Interview mit Nadja Kneissler zur Tagung "Der grüne Buchabdruck"

"Wir nähern uns der Klimaneutralität in sehr kleinen Schritten"

21. September 2021
von Michael Roesler-Graichen

Unter dem Motto "Gemeinsam für Nachhaltigkeit in der Buch- und Medienbranche" findet am 23. September die Online-Fachtagung „Der grüne Buchabdruck“ statt. Nadja Kneissler, Verlagsleiterin von Delius Klasing Buch und Vorsitzende des Verleger-Ausschusses, über Nachhaltigkeit und Klimaziele in der deutschen Buchbranche.

Wie weit ist die deutsche Buchbranche auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaneutralität vorangekommen?
Wir nähern uns dem Ziel Klimaneutralität bisher noch in sehr kleinen Schritten. 2019 haben der Börsenverein und einige Verlage schon die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen unterschrieben, und der Klimaschutz steht inzwischen bei immer mehr Verlagen auf der Agenda – vor allem bei zentralen Themen wie Papier und Stromversorgung. Und es werden nicht nur die Großen aktiv: Auch kleinere Häuser beschäftigen sich immer öfter damit. Das ist für unsere Branche, die kulturelle und gesellschaftliche Werte vertritt, aus meiner Sicht auch wirklich notwendig: Es würde uns gut anstehen, eine Selbstverpflichtung einzugehen, anstatt auf gesetzliche Vorgaben durch die Politik zu warten, die uns in Richtung Klimaschutz zwingen, wie es bei der Autoindustrie der Fall war.

Lässt sich der CO2-Fußabdruck der Branche mittelfristig auf Null reduzieren?
Momentan ist das nur mit dem zusätzlichen Ankauf von CO2-Zertifikaten möglich, da die Buchproduktion noch nicht in vollem Umfang klimaneutral erfolgen kann. Es gibt aber viele Schritte, die man aktiv angehen kann, beispielsweise, indem man auf die Papierproduzenten einwirkt, künftig verstärkt mit grüner Energie zu arbeiten. Im Transportsektor muss man die Frage stellen, wie lange noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren laufen werden, und welche Alternativen es gibt. Außerdem sollten wir über über Kooperationen der Bücherwagendienste nachdenken und über mehr körperlose Remissionen. Und ob die Lieferbarkeit von Büchern über Nacht ein dauerhaftes Muss ist, kann man auch vorsichtig hinterfragen – wobei da natürlich die Konkurrenz durch den Online-Handel nicht außer Acht gelassen werden darf. Ich habe die Hoffnung, dass die Buchkäufer hier umdenken werden – Bücher sind definitiv lebenswichtige, aber nicht rasch verderbliche Güter.

Was kann man in den Verlagen und Buchhandlungen tun?
In den Unternehmen selbst kann man den Ausstoß klimaschädlicher Gase verringern, etwa durch die Nutzung erneuerbarer Energien, durch die Reduzierung von Dienstreisen, durch den Umstieg der Mitarbeiter*innen auf den öffentlichen Nahverkehr und auf das unternehmensgeförderte Jobfahrrad. Wichtig ist es, auch bei allen Geschäftspartnern das Thema Klimaneutralität Schritt für Schritt einzufordern

Wäre es eine Alternative, in der Buchproduktion verstärkt auf Printing-on-Demand zu setzen?
Auf jeden Fall. Die PoD-Technologie ermöglicht eine gezielte Steuerung von Auflagen, entlastet die Lagerhaltung und kann in manchen Fällen das Remissionsrisiko senken. Sie wird meiner Einschätzung nach zunehmend eine Rolle spielen in der Produktionsplanung

Können sich die Börsenvereinsmitglieder selbst auf das Ziel der Klimaneutralität verpflichten?
Ja. Jedes Unternehmen kann das SDGs Publishers Compact unterzeichnen und sich damit hinter die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen stellen. Eine Selbstverpflichtung bedeutet zunächst, dass man erst einmal die Unternehmen in die Lage versetzt, sich klimafreundlicher aufzustellen. Dazu benötigen die Unternehmen Unterstützung und Leitfäden, wie sie der Börsenverein bereits anbietet. Der Verband muss den Unternehmen alles an die Hand geben, was nötig ist. Erst danach, im zweiten Schritt, kann man sich auf klare inhaltlich und zeitlich definierte Ziele festlegen.