Meinung zur Übernahme von V & R durch Brill

Brills zweiter Markt heißt Deutschland

1. März 2021
von Michael Roesler-Graichen

Mit der Übernahme des Traditionshauses Vandenhoeck & Ruprecht durch den niederländischen Brill Verlag verlagern sich die Gewichte im akademischen Publizieren. Künftig wird ein ausländischer Player großen Einfluss auf die geistes- und sozialwissenschaftliche Forschungs- und Verlagsszene in Deutschland ausüben.

Gerüchte, dass Vandenhoeck & Ruprecht ein Übernahmekandidat sei, kursieren in der Branche bereits seit mindestens einem Jahr. Als Gründe für einen möglichen Verkauf wurden von Beobachtern unter anderem die schlechten Zahlen genannt, die auch im Gesellschafterkreis keine Freude auszulösen vermochten. Ursache der finanziellen Belastungen, mit denen die Verlagsgruppe zu kämpfen habe, solle vor allem die Übernahme des Böhlau Verlags gewesen sein, die sich im Nachhinein als zu teuer herausgestellt hätte. Von Verlagsseite wollte dies niemand bestätigen.

Als Geschäftsführerin Carola Müller vor einem Jahr ankündigte, den Verlag nach 15 Jahren in der Geschäftsführung in Richtung Volkshochschule zu verlassen, bekamen die Spekulationen um die wirtschaftliche Lage des fast 300 Jahre alten Traditionshauses weiter Auftrieb. Doch Müller hielt sich im Interview mit dem Börsenblatt bedeckt und verwies auf die Veränderungen im Gesellschafterkreis: "Die siebte Generation, der elf Familienmitglieder angehören, vertritt nun die Gesellschafterinteressen und bestimmt damit unseren Kurs. Da zeigen sich durchaus veränderte Erwartungshaltungen im Hinblick auf das, was ein Verlag in diesen Zeiten als Wirtschaftsunternehmen zu leisten hat. Aber dabei gibt es keine Dissonanzen."

Mag sein, dass die siebte Generation mit der wirtschaftlichen und strategischen Entwicklung der Verlagsgruppe nicht mehr so einverstanden war wie die Generation, die unter anderem durch Arndt und Dietrich Ruprecht geprägt worden war. Den (ebenfalls nicht vom Verlag bestätigten) Eindruck, dass bereits beim Verkauf der Druckerei Hubert & Co. an die Stuttgarter Medienunternehmer Peter Sommer und Peter Dankesreiter wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund standen, wird man nicht leicht los.

Mit dem Verkauf sämtlicher Inhalte an Brill ist der Gesellschafterkreis von V & R jedenfalls am Ziel. Die Gefahr, dass Investitionen in den Verlag weitere Unsummen verschlingen und die Ertragssituation belasten könnten, ist abgewendet. Das Risiko liegt jetzt bei Brill.

Vandenhoeck & Ruprecht präsentierte sich in den vergangenen Jahren zunehmend als Konglomerat, in dem nicht immer klar zu unterscheiden war, was das allgemeine Publikum, was die Fachwelt und was die wissenschaftliche Community adressierte. Womöglich hätte eine Strategie geholfen, die sich auf einen Bereich fokussiert und so das Potenzial des Verlags weiter entwickelt hätte – auch im Blick auf den internationalen Markt.

Ebenfalls am Ziel ist nun Brill: "Die Übernahme ist für uns in der Tat der Durchbruch für unsere Deutschland-Strategie", sagt Jasmin Lange, Chief Publishing Officer von Brill, auf Anfrage dem Börsenblatt. Lange, die zuvor für Ernst Klett arbeitete, kam 2011 in das Leidener Brill-Team und war dort maßgeblich für die Entwicklung der Übernahme-Strategie des niederländischen Verlags in Deutschland verantwortlich. 2016, nach der Übernahme von Fink, Schöningh und mentis, wurde die Brill Deutschland GmbH gegründet. Sie wird jetzt, nachdem man einen so dicken Fisch wie Vandenhoeck & Ruprecht an Land gezogen hat, ein viel stärkeres Gewicht haben. Sehr wahrscheinlich ist nun, dass der 300. Geburtstag des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht, der einst von einem Niederländer gegründet wurde, auch im niederländischen Leiden begangen wird.