Bundestagswahl 2021: Branchendialog mit Monika Grütters

Was kann die Buchbranche von der CDU erwarten?

22. September 2021
von Börsenblatt

Nachdem am 13. September SPD-Kulturpolitiker Carsten Brosda Rede und Antwort stand, sprach am 21. September Kulturstaatsministerin Monika Grütters mit Vertreter*innen der Buchbranche über die zentrale Rolle der Kultur in der Gesellschaft, das Wissenschaftsurheberrecht, E-Lending, die Ausbildungssituation in der Branche und die Zukunft der Innenstädte.

Das 90-minütige Gespräch mit Kulturstaatsministerin und CDU-Präsidiumsmitglied Monika Grütters mit den Teilnehmer*innen aus Börsenvereinsvorstand, Verlagen, Buchhandel und Nachwuchsparlament war von großer gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Grütters verbinde, wie sie selbst sagt, "mehr als ein abstraktes Wichtig Sein" mit der Buchbranche. Das habe sie, so die Teilnehmer*innen des Gesprächs, in ihrer bislang achtjährigen Amtszeit mit vielen Initiativen unter Beweis gestellt, u.a. mit der Einführung des Deutschen Buchhandlungspreises und Verlagspreises oder den Fördermaßnahmen in der Corona-Pandemie. Dafür drückte Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs gleich zu Anfang des Gesprächs ihren großen Dank für das Engagement und die Unterstützung der Kulturstaatsministerin aus.

Die Bedeutung der Buchbranche für Kultur und Gesellschaft

In ihrem Eingangsstatement betonte Monika Grütters, welch große Rolle Bücher für die Kulturwirtschaft, aber auch die Gesellschaft allgemein spielten. Trotzdem werde die Branche in politischen Überlegungen oft stiefmütterlich behandelt. Sie sehe es als ihre Aufgabe an, "immer wieder Licht auf die Buchbranche zu werfen" und sich für ihre Rahmenbedingen wie die Preisbindung, das Urheberrecht oder den reduzierten Mehrwertsteuersatz einzusetzen.

Während der Corona-Pandemie habe, so der Eindruck von Grütters, die Buchbranche nicht an Sichtbarkeit verloren. Sie sei auf andere Art ins Blickfeld geraten. Menschen hätten zuhause wieder mehr zu Büchern gegriffen. Und auch in der Politik habe man sich intensiv mit der Branche beschäftigt, etwa bei der Entscheidung, Buchhandlungen dem "Einzelhandel des täglichen Bedarfs" zuzurechnen. Trotz allem sei ihr bewusst, dass alle Bereiche der Branche unter den Folgen der Pandemie gelitten haben. Durch die verschiedenen Förderprogramme im Rahmen von "NEUSTART KULTUR" habe sie versucht, der Branche auch finanziell unter die Arme zu greifen. Besonders wichtig sei ihr dabei auch die Förderung der Frankfurter Buchmesse, die als größte Buchmesse der Welt weltweit Beachtung finde. Ein Besuch der Messe im Oktober stehe bereits in ihrem Kalender. Es gehe jetzt darum, die guten Erfahrungen aus der Krise zu verstetigen und in die Nach-Pandemie-Zeit zu übertragen: "Ich hoffe, dass wir jetzt gemeinsam wieder durchstarten können."

Urheberrecht und E-Lending

Ausführlich sprach Kulturstaatsministerin Grütters mit den Teilnehmer*innen über die Entwicklungen im Urheberrecht. "Die CDU steht dabei an Ihrer Seite", sagte sie. Bis zuletzt habe sie Verbesserungen beim 2018 in Kraft getretenen Urheberrechts-Wissensgesellschaftsgesetz angemahnt und sich auch gegen die überraschende Entfristung des Gesetzes ohne die vorgesehene Evaluation in diesem Jahr ausgesprochen. "Ich verstehe die Wut und Verbitterung gerade bei Ihnen, liebe Verlage, und dass Sie dabei Vertrauen in die Politik verloren haben", so Grütters. "Beim jetzt anstehenden Thema E-Lending müssen wir andere Wege beschreiten."

Die Einführung einer sogenannten Zwangslizenz für die digitale Leihe in Bibliotheken, wie vom Deutschen Bibliotheksverband gefordert, lehne sie ab. "Die Bezeichnung 'Zwangslizenz' verrät schon, dass das kein Modell für ein verträgliches Miteinander ist." Verhandlungslösungen hätten für sie Vorrang vor gesetzlichen Regelungen. Daher unterstütze sie die Forderung des Börsenvereins, eine kartellrechtliche Ausnahme zu erwirken, um offene Gespräche zwischen dem Börsenverein und dem Deutschen Bibliotheksverband über faire Lizenzmodelle zu ermöglichen. Grütters machte aber auch deutlich, dass bei dem Thema "zwei Herzen in ihrer Brust" schlügen. Die Bibliotheken leisteten als Dritte Orte einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft und die Weiterentwicklung digitaler Angebote sei ein wichtiger Baustein, um Bibliotheken auch künftig attraktiv zu gestalten.

