Der in meinen Augen grandioseste Romanfang aller Zeiten lautet:
"Es war die beste aller Zeiten, es war die schlimmste aller Zeiten, es war das Zeitalter der Weisheit, es war das Zeitalter der Dummheit, es war die Epoche des Glaubens, es war die Epoche des Unglaubens, es war die Saison des Lichts, es war die Saison der Dunkelheit, es war der Frühling der Hoffnung, es war der Winter der Verzweiflung, wir hatten alles vor uns, wir hatten nichts vor uns, wir gingen alle direkt in den Himmel, wir alle machten uns in die andere Richtung auf ..."
So läßt Charles Dickens seine "Geschichte zweier Städte" beginnen.
Alles schon mal dagewesen. Auch wir leben in der besten und schlimmsten aller Zeiten. Der Namensgeber des Preises, den Sie mir heute verleihen, Friedrich Christoph Perthes schreibt in seinem Manifest "Der deutsche Buchhandel als Bedingung des Daseyns einer deutschen Literatur" von 1816 im Schatten des Wiener Kongresses:
„Sobald die Glieder des Reichs sich wieder gesammelt hatten, wurde sogleich in dem zu Wien geschlossenen Bunde verheißen, daß das Eigenthumsrecht der Autoren und Verleger innerhalb des Bundes geschützt werden solle und (…) daß ohne diesen Schutz, welcher verhindert, daß die Schriften der Autoren für vogelfrey erklärt werden, ein Zustand der Anarchie eintreten müßte, der Wissenschaften und Künste verdirbt“.
Dieser Zustand ist dank des durch Perthes mit ins Leben gerufenen Urheberrechts glücklicherweise nicht eingetreten – aber vogelfrei sind Autorinnen und Autoren auch heute.
A Question of Intellectualism: Misogyny Towards Romance Readers
https://www.yorkvision.co.uk/scene/books/a-question-of-intellectualism-misogyny-towards-romance-readers%ef%bf%bc/18/05/2025
Danach empfehle ich auch gerne weiterführende Lektüre zum Thema Sexismus, Feminismus und Patriarchat.
Liebesromane sind eine milliardenschwere Industrie, die von Frauen dominiert wird. Trotzdem wird Romance/Romantasy/New Adult von Kritikern immer wieder als minderwertig bezeichnet. Frauen werden hier regelmäßig für ihre Sexualität beschämt und ihre Arbeit abgewertet.
Dies nur in Bezugnahme auf "strunzdumme militaristische Drachenpornos allesamt".
Soviel zur "Lesewut" über diese Rede und diesen Artikel!
Ich finde Herrn Schecks Rede nicht misogyn. Er verreißt auf Schecksche Art ein Genre, dass halt daran interessiert ist, einfach zu unterhalten, ähnlich wie die Privatfernsehsender oder die Klatschpresse.
Das zu kritisieren ist nicht unbedingt patriarchal. Die Klatschpresse und das Privatfernsehen aber schon, wenn patriarchal als die bestehenden Machtverhältnisse zementierend definiert wird.
Sie können ja dieses Genre mögen und wenn Sie oder die Autor:innen sich empowered fühlen: wunderbar.
Es scheint doch aber eher, dass diese Romane durchaus eher den male gaze bedienen und klassisch Rollen verteilt, mit Ausnahmen natürlich.
Und wie die Romantasyromane gegen das ganze Getradwife und Geinfluencing im Web kämpfen sollen, oder, außer ein paar Autor:innen reich zu machen, am bestehenden strukturellen Patriarchat etwas ändern, erschließt sich mir nicht.
Sich eskapistisch in eine Dreamworld zu verkrümeln mag den Leidensdruck reduzieren, aber nur wer leidet oder zürnt, kämpft auch.
Und ja: wer das Patriarchat nicht will, muss kämpfen, denn freiwillig geht es nicht.
Just my 50 ct.
Solidarische Grüße.
P.S.: Herr Scheck kritisiert die Sache, sie skalieren das hoch auf eine Kritik an den Personen. Das ist ein wenig unglücklich.
"Ich finde Herrn Schecks Rede nicht misogyn. Er verreißt auf Schecksche Art ein Genre, dass halt daran interessiert ist, einfach zu unterhalten, ähnlich wie die Privatfernsehsender oder die Klatschpresse."
