Finanzbericht des Börsenvereins

"Das größte Problem ist die Ungewissheit der nächsten Jahre"

12. November 2020
von Torsten Casimir und Sabine Cronau

Die Corona-Krise trifft auch den Börsenverein und seine Wirtschaftstöchter. Trotzdem (und zum Teil gerade deshalb) gehört das Verbandsergebnis 2020 zu den besten der vergangenen Jahre. Schatzmeister Klaus Gravemann über eine fast paradoxe Finanzlage – und die Szenarien zur Frankfurter Buchmesse.  

Der Börsenverein hatte schon vor Corona mit sinkenden Mitgliederzahlen und sinkenden Beitragseinnahmen zu kämpfen. Wie wirken sich die Folgen der Pandemie auf die Verbandsfinanzen aus?
Corona-bedingt lassen sich bisher keine signifikanten Veränderungen erkennen. Ob das so bleibt, hängt natürlich von der Entwicklung der nächsten Monate ab. Der Abwärtstrend, der schon in den vergangenen Jahren bei den Mitgliederzahlen und damit auch bei den Beitragseinnahmen zu beobachten war, setzt sich jedoch fort. Fusionen und ein Mangel an Neugründungen und Nachfolgelösungen in der Buchbranche wirken sich negativ auf die Mitgliederzahlen im Börsen­verein aus. 

Kann der Verband dennoch auf ein ausgeglichenes Budget für 2020 hoffen? 
2020 wird – bedingt durch Corona und rein zahlenmäßig betrachtet – zu den Verbandsjahren mit den besten Ergebnissen gehören. Leider, so möchte ich hinzufügen. Denn der Grund dafür sind viele unfreiwillige Einsparungen durch den Ausfall geplanter Vereinsaktivitäten, etwa der Buchtage Berlin. Für das gute Ergebnis sorgen darüber hinaus aber auch Einsparungen, die der Vorstand beschlossen hat – beispielsweise durch die Einführung der Kurzarbeit im Börsenverein und die Nichtnachbesetzung freier Stellen.

Die Mitglieder entscheiden auf der Hauptversammlung am 17. November auch über den Budgetentwurf für 2021. Steht hier unter dem Strich ebenfalls eine schwarze Zahl?
Ja, für 2021 können wir der Hauptversammlung einen – wenn auch nur knapp – ausgeglichenen Budgetentwurf präsentieren. Schon in den Folgejahren würden wir jedoch bei Fortschreibung dieser Daten in die roten Zahlen rutschen. Dieses Problem hat der Vorstand erkannt. Er arbeitet derzeit an einer Zukunftsstrategie, bei der wir uns fragen: Tun wir noch das Richtige? Wir wissen ja, dass der Kreis der potenziellen Verbandsmitglieder immer kleiner wird. Vor diesem Hintergrund müssen wir unsere Aufgaben neu priorisieren, ganz unabhängig von der Corona-Krise. Da geht es dem Börsenverein nicht anders als vielen anderen Verbänden und Organisationen – vom ADAC bis zu den Gewerkschaften.

Gibt es negative Effekte, die sich im  Moment noch gar nicht einkalkulieren lassen – etwa weil Mitglieder durch sinkende Umsätze im Corona-Jahr erst mit der Beitragsrechnung 2021 in eine niedrigere Beitragsklasse rutschen?
Das kann durchaus sein. Wir werden das aber erst im kommenden Jahr sicher beurteilen können. Im Jahresabschluss 2020 werden wir deshalb Vorsorge treffen, um eventuelle Corona-Folgen bei den Vereinsfinanzen 2021 abmildern zu können. Das ist aber keine Dauerlösung, sondern kann und soll uns die notwendige Zeit zum Handeln verschaffen.

Das Joint Venture zwischen Osiander und Thalia Mayersche dürfte erst einmal keine Folgen für die Beitragseinnahmen des Börsenvereins haben. Was 2020 aber schon zu Buche schlagen dürfte, ist die Fusion zwischen Thalia und der Mayerschen 2019. Lässt sich das beziffern?
Ich bitte um Verständnis, dass ich zu den Beitragszahlungen einzelner Mitglieder keine Stellungnahme abgebe. Fusionen können aber grundsätzlich – auch wenn die einzelnen Unternehmensmitgliedschaften erhalten bleiben – wegen der möglichen Inanspruch­nahme des Konzernnachlasses eine reduzierende Auswirkung haben.

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