Neujahrsgruß der Vorsteherin

Schmidt-Friderichs: "Ich glaube an die Branche"

4. Januar 2023
von Karin Schmidt-Friderichs

Als "Energiekrise" könne man auch die Situation in der Buchbranche bezeichnen, meint die Vorsteherin des Börsenvereins Karin Schmidt-Friderichs. Für das neue Jahr hat sie dennoch Zuversicht. Das Stichwort: Resilienz. 

Liebe Kolleg:innen,

hinter uns liegt ein weiteres ­herausforderndes Jahr. Zur Pandemie kam der Ukraine-Krieg und in der Folge eine schwere Wirtschafts- und Energiekrise mit seit Jahren ungewohnter Inflation. Als "Energiekrise" kann man auch die Situation in der Branche bezeichnen: Die Kräfte sind verbraucht, bei manchem ist auch der Mut aufgebraucht.

Der Börsenverein kämpft für Unterstützung, aber der Realitätssinn sagt, dass sich die Lage nicht von heute auf morgen entspannen wird.

Was wünscht Ihnen Ihre Vorsteherin vor diesem Hintergrund zum Jahreswechsel?
Ich habe kein Allheilmittel. Aber ich glaube an Ihre Resilienz, ich glaube an die Bedeutung des Buchs und des Lesens – und an diese Branche! Irgendwann im Nachhinein werden wir erkennen, was wir aus dieser schweren Zeit gelernt haben:

Wir werden die Kraft von Kooperation anstelle von Konkurrenz entdeckt haben. Innerhalb unserer Branche und darüber hinaus. Wir werden bislang Selbstverständliches (zum Beispiel Übernachtlieferungen) hinterfragt – und wo noch möglich – wertschätzen gelernt haben.

Wir werden den Wert der Bücher und des Lesens – auch anhand des Preises – überzeugender und selbstbewusster kommuniziert haben und dadurch eine noch höhere Wertschätzung unserer Kund:innen erfahren.

Wir werden "heiße Eisen" angesprochen und sachlich miteinander besprochen haben. Die argumentative Auseinandersetzung mit dem Thema Mindestpreis hat uns gezeigt, dass wir das können.

Wir werden uns den Wert des dreispartigen Verbands und der Verbundenheit vergegenwärtigt haben. Wir werden die Erfahrung gemacht haben, dass Menschen Vielfalt und Auswahl, Entdeckungen und Begegnungen suchen – und dass sie Orten fernbleiben, an denen ihnen nur das Erwartbare angeboten wird. Die Innenstadtentwicklung zeigt das heute schon. Wir sollten bei der Sortimentsgestaltung trotz des durch Corona ausgelösten Bestseller-only-Strebens daran denken! Wir werden neue Wege gefunden haben, wo vertraute versperrt sind, so wie es die Initiatoren der Leipziger Pop-up-Buchmesse 2022 kreativ aufgezeigt haben.

Ich könnte weiter aufzählen und Sie auch! Denn wir sind die Branche, die bisher jede Krise gemeistert hat. Wir können miteinander auch die Hürden dieser Zeit nehmen. Wir dürfen nur den Glauben nicht verlieren: an die Kraft unserer Kreativität. An die Fähigkeit, uns selbst und unser Geschäft immer wieder neu zu erfinden. An die Zukunft des Buchs, der Vielfalt und des Lesens. Und daran, dass es Freude und Erfüllung ist, diese Zukunft zu gestalten.

Ich habe die vergangenen Wochen mit einem Pop-up-Store im zugigen Eingang eines hässlichen, leer stehenden Kaufhauses verbracht. Es war ein Crashkurs in Innovation, Improvisation und Start-up-Kultur. Die Betreiber des Kaufhauses hatten sich zu lange dem Wandel nicht angepasst. Uns stehen durch die Inhalte, die wir verlegen und mit denen wir handeln, Seismografen des Wandels zur Verfügung. Wer, wenn nicht wir, sollte also in der Lage sein, das Neue nachhaltig zu gestalten?

In diesem Sinne auf ein gutes Neues, herzlich Ihre
Karin Schmidt-Friderichs