Börsenverein: Landesverband Baden-Württemberg

ChatGPT als junger, kreativer, aber unerfahrener Mitarbeiter

27. Juni 2023
von Börsenblatt

Wie können Verlage und Buchhandel von Künstlicher Intelligenz profitieren? Das war das Thema beim Jahrestreffen des Börsenvereins Baden-Württemberg am 22. Juni im Heilbronner experimenta Science Center. Kathrin Hage über die Veranstaltung - und einen Selbstversuch.

Foto von der Podiumsrunde beim Jahrestreffen

Podiumsrunde beim Jahrestreffen

"Wir haben Häppchen und kühle Räume. Letzteres ist heute wohl das Wichtigere“: So empfing Marc Mendle von der Geschäftsstelle des Börsenvereins Baden-Württemberg bei über 30 Grad Außentemperatur die rund 40 Mitglieder am Eingang des experimenta Science Center in Heilbronn.

In angenehm temperierten Räumen begrüßte Tom Erben, Geschäftsführer des Landesverbands, die Teilnehmenden und übergab an den Vorsitzenden Thomas Lindemann für einen kurzen Bericht aus dem Vorstand. Neben dem Bericht aus der Geschäftsstelle stellte Tom Erben später den Relaunch der Stuttgarter Buchwochen vor

Anschließend hielt Prof. Dr. Vera Spillner von der Hochschule der Medien in Stuttgart einen praxisnahen Vortrag über ChatGPT, Midjourney und die Chancen von KI für den Buchhandel und Verlage. „Nutzen Sie ChatGPT wie Wikipedia. Dort würden Sie ja auch nicht ungeprüft abschreiben,“ riet die Physikerin und promovierte Philosophin den Teilnehmenden. „Sehen Sie ChatGPT als jungen, kreativen, aber unerfahrenen Mitarbeitenden.“

Nutzen Sie ChatGPT wie Wikipedia. Dort würden Sie ja auch nicht ungeprüft abschreiben.

Vera Spillner, Hochschule der Medien, Stuttgart

Vera Spillner schlug vor, sich von dem neuen Teammitglied beim Schreiben von Social Media Posts (inklusive passender Emojis!) oder bei Klappentexten unter die Arme greifen zu lassen. Midjourney kann beim Erstellen von Covermotiven eine Hilfe sein. „Der Vortrag hat mich gefühlt von 0 auf 100 ins jetzige Jahrhundert gebeamt. Zum ersten Mal habe ich verstanden, worum es bei ChatGPT geht, und konkrete Beispiele für mein tägliches Arbeitsleben bekommen“, meinte Katrin Schmidt von der Kirchzartener Bücherstube.

Der Vortrag hat mich gefühlt von 0 auf 100 ins jetzige Jahrhundert gebeamt.

Katrin Schmidt, Kirchzartener Bücherstube

Nicht nur auf die Risiken schauen

Doch hier und da regte sich auch Kritik, mischten sich Sorgen oder gar Ängste in die Wortbeiträge. So kam in der von Thomas Lindemann moderierten Podiumsdiskussion mit Vera Spillner, Klaus Finke (Buchhandlung Pfister in Bad Krozingen) und Tom Erben die Frage auf, was passiert, wenn immer mehr Bücher von der KI geschrieben und bebildert werden? Welche konkreten Gefahren resultieren daraus für den Buchhandel? Bleibt die Moral auf der Strecke? Verlernen wir das Reflektieren und das „auf den Grund gehen“, wenn ChatGPT und Co alles für uns machen?

„Bisher hatte ich ein mulmiges Gefühl gegenüber der KI. Das hat sich mit dem Vortrag von Prof. Dr. Spillner geändert: Nun habe ich eine konkrete, begründete Furcht“, fasste Thomas Koch, inside books NONKONFORM, die Sorgen im Raum mit einer Prise Humor zusammen.

Doch alle waren sich einig: Bei all den ungeklärten, vor allem rechtlichen Fragen und sind die Entwicklungen nicht mehr zu stoppen. „Schauen wir doch auch auf die Chancen, die uns die neue Technologie jetzt schon bietet," appellierte Solvey Munk, Mitglied der Geschäftsleitung bei G. Umbreit GmbH & Co. KG, an die Diskutierenden, „nicht ausschließlich auf die Risiken.“

Und bei Chat GPT dreht sich die Sanduhr...

Abgerundet wurde das Treffen durch den angeregten Austausch zwischen Buchhändler*innen, Verleger*innen und Dienstleistenden bei einem Imbiss und kühlen Getränken. Neben dem Branchentalk drehten sich die Gespräche weiterhin um Künstliche Intelligenz und ob uns die jungen künstlichen Mitarbeitenden wohl bald ersetzen.

Dazu eine abschließende Randnotiz: Die Autorin dieses Textes wollte den Veranstaltungsnachbericht eigentlich von ChatGPT schreiben lassen. Doch mehr als eine sich drehende Sanduhr hatte die KI an diesem Tag nicht zu bieten. War wohl überlastet. Gut, dass der Mensch dahinter noch freie Kapazität hatte ;-)