Dann sollte er sich besser darin auskennen, nichts ist dämlicher als etwas zu verreißen, was man nicht kennt.
"Das zu kritisieren ist nicht unbedingt patriarchal. Die Klatschpresse und das Privatfernsehen aber schon, wenn patriarchal als die bestehenden Machtverhältnisse zementierend definiert wird."
Ja, ist aber eine schlechte Definition von "partriarchal". Das ist halt ein Problem, wenn Wörter einfach so Pippi Langstrump-mässig definiert werden, wie es einem gefällt. Prinzipiell, leben wir hier in Deutschland nicht im Patriarchat. Leute, die zu uns als Migranten kommen, kommen noch aus patriarchalen Ländern, wie z.B. Afghanistan, Irak, usw. Aber wir hier in Deutschland leben nicht in einer Welt, die von Vätern beherrscht wird. Eigentlich haben Väter bei uns gar nichts mehr zu sagen. Dann auf die Idee zu kommen, "patriarchal" so zu definieren, dass es für "bestehende Machtverhältnisse zementierend" gilt, ist schon ein ziemliches Husarenstück, ein bisserl wie eine bedeutungsphilosophische Charge of the Light Brigade, die völlig am Ziel vorbeigeht, und alles an Glaubwürdigkeit kostet. Wir sollten schon ein bisschen vorsichtiger sein mit Begriffen und Bedeutungen!
"Es scheint doch aber eher, dass diese Romane durchaus eher den male gaze bedienen und klassisch Rollen verteilt, mit Ausnahmen natürlich."
Tun sie das? Vor allem bedienen Young Adult, Romantasy, Dark Romance den FEMALE GAZE. Und klassische Rollen verteilen? Ja, vielleicht. Weil - was gewisse Leute nicht gerne hören wollen - diese klassische Rollenverteilung vielleicht für Erotik sorgt, wo die moderne Rollenverteilung diese Erotik eher abwürgt. Aber warum sollte dies schädlich sein, noch dazu, in der Pseudorealität einer Leserezeption? Gerade dort, sollte man doch den Luxus haben dürfen, auch mal nicht die Welt verändern zu müssen, sondern einfach zu genießen.
"Und ja: wer das Patriarchat nicht will, muss kämpfen, denn freiwillig geht es nicht."
Das Patriarchat ist tot. Es ist mehr als nur tot, es ist fast völlig verwest, eigentlich nur Knochen, die irgendwo herumliegen. Aber trotzdem gibt es Leute, die ohne das Patriarchat nicht leben können, und dauernd auf diesen Knochen herumtrampeln, sie wünschen sich förmlich, die Knochen nähmen wieder Fleisch an, hätten einen Blutkreislauf, eine Haut, das Ganze würde sich wieder erheben und Trouble machen. Aber es ist tot! Es ist schon vor langer Zeit gestorben. Es ist nicht freiwillig gestorben, aber auch nicht unfreiwillig, es ist einfach an Nahrungsmittelknappheit verhungert und war weg. Die einzigen Patriarchen, die wir im Land haben, sind eben jene, die von wirklich patriarchalen Kulturen stammen, Migranten, vor allem. Aber selbst die können das Skelett nicht mehr zum Leben erwecken. Also warum wollen wir unbedingt gegen leblose Knochen kämpfen und uns diesen Pferdetotenschädel wegwünschen?
Semantische Grüße!
PS: Nein, er hat durchaus nicht nur die Sache kritisiert, und Katja F. hat das schon richtig getroffen.
Dass Leute, die gerne Romance lesen, offensichtlich so verträumt/versessen sind, dass sie sich nicht gesellschaftlich engagieren? Interessante Theorie. Gilt das dann auch für Krimis? Thriller? Wie wäre es mit Fussball oder Motorsport, mal so als eher "männliches" Äquivalent des "sinnlosen" Zeitvertreibs?
Es ist nicht so, dass ich Passagen aus dieser Rede nichts abgewinnen kann. Ich verstehe auch durchaus, worauf der Herr hinaus will. Aber das ändert nichts daran, dass sich hier ganz klassisch wieder ein Mann herausnimmt, ein typisch "weibliches" Genre schlecht zu machen, von dem er vermutlich nicht allzu viel gelesen hat - und als Beweis der "schlechten Qualität" einen einzigen Satz zitiert, der sich komischerweise um Sex dreht. Hmm...
