Buchhandelsgeschichte

Bewegende Schicksale in der Emigration

26. Januar 2021
von Björn Biester

Seit 40 Jahren beschäftigt sich Ernst Fischer mit Exilforschung. Grund genug  für ein Interview – vor allem zum Mammutwerk »Der Buchhandel im deutschsprachigen Exil 1933 – 1945«, das der Buchwissenschaftler jetzt veröffentlicht hat. 

Mit der Buchreihe »Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert« erforscht die Historische Kommission des Börsenvereins die Vergangenheit der Branche, mit all ihren Licht- und Schattenseiten. Der Buchwissenschaftler Ernst Fischer, der bis 2014 in Mainz gelehrt hat, ist Mitglied der Historischen Kommission – und hat jetzt den dritten Teil des dritten Bandes herausgebracht, der sich mit dem Buchhandel im deutschsprachigen Exil zwischen 1933 und 1945 beschäftigt. Dazu erscheint in zweiter Auflage ein Handbuch, in dem Fischer Lebensgeschichten im Exil nachzeichnet.

Welche Dimension hat die Emigration aus Deutschland und Österreich nach 1933 im Verlagsbereich und im Buchhandel?
Das von mir erstellte biografische Handbuch zur Emigration der Verleger, Buchhändler und Antiquare nennt in der zweiten Auflage die Namen von rund 900 Personen, die aus Deutschland, aber auch aus dem 1938 annektierten Österreich geflüchtet sind. Das Handbuch berücksichtigt allerdings auch jene, die erst im Exil zum Verleger- oder zu einem buchhändlerischen Beruf dazugestoßen sind. Das prozentuale Verhältnis von Verlegern, Buchhändlern und Antiquaren schätze ich dabei grob auf 45 zu 35 zu 20.

Seit wann beschäftigen Sie sich mit der Thematik?
Thema meiner 1978 in Wien approbierten Dissertation war der Schutzverband Deutscher Schriftsteller von 1909 bis 1933. Im Anschluss daran habe ich die Geschichte dieses Verbands im Pariser Exil weiterverfolgt, und dies hat mich in den Bereich der Exilforschung hineingeführt. Dem Interesse am schriftstellerischen Exil folgte das Interesse am verlegerischen und buchhändlerischen Exil. In summa bin ich also seit 40 Jahren mit der Thematik 
befasst …

Wie verhalten sich die zweibändige Darstellung »Der Buchhandel im deutschsprachigen Exil 1933 – 1945« und das als Supplement bezeichnete Handbuch zueinander?
Darstellung und Supplement stehen in einem komplementären Verhältnis. In der Buchhandelsgeschichte geht es darum, Strukturen und Entwicklungs­zusammenhänge zu untersuchen und dabei die Tätigkeit verlegerischer und buchhändlerischer Unternehmen in den Vordergrund zu rücken. Die Vertreibung ins Exil ist allerdings zuallererst ein persönliches Schicksal, der biografische Aspekt darf nicht ausgeblendet bleiben. Die Lösung dafür war, die Darstellung von Lebensgeschichten samt den dazugehörigen Quellen- und Literaturnachweisen in einen eigenen Band auszulagern. Das Handbuch bietet ergänzend jene Informationen, die in der historiografischen Darstellung oft nur angedeutet werden.

Das Handbuch ist eine zweite Auflage; was ist der Hintergrund 
für die Neuauflage?

Nach dem Erscheinen der ersten Auflage Anfang 2011 habe ich – wie erhofft – ­einige Zuschriften mit Korrekturen und Ergänzungsvorschlägen erhalten, bin aber im Zuge der Fertigstellung der Darstellungsbände auch selbst auf neue Erkenntnisse gestoßen. Zudem sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Forschungsbeiträge erschienen, aus denen ich biografische Information schöpfen konnte, und nicht zuletzt haben sich die Online-Recherchemöglichkeiten weiter verbessert. Auf diese Weise konnten dem Handbuch 80 neue Personeneinträge hinzugefügt und Lebensdaten vielfach ergänzt werden.

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