Konzertierte Aktion gegen Piraterie
Vor vier Jahren wurde die Clearingstelle Urheberrecht im Internet von Rechteinhabern und Internetzugangsanbietern gegründet. Was hat sich seither getan?
Vor vier Jahren wurde die Clearingstelle Urheberrecht im Internet von Rechteinhabern und Internetzugangsanbietern gegründet. Was hat sich seither getan?
Die Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII) verfolgt das Ziel, die illegale Verbreitung urheberrechtlich geschützter Inhalte zu bekämpfen. Der Börsenverein war Gründungsmitglied und hat zwei Sperrverfahren initiiert. Wie ist der Stand heute? Fragen an Susanne Barwick, stellvertretende Justiziarin des Börsenvereins, sowie an Mirko Brüß, Rechtsanwalt, und Jens Kaaden von Fifthfreedom, die die Sperrverfahren juristisch und technisch betreut haben.
Mirko Brüß: Die CUII ist ein großer Erfolg. Durch sie wurde es Rechteinhabern aus den Branchen Buch, Film, Musik, Sport und Games ermöglicht, Urheberrechtsverletzungen wirksam zu bekämpfen, wo andere Mittel versagen oder zu langsam sind. Gesperrt werden Seiten, die strukturell rechtsverletzend und damit letztlich auch strafbar sind. Und selbst bei diesen wird eine Sperre nur angeordnet, wenn ein Vorgehen gegen die Betreiber selbst ausgeschlossen oder unzumutbar ist – so sieht es § 8 DDG vor.
Bislang wurden 25 solcher Webseiten gesperrt. Da die Betreiber regelmäßig versuchen, die Sperre durch Ausweichen auf eine neue Domain zu umgehen, umfassen diese 25 Empfehlungen insgesamt mehrere hundert Domains. Als Resultat der Sperren ist die Anzahl der Besucher der rechtswidrigen Portale um bis zu 80 Prozent zurückgegangen.
Als Resultat der Sperren ist die Anzahl der Besucher der rechtswidrigen Portale um bis zu 80 Prozent zurückgegangen.
Mirko Brüß
Mirko Bruess
Mirko Brüß: Das ursprüngliche Verfahren sah ein zweistufiges System vor: In einem ersten Schritt hat der CUII-Prüfausschuss die Anträge bewertet, bei positiver Entscheidung erfolgte eine behördliche Nachkontrolle durch die Bundesnetzagentur (BNetzA), die die Vereinbarkeit der Sperre mit der Netzneutralität prüfte. Seit 2021 hat die BNetzA zahlreiche neue Aufgaben erhalten, bspw. als deutscher Digital Services Coordinator (DSC) nach dem Digital Services Act (DSA).
Die weitere Beteiligung an den CUII-Verfahren hätte die personellen Kapazitäten der BNetzA voraussichtlich überfordert. Das neue Verfahren wurde in Abstimmung mit der BNetzA gestaltet, so dass auch in Zukunft die Einhaltung der Netzneutralität bei der Umsetzung von Netzsperren gewährleistet ist.
Mirko Brüß: Das neue Verfahren sieht eine Klärung der Fälle durch die ordentlichen Gerichte vor. Zu Beginn teilt ein Rechteinhaber der CUII mit, gegen eine bestimmte Webseite vorgehen zu wollen. Er muss dann eine vollständige Klage mit allen Beweismitteln erstellen und der CUII übermitteln. Diese prüft die Unterlagen, wählt einen Internet-Provider als Beklagten aus und leitet diesem die Klageschrift zur Stellungnahme weiter.
Nach Ablauf einer kurzen Frist reicht der Rechteinhaber die Klage mit der Stellungnahme des Providers bei Gericht ein, das dann durch Urteil entscheidet. Liegt ein stattgebendes Urteil vor, informiert die CUII die anderen beteiligten Provider und diese setzen ebenfalls die Sperre um. Das hat den Vorteil, dass die Gerichtsverfahren nicht gegen jeden Provider einzeln geführt werden müssen, was unnötig und ineffizient wäre, weil die Voraussetzungen für den Sperranspruch sich nicht je Provider unterscheiden.
Mirko Brüß: Sollte es nach Umsetzung der ursprünglich angeordneten Sperren zu "Ausweichdomains" kommen, die illegale Seite also versuchen, die Sperre zu umgehen, koordiniert die CUII auch die diesbezüglichen Anträge der Rechteinhaber. Solche Folgesperren erfolgen auf Grundlage der Entscheidung eines sachverständigen Prüfers, bei dem es sich um einen ehemaligen Vorsitzenden Richter des Urheberrechtssenats am BGH handelt. Hierdurch kann sehr schnell auf Umgehungsversuche reagiert werden, die – wie oben erläutert – vielfach erfolgen.