Romantasy ist eben nichts sein Ding, kein Problem! Keiner zwingt ihn, diese Bücher zu lesen. Aber das heißt auch nicht, dass man es dann als Scheiße, Hirnpest und Porno bezeichnen muss - und die Verpackung mit der "Brandrede"-Schleife macht die Aussagen auch nicht besser.
Und wir könnten jetzt noch diskutieren, warum Eskapismus gerade in den letzten Jahren für viele Menschen hochgradig wertvoll ist - vielleicht auch gerade für Frauen, aber ich glaube, das erklärt sich eigentlich von selbst.
Danke, Ende.
Inhaltlich möchte ich meine Worte an Herrn Scheck selbst richten, auch wenn ich bezweifle, dass er sie lesen wird.
Herr Scheck, Sie sprechen hier viele wichtige Punkte im Bereich KI und Politik an. Nichts wirklich Neues, aber Dinge, die m. E. nicht oft genug gesagt werden können.
Zwischendrin allerdings versuchen Sie mit einem ebenso lässigen wie arroanten Schütteln Ihres Handgelenks, der ganzen Welt Ihr Literaturverständnis überzustülpen. Lesen ist kein Wellness? Aha, und das haben Sie mal eben so entschieden, Herr Scheck? Alle Menschen, die zum Abschalten lesen, haben Unrecht, weil Sie das sagen? Welche Formen von Entspannung, Spaß und Lustgewinn sind denn vertretbar, Ihrer Ansicht nach? Ist Musikhören gestattet? Wie sieht es mit Serien aus? Oh, und verstehe ich das richtig, dass wir Pornos schauen dürfen, wir sollen sie nur nicht lesen?
Wissen Sie, ich kann auch nicht mit jeder Art von Literatur etwas anfangen. Horror zum Beispiel. Einfach nicht mein Fall. Aber deswegen laufe ich nicht herum und würdige Menschen herab, indem ich behaupte, dass lesen, um sich zu gruseln, gegen den Sinn von Literatur verstößt.
Sie wollen unberechenbare Literatur lesen? Das ist Ihr gutes Recht. Sie mögen New Adult nicht? Kein Problem.
Aber ich hatte immensen Spaß, als ich Fourth Wing gelesen habe. Und ich lasse mir von Ihnen nicht einreden, dass das nichts wert sei.
Das Lied von Eis und Feuer fand ich übrigens ebenfalls hervorragend. Ich weiß auch Kafka und Dickens zu schätzen. Und Goethe, wenn wir schon dabei sind, mit Namen um uns zu werfen. Ich arbeite mich beim Lesen auch gerne an der Gegenwart ab, mit Titeln wie Yellowface oder Identitti beispielsweise. Nur beschränke ich mich nicht darauf.
Wissen Sie, ich bin ja der Ansicht, dass unterschiedliche Menschen zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Bücher zu unterschiedlichen Zwecken lesen. Und dass das eine der wunderbarsten Eigenschaften von Literatur ist.
Aber schwingen Sie ruhig weiter Ihre Abrissbirne. Zum Einsturz bringen werden Sie damit nichts.
Und vielleicht noch ein Hinweis an Dennis Scheck: Bei Chat GPT handelt es sich nicht um eine klassische Suchmaschine. Bei der Suche nach dem belächelten Schulhofs-"DbddhkP" giben die klassischen Suchmaschinen nämlich die korrekte Antwort. Aber irgendwie will man ja auch noch KI-Schelte in der Rede unterbringen.
Vielen Dank für die Kommentare von Büchersturm und Katja F.!
Zum Beispiel viele Leser und Leserinnen, die Fantasy mögen, mögen einfach LAUTE Töne. Die wollen gar nicht stillere Töne haben. Ob jetzt still unbedingt auch klug sein muss, das ist hier die Frage! Ich würde sagen: NEIN. Auch Lautes kann klug sein.
Diese Überlappung zwischen Geschmack und Qualität ist etwas, was man in Analysen von Literatur und Kunst häufig betrachten kann. Es ist aber in sich etwas sehr destruktives und schädliches. Wir sollten es - wen es geht - vermeiden. Nein, es gibt keinen "guten" Geschmack. Geschmack ist außerhalb von Qualität, es ist einer anderen logischen Sphäre zuzuordnen. Dies zu verwechseln ist ein Kategorienfehler.