Die Zukunft der Ausbildung und der Innenstädte

Wie kann eine Ausbildung im Buchhandel auch in Zukunft attraktiv für qualifizierte Absolvent*innen sein? Wie können die Rahmenbedingungen, auch die finanziellen, verbessert werden? "Toll, dass Sie sich für diesen Beruf entschieden haben", sagte Monika Grütters zu Nachwuchssprecherin Jennifer Geneit, bevor sie ins Thema einstieg. "Irgendwann möchte auch ich am liebsten selbst eine Buchhandlung aufmachen." Der Fachkräftemangel, so Grütters, sei ein Problem, das sich durch alle Branchen ziehe. "Ich würde mir wünschen, dass es uns gelingt, Karrierewege, für die nicht zwingend ein Abitur erforderlich ist, wieder attraktiver zu machen." Programme wie das Schüler-Bafög halte sie für sehr wichtig, um etwa Auszubildenden, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnen, eine Lebensgrundlage zu ermöglichen. Branchenspezifische Ausbildungsförderungen seien allerdings schwer realisierbar.

Mit derselben Sorge wie der Buchhandel beobachte Grütters die zunehmende Verödung der Innenstädte. "Für mich ist es sehr wichtig, meine Buchhandlung um die Ecke zu haben", sagte Grütters, die in Berlin-Reinickendorf für die CDU kandidiert. Allerdings sei es sehr schwierig, in den privaten Immobilienmarkt regulierend einzugreifen. Und Appelle an die gesamtgesellschaftliche Verantwortung ließen Investoren eher kalt. Hier sei vor allem die Kommunalpolitik gefragt, Anreize zu schaffen wie beispielsweise feste Prozentsätze für Kulturnutzung bei Neubauten. Sie bot aber an, einen Runden Tisch zu organisieren, um mögliche Initiativen zur Revitalisierung der Innenstädte zu besprechen.

Auch wenn die Zeit knapp wurde, so wollte Monika Grütters das Thema strukturelle Verlagsförderung nicht unerwähnt lassen. Ihr liege dazu bereits ein Brief der Kurt-Wolff-Stiftung vor. Vorschläge dazu würden in ihrem Hause auch vor dem Hintergrund der im März veröffentlichten Studie der BKM zu diesem Thema eingehend geprüft. Der weitere, intensive Austausch hierzu würde in Kürze erfolgen.

Bitten, Wünsche, Forderungen

Zum Schluss formulierte Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis Kernforderungen an eine nächste Bundesregierung:

  1. Die Art und Weise des Umgangs mit dem Urheberrecht ist die entscheidende Zukunftsfrage für die deutsche Buchbranche. Nach vielen "Teilenteignungen" durch gesetzliche Regelungen in der Vergangenheit bekommt jetzt der anstehende ordnungspolitische Umgang mit der E-Book-Ausleihe in Bibliotheken existenzielle Bedeutung. In jedem Fall muss eine fair ausgehandelte Vereinbarungslösung Vorrang haben vor jeglichem gesetzlichen Eingriff. 
  2. Die Buchbranche kann mit ihrem engmaschigen Netz von 5.000 Buchhandlungen wesentlich zur Revitalisierung der Innenstädte beitragen. Wenn wir auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene Unterstützung erhalten, können wir die Buchhandlungen weiter zu kulturellen Ereignisorten ausbauen, die dabei helfen, Menschen wieder in die Innenstädte und Gemeindezentren zu bringen.
  3. Die Preisbindung sollte in einem künftigen Koalitionsvertrag als unbedingt schützenswert verankert werden. Sie sichert die Qualität und Vielfalt, die Deutschland zu einem der führenden Buchmärkte weltweit macht.
  4. Wir unterstützen die unterschiedlichen Bestrebungen, die Kulturpolitik in Zukunft auf Augenhöhe mit anderen Ressorts am Kabinettstisch zu heben.

An der Diskussion teilgenommen haben Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs, Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis, Vorstandsmitglied Annerose Beurich (Buchhandlung Stories!, Hamburg), Vorsitzende des Verleger- Ausschusses Nadja Kneißler (Delius Klasing Verlag), Klaus Kowalke, Mitglied im Sortimenter-Ausschuss (Buchhandlung Lessing & Kompanie, Chemnitz), Barbara Budrich, Mitglied im Verleger-Ausschuss (Verlag Barbara Budrich), die Sprecherin des Nachwuchsparlaments Jennifer Geneit (Schweitzer Fachinformationen), sowie die Leiterin des Berliner Büros Birgit Reuß. Moderiert wurde das Gespräch von Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir.

Text: Thomas Koch