dem Lockdown, dessen wirtschaftliche Folgen für den Buchhandel dank staatlicher Soforthilfeprogramme zum Teil abgefedert werden konnten. Das kürzlich von Kulturstaatsministerin Monika Grütters gestartete Programm "Neustart Kultur", das der Börsenverein für seine Mitgliedsunternehmen umsetzt, stellt weitere 20 Millionen Euro Fördermittel bereit, von denen zehn Millionen Euro auf die Verlage entfallen. Kyra Dreher ermunterte die Verlage, Anträge zu stellen: "Die Gelder sind noch lange nicht ausgegeben. Wir hoffen, dass möglichst viele Verlage davon profitieren."

Großen Raum in der Fachgruppenversammlung nahm der Komplex Steuer-, Urheber- und Preisbindungsrecht ein. Die temporäre Mehrwertsteuersenkung, die allgemein begrüßte wurde, hat vor allem bei im Zeitschriftengeschäft aktiven Fach- und Wissenschaftsverlagen für Durcheinander gesorgt. Die Ungewissheit, welcher Steuersatz bei Abonnement-Abrechnungen anzuwenden sei, die den Zeitraum vor und während der Mehrwertsteuersenkung umfassen, wurde erst kürzlich durch ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) beseitigt. Demnach gilt als Stichtag für die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes der letzte Tag des Leistungszeitraums. Endet ein Abonnement am 31. Dezember 2020, so gilt demnach für den gesamten Zeitraum der ermäßigte Steuersatz. Endet es erst 2021, käme wieder der volle Satz von sieben Prozent zur Anwendung. Die Regelung gilt für analoge, digitale und Bundle-Abonnements gleichermaßen. So begrüßenswert die Klarstellung des BMF sei – es müssten jetzt Millionen von Korrekturrechnungen erstellt werden, sagte Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang.

Den aktuellen Stand bei der Pirateriebekämpfung referierte Susanne Barwick, stellvertretende Justiziarin des Verbands. Große Sorgen bereite den Wissenschafts- und Publikumsverlagen derzeit das Portal Z-Library, das legale und illegale Angebote, unter anderem von SciHub, netzwerkartig auf seiner Plattform bündele. Da die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) im Frühjahr Insolvenz anmelden musste und begonnene Ermittlungen nicht fortgesetzt werden konnten, haben nun die STM Association und mehrere größere und kleinere Verlage Strafantrag gegen die Betreiber von Z-Library gestellt. Nadja Kneissler unterstrich die Bedeutung der Pirateriebekämpfung, es handele sich um ein "Thema von großer wirtschaftlicher Bedeutung".

Auf eine durch Corona verursachte Grauzone bei Streaming-Angeboten wies Jo Lendle (Hanser Verlag) hin. Viele Literaturveranstalter würden gefilmte Autorenlesungen deutlich länger als bisher ins Netz stellen – ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass mit der dauerhaften Ausstrahlung Hörbuchrechte berührt und Lizenzgebühren fällig werden könnten. Die Einnahmen aus dem Audiobuch-Geschäft seien aber unverändert ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor.

Ein Thema, das den Verlagen seit fast einem Jahrzehnt Verdruss bereitet, ist die Verlegerbeteiligung. Christian Sprang trug den aktuellen Stand vor, dämpfte aber die Hoffnung, dass es zu einer zeitnahen Gesetzgebung kommen werde. Anfang September habe das Bundesjustizministerium zwar endlich einen Referentenentwurf vorgelegt, ob der aber angesichts widerstreitender Ressortinteressen rechtzeitig in das Parlament gelange, bleibe abzuwarten. Der Worst Case für Sprang wäre, wenn das Gesetz nicht mehr in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet würde. Und selbst wenn: Die Neuregelung würde erst Einnahmen betreffen, die die Verwertungsgesellschaften ab dem 7. Juni 2021 erhalten.

Ein dringendes Anliegen des Börsenvereins ist die Überarbeitung des Preisbindungsgesetzes. Ziel sei es, so Sprang, Paragraf 6 Absatz 3 des Gesetzes so zu ändern, dass künftig eine übermäßige Rabattspreizung, die vor allem kleinere Händler benachteilige, vermieden werden könne.

Auf europäischer Ebene ist inzwischen der European Accessibility Act verabschiedet worden, der jetzt in nationales Recht umgesetzt werden muss. In Brüssel wird nun geprüft, welche Anforderungen E-Books und E-Commerce ab 2025 erfüllen müssen, um als barrierefrei zu gelten. Ganz am Anfang steht das Gesetzgebungsverfahren zum Digital Services Act, ein breit angelegtes Regelungspaket, das viele Aspekte des Internetrechts neu regeln soll. Hier haben Konsultationen stattgefunden, ein Regelungsentwurf liegt noch nicht vor.

Von den Aktivitäten aus den internationalen Verlegerverbänden IPA und FEP berichteten Joachim Kaufmann (Carlsen) und Peter Kraus vom Cleff (Rowohlt). Während Kaufmann das Engagement für das Copyright unterstrich – zumal das Urheberrecht während der Corona-Krise häufiger umgangen werde – , nannte Kraus vom Cleff, frisch gewählter FEP-Präsident vier Punkte, die ihm besonders am Herzen liegen: die Umsetzung der DSM-Richtlinie (in Bezug auf die Verlegerbeteiligung); die Vereitelung des Versuchs der großen Netzplattformen, via Digital Services Act Terrain zurückzugewinnen; das E-Lending, für das Bibliotheksverbände eine weitere Urheberrechtsschranke fordern; und schließlich der dringende Appell an die Verlage, sich noch stärker als bisher für all diese Themen zu engagieren.

 

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