Das Prinzip Re-Read
Das erste Buch kostet drei Euro, zwei Bücher kosten fünf, jeder Titel danach zwei Euro: Paul Ingendaay beschreibt in der "F.A.Z." das Modell der viertgrößten spanischen Buchhandelskette.
Das erste Buch kostet drei Euro, zwei Bücher kosten fünf, jeder Titel danach zwei Euro: Paul Ingendaay beschreibt in der "F.A.Z." das Modell der viertgrößten spanischen Buchhandelskette.
Aus einer in dritter Generation betriebenen Buchhandlung in Barcelona hatten der Franzose Nicolás Weber und seine katalanische Frau Mercedes 2013 den ersten Re-Read-Laden gemacht. Jedes gebrauchte ansehnliche Buch wird für 20 Cent angekauft, es muss aus den letzten zwei Jahrzehnten stammen und wird dann weiterverkauft. Inzwischen gibt es nach einem Franchising-Prinzip 49 Re-Read-Läden in Spanien. Rund 1,4 Millionen Bücher wurden 2020 verkauft, in diesem Jahr bereits 550 000 Bücher. Der lesenswerte Artikel findet sich hier.
Ich frage mich, was noch passieren soll, das das, was online bereits schon längst auch in Deutschland praktiziert wird, über kurz oder lang auch die Buchhandelslandschaft bei uns disruptiv zerstört.
Ach übrigens: Die Abstände, in denen "gebrauchte" - de fakto neue - Novitäten auf Amazon Marketplace erhältlich sind, sind bei einigen Titeln nur noch wenige Wochen.
Vielleicht liest ja ein sogenannter Preisbindungstreuhänder diese Zeilen und denkt mal darüber nach....
Und ja, VW und Boss nehmen an der Verwertungskette teil, da sie a. selbst ihren Jahreswagen bei den Vertragshändlern verkaufen und b. dieses Verfahren auch in deren Höhe Preise eingepreist wird verbunden mit erheblich höheren Margen.
Darüber hinaus ist der Verschleißgrad eines "wie neuen" Buches erheblich niedriger im Vergleich zum Verhältnis Ladenpreis-"Gebrauchtpreis" eines Jahreswagens. Und wenn es Marktteilnehmer gibt, die Bücher nur aufgrund ihrer Größe qua Deklarierung als Gebrauchtware zu einem zwanzigstel des Neupreises (online manchmal oftmals für nur 0,01 €) anbieten können, dann wandelt sich die Vorgabe der Preisbindung zum Wettbewerbsnachteil für den stationären Buchhändler*in. Ich wäre schon mal interessiert, was ein kleiner Stadtteilbuchhändler empfindet, wenn schräg gegenüber ein ReRead-, Medimops- oder ReBuy-Bookstore eröffnet.
Wie bereits an anderer Stelle geschrieben, halte ich eine Fristeinhaltung für geboten.
Warum soll ein Konsument für eine zwei Wochen alte tip top erhaltene Novität 24,99 € bezahlen, wenn er es gegenüber bei Gebrauchtbuch 'Harry' für 2,- € bekommt?
Aber ich bin schon gespannt, ob irgendwann auch mal konstruktive Vorschläge kommen, wie Interessenvertreter einer Branche es erreichen können, diese ungute Situation zu ändern, ohne dass nicht ständig die (neoliberale) Freiheit des Marktes oder die Gesetzeskonformität der Situation beschworen wird.
Aber noch ist es ja hierzulande "erst" online auf Amazon Marketplace so weit und nicht im stationären Einzelhandel. Aber das was die CD-Industrie gegenüber der Streaming-Industrie erlebt hat und dann in der 2. Stufe den CD-Laden um die Ecke zum Schließen veranlasst hat, wird auch den hiesigen Markt erreichen. Mich wundert, dass Verlage, Buchhändler oder auch der Börsenverein das alles so einfach schlucken. und nicht daran gehen. - auf welche Weise auch immer...
Sinnvolle wäre wohl: Weniger Überproduktion, damit weniger Ramsch schon nach wenigen Monaten, weniger Verramschung von tatsächlichen oder angeblichen Mängelexemplaren durch Verlage und Handel, ja und vielleicht auch weniger LEX mit der Gießkanne an Handel und Presse.
Denn ein derartiger Sekundärmarkt kann sich überhaupt nur etablieren, wenn ein entsprechendes Überangebot am Primärmarkt nicht verarbeitet werden kann. Diese simple Tatsache - dass zu viele Unternehmen zu viele Dinge produzieren, die in letzter Konsequenz an den Kundenbedürfnissen vorbeigehen - als gegeben anzuerkennen hat weder etwas mit Neoliberalismus noch mit Gesetzeskonformität zu tun. Es ist des Weiteren nichts, was ausschließlich die Buchbranche beträfe, vollkommen unabhängig von etwaigen Rückbezügen der Branche auf ihre kulturrelevante Sonderstellung.
Losgelöst von der Frage, ob die von Herrn Erdle vorgeschlagenen Fristen (und die sollte man durchaus unvoreingenommen diskutieren) praktikabel und justiziabel sind, würde sich mit deren Einführung am ursächlichen Problem wenig ändern.
Zuletzt handelt es sich beim Buch nicht nur um ein "Kulturgut", sondern eben auch um ein "Wirtschaftsgut", das bei Produktion, Distribution und Rezeption den Regeln des Marktes unterworfen ist, auf dem diese Güter gehandelt werden. Diese zweite Seite der Medaille im Rahmen einer solchen Debatte auszublenden ist nicht unbedingt zielführend. Leider wird genau das in der Branche oftmals vermieden, da es sehr viel einfacher und bequemer ist, solch komplexe Problemkonstellationen mit vermeintlich einfachen Lösungen aus der Welt schaffen zu wollen.