Zukunftsparlament

Janneke de Vries ist neue Sprecherin

21. Juli 2025
Redaktion Börsenblatt

Ob politische Teilhabe, Vernetzung, Digitalisierung oder KI: Die Vielfalt der Themen und Workshops des Zukunftparlaments war groß. Gewählt wurde auch als Nachfolgerin von Otto Ritter eine neue Nachwuchsprecherin, die aus dem Sortiment kommt.

Janneke de Vries (Buchhandlung Schmetz am Dom, Aachen)

Neue Zukunftssprecherin: Janneke de Vries (Buchhandlung Schmetz am Dom, Aachen)

"Wie geht es uns in der Branche, was wünschen wir uns, wie können wir unsere Situation verbessern, was bedeutet Wertschätzung für euch?“ Die Sprecher des Zukunftsparlaments, Carina Fricke (live zugeschaltet) und Otto Ritter, haben eine Umfrage vorbereitet, die in Kürze die Volontär:innen, Auszubildenden und Studierenden erreichen wird. "Nehmt alle an der Umfrage teil“, so ihr Appell. "Wir sind da, um in vielen Gremien eine junge Perspektive hineinzubringen", sagte Fricke. Otto Ritter ist dabei, eine digitale Börse aufzubauen, in der sich junge Interessierte melden können, die sich vorstellen könnten, einmal eine Buchhandlung zu übernehmen. Er berichtete, dass die Taskforce Gütesiegel beschlossen hat, in diesem Jahr kein Gütesiegel zu vergeben. Fricke und Ritter beglückwünschten ihren Vorgänger Tobias Groß als Preisträger des Yeaward 2025.

"Du öffnest Menschen, schaffst es, sie in Gespräche und Austausch zu bringen", lobte Fricke Otto Ritter, dessen Amtszeit in Seckbach zu Ende ging. Als Nachfolgerin wählten die Parlamentarier:innen Janneke de Vries (Buchhandlung Schmetz am Dom, Aachen).für eine Amtszeit von zwei Jahren. Mit der heutigen Wahl kehrt das Zukunftsparlament in den Turnus des rotierenden Modells zurück, in dem pro Jahr ein oder eine der Sprecher:innen neu gewählt wird.

Zukunftssprecher Otto Ritter zeichnete Ellen Köhler, Stefanie Fittipaldi, Nathalie Holman, Lilian Grebenstein und Laura Olszewski für die besten der eingereichten Essays zum Thema "Diskurskultur als Fundament der Demokratie" aus.

Themen aus den Arbeitsgruppen

Der erste Teil der Parlamentssitzung

Image der Branche: Zwischen der Außenwirkung und dem Bild, dass die Branche in ihrer eigenen Bubble hat, besteht eine riesige Diskrepanz, so die Bestandsaufnahme der Arbeitsgruppe - es geht um mehr als darum, die Leute zu beklatschen, die sich durchgebissen und es geschafft haben - denn wünschenswert wäre doch, dass die Hürden nicht so hochgelegt werden, gerade bei der Finanzierung von Ausbildung, Praktikumsplätzen (gerne mal unbezahlt) und Volontariaten. Es dürfe nicht sein, dass es sich nur Kinder aus Akademikerhaltung leisten können, in die Buchbranche zu kommen. "Viel kommt auch darauf an, wie selbstbewusst wir uns selbst geben", meinte Tobias Groß, "wenn ich mit leuchtenden Auge von meinem Beruf erzähle, hat das auch eine Außenwirkung."

Politische Teilhabe: "Wir als Branche haben eine Verantwortung, gegenüber Fake News und Rechtsextremismus vorzugehen", so ein Parlamentarier aus der Arbeitsgruppe. Leseförderung ist ein wichtiger Bestandteil politischer Teilhabe: "Nur wer lesen kann, kann sich auch informieren und gestalten; Bibliotheken und Buchhandlungen sind wichtige Orte für Teilhabe". Wichtig sei es, niedrigschwellige Angebote anzubieten, um offen zu sein. Eine Frage, über die viel diskutiert wurde: Wie tolerant muss man eigentlich gegenüber Intoleranz sein? Klare Haltung zeigen, so das wichtigste Ergebnis der Diskussion. "Neutralität ist ab einem gewissen Punkt nicht mehr neutral, Hetze führt zu Zerstörung und Unmenschlichkeit", so eine Parlamentarierin. 

Künstliche Intelligenz: Mithilfe von einem Siegel könnte klar gemacht werden, zu wie viel Prozent ein Buch mit KI produziert wurde oder vielleicht ganz ohne KI. "Transparenz ist wichtiger denn je." Es gebe eine riesigen Fortbildungsbedarf in Sachen KI, hilfreich wäre es, eine Plattform mit fortlaufenden (auch finanziell niedrigschwelligen) Angeboten zu haben, um sich im Umgang mit KI weiterzubilden. Bei diesem Thema gibt es große Zukunftsängste: Kann ich als Autor überhaupt beweisen, dass ich ohne KI gearbeitet habe? Schätzen die Kunden das oder ist es ihnen egal? Sehen die Verlage KI vorwiegend als "Chance", bestimmte Arbeiten einzusparen und durch KI zu ersetzen und gehört meine Stelle dann zu denen, die eingespart werden?