Susanne Barwick
Besonders erfreulich war, dass sich sehr viele Verlage dazu bereit erklärt haben, diesen so wichtigen Schritt gemeinsam zu gehen. Das zeigt den Zusammenhalt innerhalb der Branche und unterstreicht, wie ernst die Bedrohung durch solche illegalen Angebote genommen wird.
Susanne Barwick
Susanne Barwick: Wir haben zunächst einmal beobachtet, welche Webseiten für die Mehrheit unserer Mitglieder am problematischsten sind. Einige Piratenseiten, die auch unsere Mitglieder betrafen, wurden bereits aufgrund von Anträgen anderer Rechteinhaber gesperrt oder sind wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Für uns war auch immer klar, dass wir uns aus budgetären Gründen auf die großen Fische beschränken und uns auf die Mithilfe der betroffenen Verlage stützen müssen. Denn die Kosten, die für Anwälte und Technikdienstleister anfallen, hätten nicht allein vom Börsenverein gestemmt werden können. Wir haben die Organisation und die Gerichtskosten übernommen und sind sehr froh, dass die betroffenen Verlage alle bereit waren, in diese Antipiraterie-Maßnahme zu investieren.
Jens Kaaden: Die Entscheidung, jeweils ein CUII-Verfahren gegen annas-archive.org und ibooks.to durchzuführen, basierte auf der Tatsache, dass auf beiden Plattformen in großem Umfang urheberrechtlich geschützte Verlagswerke illegal zugänglich gemacht werden. Das betrifft praktisch die gesamte Buchbranche, von kleinen und großen Publikumsverlagen bis hin zu Fachverlagen. Auf annas-archive.org werden eigenen Angaben der Betreiber zufolge mehr als 53 Millionen Bücher und über 37 Millionen Artikel für jedermann zum kostenlosen Abruf bereitgestellt. Bei ibooks sind es über 50.000 Beiträge mit illegalen Angeboten. Plattformen wie diese entziehen den Verlagen wichtige Einnahmen und untergraben das wirtschaftliche Fundament, auf dem kulturelle Vielfalt und hochwertige Inhalte entstehen. Hinzukommt, dass es sich bei beiden Portalen nicht um Fälle von Rechtsunsicherheit oder Ausnahmen handelt – es geht klar und nachweislich um systematische Urheberrechtsverletzungen.
Für uns war daher klar: Wenn Plattformen dieser Größenordnung und Reichweite illegal Bücher verbreiten, dann ist das ein massiver Eingriff in die Rechte der Urheber:innen und Verlage – und es erfordert eine koordinierte, konzertierte und zielführende Aktion bzw. Reaktion.
Susanne Barwick: Besonders erfreulich war, dass sich sehr viele Verlage dazu bereit erklärt haben, diesen so wichtigen Schritt gemeinsam zu gehen. Das zeigt den Zusammenhalt innerhalb der Branche und unterstreicht, wie ernst die Bedrohung durch solche illegalen Angebote genommen wird. Das CUII-Verfahren hat sich in diesem Fall als sehr effektives Instrument erwiesen – es ermöglicht eine rechtsstaatlich geprüfte und dennoch zügige Sperrung solcher Plattformen durch die Internetprovider. Das gemeinsame Verfahren sendet auch ein starkes Signal: Solche Portale werden nicht einfach toleriert. Rechteinhaber sind bereit, gemeinsam und konsequent vorzugehen.
Jens Kaaden
Hier handelt es sich nicht um Fälle von Rechtsunsicherheit oder Ausnahmen – es geht klar und nachweislich um systematische Urheberrechtsverletzungen.
Jens Kaaden
Jens Kaaden: Ja, es gab durchaus technische Herausforderungen in der Vorbereitung der Verfahren. Bei ibooks.to handelt es sich zwar ebenfalls um ein anonymisiertes Piraterie-Portal mit einem hohen Gefährdungsgrad, allerdings konnten wir die Seite aufgrund ihrer klaren Struktur effizient bewerten und bearbeiten. Im Fall von annas-archive.org ist die Situation deutlich komplexer: Der Aufbau und die Struktur der Plattform sind weniger trivial und haben einen wesentlich höheren Bearbeitungs- und Zeitaufwand bedeutet. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die technische Prüfung und Bewertung im Rahmen eines CUII-Verfahrens. Zusätzlich ist der Umfang der zu analysierenden Werke bei annas-archive.org um ein Vielfaches größer, was den Aufwand weiter erhöht hat.
Die Fragen stellte Ulrike Bauer