Frühjahrstagung der IG Ratgeber im Börsenverein

Gemeinsam gegen die Fake-Konkurrenz

20. Mai 2025
Sabine Cronau

Die IG Ratgeber hat einen neuen Namen: IG Ratgeber & Reise. Warum öffnet sich die Interessengruppe der nützlichen Bücher für die Kolleg:innen aus der Urlaubsbranche? Und wie verändert KI das Ratgeber- und Reisegeschäft? Antworten vom Sprecherkreis der IG und damit von Nicole Schindler (Ulmer), Karin Senft (Pustet) und Michael Zirn (frech).

Sprecherkreis der neuen IG Ratgeber & Reise: Michael Zirn, Nicole Schindler (M.) und Karin Senft

Die IG Ratgeber hat sich am 15. Mai in Ostfildern zur Jahrestagung getroffen - immer auch ein Stimmungsbild der Branche. Wie geht es dem Ratgebersegment im Moment?

Zirn: Die Stimmung auf der Tagung war bestens – und damit, das muss man leider sagen, gegenläufig zur Marktlage. Zwischen Januar und April sind die Umsätze im Ratgebersegment gegenüber dem Vorjahr um 5,9 Prozent gesunken (Quelle: Media Control / Metis). Besonders betroffen ist im Moment das Segment Natur und Garten, aber der Rückgang zieht sich quer durch alle Unterwarengruppen. Auf dem gesamten Buchmarkt ist die Lage im Moment nicht einfach – nur Belletristik und Sachbuch können derzeit Umsatzzuwächse verbuchen. Von daher: Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Senft: Auf Thementischen funktionieren Ratgeber nach wie vor gut. Die Kunden sind aber immer weniger dazu bereit, auch mal ans Regal zu gehen. Und natürlich verschärft sich der Wettbewerb um die attraktiven Ladenplätze – durch den New-Adult-Boom in der Belletristik, aber auch durch das wachsende Angebot an englischsprachigen Titeln, Sachbüchern und Non-Books. Ganz davon abgesehen, dass der Buchhandel derzeit ein grundsätzliches Frequenzproblem hat und seine Lagerkapazitäten im Blick behalten muss. Umso wichtiger ist es, den Kund:innen eine gut kuratierte Vorauswahl in den Abteilungen anzubieten.

Auf dem gesamten Buchmarkt ist die Lage im Moment nicht einfach. Von daher: Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Michael Zirn, frech Verlag

Auf der Frühjahrstagung bei MairDuMont in Ostfildern wurde beschlossen, das Thema Reise mit ins Boot zu holen: Aus der IG Ratgeber wird jetzt die IG Ratgeber & Reise. Was haben die Ratgeberverlage davon?

Schindler: Ratgeber und Reise ticken ähnlich und haben viele gemeinsame Themen. Dazu gehört, dass beide Segmente am Point of Sale immer weiter an Sichtbarkeit verlieren. Ich könnte mir vorstellen, dass wir deshalb die Roadshow für Ratgeber, die vor einigen Jahren durch den Buchhandel getourt ist, neu auflegen, um die Sichtbarkeit zu stärken – diesmal eben mit Ratgebern und Reiseführern. 

Zirn: Auch beim Selfpublishing stehen die beiden Warengruppen vor ganz ähnlichen Problemen. Auf den großen Online-Plattformen finden sich nicht nur schnell zusammenkopierte Fake-Ratgeber, sondern auch Fake-Reiseführer. Ich fände es spannend, Verbraucher:innen mal dazu zu befragen, ob sie den Unterschied zu professionellen Verlagsprodukten überhaupt erkennen. Und ich würde mir konkrete Umsatzzahlen zu den Selfpublishing-Verkäufen wünschen. Denn bei Media Control werden diese Umsätze nicht erfasst. Wir wissen also gar nicht so genau, wie groß das Marktvolumen für Ratgeber derzeit eigentlich ist.  

Schindler: Kurzum – die Interessengruppe hat viel zu tun. Und je mehr neue Impulse kommen und je mehr Kolleginnen und Kollegen sich in den entsprechenden Arbeitsgruppen engagieren können, desto besser. 

Die Jahrestagung hat gezeigt, dass Künstliche Intelligenz nicht nur eine Bedrohung, sondern vor allem eine große Chance ist. Das fand ich sehr, sehr spannend.