Community und Vernetzung: Große Unternehmen haben eine Azubigruppe, es gibt Mentoringprogramme, es gibt Gruppen wie die jungen Verlagsmenschen (siehe unten), NaNe, CLAUS usw. - aber als Neuling kennt man sie erstmal gar nicht. Deswegen könne gar nicht oft genug auf die vielen Möglichkeiten hingewiesen werden, die bereits existieren. Teilweise wissen selbst die Arbeitgeber nicht von den Angeboten und können den Azubis nicht weiterhelfen. Der Mediacampus biete viele Möglichkeiten (für Azubis) zum Netzwerken, was bei den meisten lokalen Berufsschulen weniger der Fall sei, die teils abgeschottet von Informationen des Börsenvereins seien. Deshalb auch hier die Idee, eine Website einzurichten, auf der man die Gruppen und Ansprechpartner auflistet. Eine Anregung aus dem Parlament: sich für den Besuch auf Messen auszutauschen, wenn man alleine dorthin fährt, fühlt man sich oft "lost" - vielleicht kann man eine Möglichkeit schaffen, sich mit anderen in derselben Situation zu vernetzen. An vielen Unis gibt es eine "Ersti-Woche" - etwas Vergleichbares wünschen sich auch Buchbranchen-Azubis, und sei es nur für einen langen Tag.

Digitalisierung: Die Branche könnte Vorreiter auch bei der Barrierefreiheit sein. "Uns fällt auf, dass vieles im Bereich Digitales gerne an uns Jüngere abgegeben wird - 'Ihr könnt das doch machen ...'" Viel klarer müsse werden, dass man Online-Auftritte und Posts auf Instagram & co. nicht mal so nebenbei oder am besten nach Feierabend macht - diese Erwartungshaltung sei noch oft vorzufinden.

Beim Gütesiegel Ausbildung steht ein Remake an. Es soll unabdingbare Grundbedingungen geben, die alle Buchhandlungen erfüllen müssen. Bei den Kriterien muss man aber differenzieren zwischen kleineren und größeren Buchhandlungen, weil manche Kriterien oft gar nicht so leicht von kleineren zu erfüllen sind. Ein weiterer Input: ein Treffen mit Ausbildern.

Möglichkeiten zum Netzwerken und Unterstütztwerden

"Dass es die Berufsbildung und das Zukunftsparlament in dieser Form gibt, verdanken wir in ganz hohem Maße Karin Schmidt-Friedrichs, die den Finger in Wunden gelegt hat und Lösungen gefunden hat“, meinte Monika Kolb, Bildungsdirektorin des Börsenvereins. "Ich hab Kinder und Karriere nur sehr mittelmäßig unter einen Hut bringen können, wollte in die Politik gehen und dort haben die Männer dann alle eine Mauer gebildet“, erinnerte sich Schmidt-Friedrichs. "Ein Glück war, dass der damalige Hauptgeschäftsführer mich fragte, ob ich nicht in den Berufsbildungsausschuss gehen würde, ich - eine Architektin … Das war vor 19 Jahren. Na gut, wenn ich das moderierend wahrnehmen sollte, dachte ich – aber das machte alles irren Spaß, es war ein Impuls zu wachsen, sich hineinzuarbeiten“, appellierte die Vorsteherin, sich zu engagieren und selbst Akzente zu setzen.

Carola Markwa hob bei der Vorstellung über die Arbeit des Sozialwerks des Deutschen Buchhandels hervor, dass es auch Auszubildende unterstützt, ob es um Fahrtkostenzuschüsse zur Berufsschule, Ausbildereignungsprüfung und bei der Ausbildung selbst, auch hat das Sozialwerk in diesem Jahr Eintrittskarten für die Leipziger Buchmesse finanziert. Ansprechpartnerin für die Azubis ist Johanna Hahn. Katharina Scholz, die allererste Nachwuchssprecherin und aktuell Vorsitzende des Fördervereins Berufsbildung Buchhandel, informierte über die Möglichkeiten der Unterstützung von Aus- und Weiterbildung von qualifizierten Fachkräften und Erleichterung des Einstiegs für junge und motivierte Menschen in die Branche, insbesondere für das Internat in Leipzig und am Mediacampus Frankfurt. Was Markwa wie Scholz am Herzen liegt: dass auch Jüngere sich in Förderverein und Sozialwerk engagieren. „Teil einer gemeinsamen Stimme“ sein, dafür warb Clair Okonkwo (Volontärin bei Mair DuMont) von den Jungen Verlagsmenschen; das größte Nachwuchsnetzwerk im Buchhandel mit mehr als 850 Mitgliedern – gerade vor Ort in regionalen und Städtegruppen finde ein reger Austausch statt, aber auch in größeren Veranstaltungen wie dem Weiterbildungstag, Lean Coffee für Young Professionals oder eine Filmdiskussion zu „The Driven One“.