Bundeskartellamt zum Marketplace von Amazon

"Ein Eingriff in die Preisgestaltungsfreiheit der Händler"

2. Juni 2025
Sabine Cronau

Sind die Spielregeln auf Amazons Marketplace wettbewerbskonform? Das Bundeskartellamt hat Bedenken gegen die Anwendung von sogenannten Preiskontrollmechanismen durch Amazon - und dazu jetzt eine vorläufige rechtliche Einschätzung veröffentlicht.

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Das Bundeskartellamt hat am heutigen Montag (2. Juni) seine vorläufige rechtliche Einschätzung zur Einflussnahme auf die Preise der Marktplatzhändler auf dem Amazon Marketplace sowie der Marketplace-Richtlinie zur angemessenen Preisgestaltung an Amazon übersandt.

Händler, die ihre Angebote auf der Amazon-Handelsplattform anbieten, sollen bestimmte von Amazon vorgegebene Preisgrenzen nicht überschreiten. Genau darin könnte nach vorläufiger Auffassung des Bundeskartellamtes "ein Missbrauch nach den besonderen Vorschriften für große Digitalunternehmen (§ 19a Abs. 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, kurz GWB) sowie ein Verstoß gegen die allgemeinen Missbrauchsvorschriften des § 19 GWB und Artikel 102 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) liegen." Amazon hat jetzt Gelegenheit zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

Der Wettbewerb im Onlinehandel in Deutschland werde zu einem großen Anteil durch Amazons Regeln für die Handelsplattform bestimmt.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts

Umstrittene Preiskontrollmechanismen

Amazon betreibt nach Einschätzung des Bundeskartellamts ein umfassendes digitales E-Commerce-Ökosystem, "zu dem insbesondere die Handelsplattform amazon.de gehört, die rund 60 Prozent des Umsatzes im deutschen Onlinehandel mit Waren auf sich vereint." Auf dieser Plattform ist Amazon zum einen mit dem Eigenhandelsgeschäft „Amazon Retail“ tätig, zum anderen betreibt das Unternehmen dort einen Onlinemarktplatz („amazon.de Marketplace“), über den Dritthändler ihre Waren direkt an Endkundinnen und Endkunden verkaufen können.

Der Wettbewerb im Onlinehandel in Deutschland werde zu einem großen Anteil durch Amazons Regeln für die Handelsplattform bestimmt, so Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes:

"Da Amazon auf seiner Plattform in den direkten Wettbewerb zu den übrigen Marktplatzhändlern tritt, ist eine Einflussnahme auf die Preisgestaltung der Wettbewerber auch in Form von Preisobergrenzen grundsätzlich wettbewerblich bedenklich. Dies gilt insbesondere dann, wenn die betroffenen Händler ihre eigenen Kosten nicht mehr decken können und die Handelsplattform in kartellrechtswidriger Weise zur Behinderung des restlichen Onlinehandels eingesetzt wird.“

Amazon setze zur Überprüfung der Preise Preiskontrollmechanismen ein, so die Behörde weiter. Wenn diese Mechanismen die Händlerpreise als zu hoch bewerten, würden die entsprechenden Angebote entweder ganz vom Marktplatz entfernt oder nicht im hervorgehobenen Einkaufsfeld angezeigt. Die Angebote würden zudem weitere Einschränkungen bei der Darstellung erfahren, etwa in der Suchergebnisliste.

„Für unsere vorläufige Einschätzung hat es auch eine Rolle gespielt, dass die Parameter der eingesetzten Preiskontrollmechanismen im freien Ermessen von Amazon stehen und die Preisgrenzen für Marktplatzhändler nicht transparent sind,“ betont Andreas Mundt. Diese Mechanismen schränken nach Ansicht der Wettbewerbshüter die Sichtbarkeit von Händlerangeboten ein und greifen auf der Grundlage von intransparenten Marktplatzregeln in die
Preisgestaltungsfreiheit der Händler ein. 

"Keine ausreichende Transparenz"

Als wettbewerblich problematisch sieht das Bundeskartellamt nach derzeitiger Einschätzung insbesondere folgende Punkte an:

  • Der Eingriff in die Sichtbarkeit der Händlerangebote anhand von im freien Ermessen von Amazon stehenden, häufig wechselnden Preisgrenzen könnte den Wettbewerbsprozess auf dem Marktplatz beschränken. "Diese Beschränkungen folgen nach gegenwärtiger Einschätzung keinen objektiven, überprüfbaren Grundsätzen und werden in der Marketplace-Richtlinie und der Kommunikation von Amazon mit den Dritthändlern nicht ausreichend transparent gemacht."
  • Mit den Preiskontrollmechanismen könnte Amazon außerdem in die Preisgestaltungsfreiheit der Marktplatzhändler in einer Weise eingreifen, die nach gegenwärtigem Stand der Beurteilung eine Konzentrationswirkung auf dem Marktplatz zur Folge haben kann. "Denn durch strenge Preisgrenzen können Händler häufig ihre Kosten nicht mehr decken, sodass die Gefahr besteht, dass sie vom Marktplatz verdrängt werden", so das Bundeskartellamt.
  • Die Preiskontrollmechanismen von Amazon als Wettbewerber der Marktplatzhändler könnten nach derzeitiger Einschätzung des Bundeskartellamtes der Koordinierung der Marktplatzpreise anhand der eigenen, von anderen Onlinehändlern kaum nachzubildenden Preiskalkulationsgrundsätze und -vorstellungen von Amazon dienen und als einheitliche Preisstrategie der Handelsplattform zulasten des übrigen Onlinehandels gehen. "Dabei könnte sich insbesondere die Praxis von Amazon, den niedrigsten beobachteten externen Preis im Onlinehandel auf der gesamten Handelsplattform systematisch nachzuvollziehen, als hohe Wechselhürde auswirken und den übrigen Onlinehandel von Preisvorstößen und damit niedrigeren Preisen abschrecken."

Zum Hintergrund

Im Juli 2022 hatte das Bundeskartellamt festgestellt, dass Amazon über eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb verfügt und deshalb der erweiterten Missbrauchsaufsicht des Paragrafen 19a, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterliegt. Diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof im April 2024 bestätigt.

Die vorläufige Einschätzung des Bundeskartellamtes beruht auf Ermittlungen, zu denen auch eine große Händlerbefragung gehörte. Das Bundeskartellamt koordiniert das Verfahren eng mit der Europäischen Kommission, die u. a. für die Durchsetzung der EU-Verordnung über bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor (sog. Digital Markets Act) zuständig ist. Außerdem hat es sein Vorgehen mit der Bundesnetzagentur abgestimmt, die für die Durchsetzung der sog. Platform-to-Business-Verordnung zuständig ist.