Friedenspreisträgerin auf der Buchmesse

Tsitsi Dangarembga über das Schreiben und den grenzenlosen Fluss der Waren

22. Oktober 2021
von Sabine Cronau

 „Ich sehe mich nicht als Kämpferin für Menschenrechte, sondern als verantwortungsvolle Bürgerin meines Landes“: Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga, die sich in ihrer Heimat Simbabwe für Frauen- und Freiheitsrechte engagiert, war heute auf der Buchmesse. Und verriet dabei unter anderem, an welchem Punkt sich das Schreiben und das Filmen in ihrem Werk verbinden.

Am Stand ihres Verlags Orlanda, auf dem Blauen Sofa des ZDF, in Halle 4 zum traditionellen Pressegespräch: Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga war heute auf der Frankfurter Buchmesse unterwegs, um über ihre Bücher zu sprechen – aber auch über ihre Heimat Simbabwe.

Das Land sei fest im Griff einer fundamentalen Krise, die alle Lebensbereiche erfasse, sagte die Friedenspreisträgerin, die am Sonntag in der Paulskirche geehrt wird: „Es ist eine ökonomische, eine politische und damit auch eine soziale Krise. Viele Menschen sind schon froh, wenn sie wenigstens eine richtige Mahlzeit am Tag haben“, so Tsitsi Dangarembga. Die Gründe dafür würden bis in die Kolonialzeit zurückreichen. Denn mit der Unabhängigkeit des Landes habe sich zwar die politische Struktur verändert, nicht aber die wirtschaftliche, die Grundlage für ein auskömmliches Leben aller sei.

Ausgezeichnet wird die Schriftstellerin und Filmemacherin unter anderem für ihre autobiografische Romantrilogie, die von der jungen Tambudzai erzählt – einer Frau, die in Simbabwe um ein menschenwürdiges Leben und weibliche Selbstbestimmung kämpft. Ebenso geehrt wird ihr politisches Engagement, etwa für Frauen- und Freiheitsrechte in Simbabwe.

Rassismus gibt es auf ganz verschiedenen Ebenen - deshalb muss er auch auf allen bekämpft werden.

Tsitsi Dangarembga

Sie selbst sehe sich nicht als Kämpferin für Menschenrechte, sondern komme letztlich ihrer Verantwortung als Bürgerin nach, betonte Tsitsi Dangarembga im traditionellen Friedenspreis-Pressegespräch auf der Buchmesse. Die Gesellschaft sei das „Rohmaterial“ für die Geschichten, die sie in Romanen und Filme erzähle: „Da wird man gewissermaßen automatisch zur Verteidigerin der Menschenrechte“.

Dangarembga hat Psychologie studiert und in den 90er Jahren die Deutsche Film- und Fernsehakademie in Berlin besucht. Das Filmen und das Schreiben sind zwei Formen ihrer künstlerischen Ausdrucksform – und zwischen beidem gibt es eine Verbindung: Seitdem sie Drehbücher verfasse und Filme mache, sei ihre Prosa stärker von visuellen Bildern geprägt, so Dangarembga. 

Rassismus, Migration, die Rückgabe von Kunstwerken, die zur Kolonialzeit nach Deutschland gebracht wurden: Es gab viele Fragen an die Friedenspreisträgerin, die jedoch deutlich machte, dass einfache Antworten auf so komplexe Themen nicht zu haben sind. Rassismus zum Beispiel gebe es auf allen Ebenen, in Familien, Institutionen, Gesellschaften: „Deshalb muss er auch auf allen Ebenen bekämpft werden.“ Die Menschheit, so die Friedenspreisträgerin, lebe heute in einer globalisierten Welt. Es könne und dürfe nicht sein, dass Waren und Geld frei und grenzenlos zirkulieren dürften – während die Grenzen für Menschen nicht durchlässig seien.

Der Friedenspreis ist nicht der einzige Preis, den Tsitsi Dangarembga in diesem Jahr bekommt. In London hat sie bereits den PEN Pinter Prize sowie den PEN International Award for Freedom to Expression erhalten. Die Auszeichnung geht an Autor*innen, die trotz Verfolgung weiterschreiben – so wie Tsitsi Dangarembga. Im Juli 2020 hatte sie in Simbabwe zur Teilnahme an einer Anti-Korruptions-Demonstration aufgerufen, danach wurde sie für kurze Zeit inhaftiert und auf Bewährung freigelassen. Am 15. Dezember wird vor Gericht darüber entschieden, wie es mit dem Verfahren weitergeht – und ob sich Dangarembga dann nicht mehr regelmäßig bei den Behörden melden muss.

Verliehen wird der Friedenspreis am Sonntag, den 24. Oktober, um 11 Uhr in der Frankfurter Paulskirche. Die Laudatio auf Tsitsi Dangarembga hält die kenianische Germanistin und Soziologin Auma Obama. Das ZDF übertragt die Preisverleihung live. Mehr zur Preisträgerin und zum Preis finden Sie hier. Ein Interview mit Tsitsi Dangarembga lesen Sie auf boersenblatt.net.