Karin Senft, Buchhandlung Pustet

KI war ein großes Thema der Frühjahrstagung. Sind es eher die Chancen oder eher die Risiken, mit denen sich die neue IG Ratgeber & Reise beschäftigen wird?

Zirn: Beides. Fake-Bücher bleiben einfach ein großes Problem. Ein aktuelles Beispiel, wenn auch in diesem Fall aus dem Sachbuchsegment, ist die Papstwahl: Die ersten Biografien über Leo XIV kommen Ende Mai auf den Markt, aber auf Amazon wurden schon ein, zwei Tage nach der Wahl viele Selfpublishing-Titel von zweifelhafter Qualität angeboten. Welcher Vertrauensverlust ist durch solche ungeprüften KI-Titel für das Produkt Buch verbunden? Darauf müssen wir Antworten finden. Wir diskutieren deshalb im Moment über ein Gütesiegel, das fundierte, „von Menschen gemachte“ Verlagsprodukte besonders hervorheben soll und wollen diese Initiative beim Börsenverein auch in den Ausschuss für Verlage einbringen. Denn das Thema betrifft nicht nur Ratgeber und Reiseführer, sondern viele Warengruppen.

Senft: Die Jahrestagung hat aber auch gezeigt, dass Künstliche Intelligenz nicht nur eine Bedrohung, sondern vor allem eine große Chance ist – mit Praxisbeispielen von Kosmos und Gräfe und Unzer. Das fand ich sehr, sehr spannend.

Zirn: Das ging mir ebenso. Alle experimentieren derzeit mit KI-Tools. Die IG sehen wir dabei auch als Plattform für den Austausch. Das Thema KI möchten wir dauerhaft auf der Agenda unserer Tagungen halten.

Unser Ziel ist es, dass sich Ratgeber auf der Frankfurter Buchmesse 2026 mit einer 180 Quadratmeter großen Themenwelt in Halle 3.0 präsentieren - inklusive Eventbühne.

Nicole Schindler, Verlag Eugen Ulmer

Die Interessengruppe trifft sich das nächste Mal im Oktober auf der Frankfurter Buchmesse. Wie weit sind die Pläne für einen Gemeinschaftsstand gediehen, der nicht Verlage, sondern Themenfelder präsentiert?

Schindler: Die Pläne nehmen Formen an, werden sich aber erst 2026 realisieren lassen. Ziel ist es, dass sich Ratgeber dann auf einer 180 Quadratmeter großen Themenwelt in Halle 3.0 mit Eventbühne präsentieren. Statt der Verlagsmarken sollen Autor:innen und Themenfelder im Fokus stehen – etwa Garten, Hobby, Reise, Essen & Trinken. 

Die Verlage Trias, Kosmos, DK und Ulmer sind auf jeden Fall dabei, zum Teil mit einer Zweitplatzierung. Wir brauchen aber noch mehr Mitstreiter! Wer dabei sein will, kann und sollte sich bis zum 30. Juni bei Maren Ongsiek vom Börsenverein melden (ongsiek@boev.de). 

Bei der Herbsttagung der IG wollen wir dann zwei konkrete Konzepte zur Wahl stellen. Zur finanziellen Größenordnung: Die kleinste buchbare Fläche von fünf Quadratmetern würde bei der Premiere 2026 rund 6.750 Euro kosten, ab 2027 würde die Beteiligung für alle, die von Anfang an dabei sind, mit 4.375 Euro dann deutlich günstiger ausfallen.

Die IG Ratgeber hat jetzt einen eigenen KI-generierten Song. Jürgen Kron vom Droste Verlag hat ihn auf der Frühjahrstagung bei seinem Vortrag zum Thema KI vorgespielt, um ins Thema einzuführen Wird daraus die IG-Hymne?

Senft: (lacht) Dafür müssten wir das Lied jetzt erst einmal um die Warengruppe Reise erweitern…

Zirn: Und ganz ehrlich – uns allen hat der Rap-Song zwar gut gefallen, aber Musiker:innen dürfte es damit vermutlich ähnlich gehen wie uns mit den KI-generierten Ratgebern: Sie hören die Schwächen und Fehler…